Es gibt hierzulande kaum Frauenbands. Britta fällt einem ein. Chicks on Speed. Die Braut haut ins Auge und die Lemonbabies, aber die sind Geschichte. Bernadette La Hengst und Gudrun Gut sind auch alleine Band genug. Aber sonst? Die Jolly Goods gibt es noch, zwei Schwestern, die zwei sehr schöne Garage-Platten veröffentlicht haben, Her.barium (2007) und Walrus (2011). Von ihnen abgesehen, ist einigermaßen erfolgreiches Musikmachen immer noch viel zu selten Frauensache. Im Herbst erschien die erste Ausgabe eines neuen Magazins für „Musik und Text“ mit dem eleganten Titel Das Wetter. Erst nach der Veröffentlichung stellten die Macher entsetzt fest, dass sich keine Frau im Heft fand.
Die Heiterkeit fallen also schon deshalb auf, weil in dieser Band drei Frauen Gitarre, Bass und Schlagzeug spielen und singen. Am Anfang, um 2010 also, war die Heiterkeit eine Band aus Hamburg. Inzwischen ist Stella Sommer, die singt, Gitarre spielt und die Texte schreibt, als letzte noch dort. Bassistin Rabea Erradi ist in Berlin, Schlagzeugerin Anna-Leena Lutz in Leipzig. Sommer studiert Jura, was in Hamburg als Musiker-Studienfach eine gewisse Tradition hat. Tocotronic fanden sich an der juristischen Fakultät und der Sänger von Superpunk soll sogar seinen Abschluss gemacht haben. „Jura“, sagt Sommer, „ist heute das einzige, was man tatsächlich studieren kann, weil es keine Anwesenheitspflicht gibt.“ Verkehrte Welt: Erradi, die Germanistik studiert, müsse nach Konzerten teilweise um 6 Uhr aufstehen, um zur Uni zu fahren. „Dieses Bachelor-Ding“, sagt Sommer, „ist musikerunfreundlich.“
2012 erschien ihr erstes Album Herz aus Gold. Auf Englisch klingt der Titel bekanntermaßen ehrlicher und schöner. Bekanntermaßen, weil er geklaut ist, wie überhaupt sehr viele Passagen in den Texten der Heiterkeit. Die Übertragung ins Deutsche macht sie bisweilen unkenntlich. Spricht man Stella Sommer darauf an, dass sie ganz schön souverän zitiert, sagt sie lapidar: „Durch die alten Männer durch.“ Nach Neil Young als Titelgeber für das erste ist das auf dem neuen Album Monterey unter anderem Bob Dylan. Und der Song Die ganzen müden Pferde ist ein guter Einstieg um über Die Heiterkeit zu schreiben, weil er recht viel von dem enthält, wofür man die Band hassen oder mögen kann.
Stella Sommers Gesang zum Beispiel, der immer sehr tief und langsam ist, weshalb ihr bisweilen vorgeworfen wird, sie hielte sich für Nico (was der Song Factory auf Monterey trotzig befeuert), ihr Gesang also ist hier besonders tief und langsam, und dass sie „schlaft, schlaft, schlaft“ singt, wird ihre Kritiker wieder einmal verärgern. Sie werden behaupten, das täten sie ja wohl längst, und zwar seit dem ersten Song. Dass es widersinnig ist, so etwas beim zehnten Lied eines Albums zu behaupten, wird die Kritiker nur noch ärgerlicher machen. Sie werden als Beweis für den Dilettantismus und die Arroganz der Band aus einem Interview zitieren, in dem Stella Sommer gesagt hat, sie dachte, sie könne das besser als Dylan.
Das mag vermessen und naiv klingen, aber All The Tired Horses ist kein besonders guter Dylan-Song, und Die ganzen müden Pferde ist ein eigenständiger Song, der ganz ehrlich besser ist. Es ist ein Song über das ewig Wach- und das immer Müdesein und über das ewig Weiterziehen-Müssen. Weshalb sollte so ein Song aus mehr bestehen als aus ein paar leisen Gitarrenakkorden, einem Bass, der knarzt und einem schleppenden Schlagzeug?
Ein Standard-Vorwurf gegen die Band lautet, sie seien zu wenig professionell. Am meisten hat Sommer sich über einen Artikel geärgert, in dem es eigentlich um eine andere Band ging, Dilettier it yourself! lautete der Titel und in dem Text war von Musikern die Rede, die herumdilettieren, obwohl sie es eigentlich besser können, und von Musikerinnen, die herumdilettieren, weil sie es nicht anders können. Zu letzteren wurden auch die Heiterkeit gezählt. Ähnlich tönte ein Kommentator unter einem anderen Text über die Band: „Wenn schon zwei Akkorde, dann Punk und maximal zwei Minuten lang.“ Wo aber die Regelgläubigkeit nicht einmal vor Punk halt macht, da braucht es fraglos „neue Lieder“, die „wiederbringen, was früher mal war“. Eben das verspricht der schon erwähnte Song Factory. Da schwingt Attitüde mit, aber mal ehrlich, warum auch nicht. Eine gewisse Scheiß-drauf-Haltung setzt kompromissloses Musikmachen voraus.
Um eine müde Frau geht es in einem anderen Song. Sie ist nicht nur oftmals müde, sondern öfter noch schlecht gelaunt, sie trägt goldene Kleider, ist allseits beliebt und ihre Partys „sind furchtbar, es ist nicht zu fassen“. „Du bist und bleibst, du bist und bleibst doch Daddy’s Girl“, singt Sommer und das ist so ein Moment, in dem klar wird, wie viel unbesungen bliebe, überließe man den Männern das Musikmachen ganz.
Monterey Die Heiterkeit Staatsakt / Rough Trade 2014
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