Die letzten Blutmonde waren gerade gepostet, als auf Twitter vergangene Woche ein neuer Stern aufging. „Can you hear me now?“, schrieb @Snowden am 29. September. Inzwischen hat der bekannteste Whistleblower der Welt über eine Million Follower. Und egal, was er noch twittern wird, das lässigste Statement hat er bereits abgegeben: Edward Snowden selbst folgt nur einem einzigen Account, dem seines ehemaligen Arbeitgebers, der NSA. Ein cooler Hund eben. Am anderen Ende des Spektrums meldete sich George E. Pataki zu Wort, ein nicht so bekannter Präsidentschaftskandidat der Republikaner. In bester Kalter-Kriegs-Rhetorik – @Jack shutdown @Snowden today – forderte er von Twitter-Mitgründer Jack Dorsey die Abschaltung des Verräter-Accounts.
Trendseismografin Lena Dunham hat Twitter übrigens gerade aus eigenem Antrieb verlassen. Unter @lenadunham twittert jetzt nur noch ihr Team. Sie sagte das in einem Radiointerview, das sie und ihre Freundin Jenni Konner anlässlich des Starts von Lenny gaben, ihrem neuen Magazin für junge Frauen, das als Newsletter abonniert werden kann. Auf Twitter, sagte Dunham, gebe es zu viel „snark“ – was nicht heißt, dass die Girls-Erfinderin Twitter zum Gähnen findet, sondern dass sie sich der Gehässigkeit vieler Nutzer nicht mehr aussetzen möchte.
Gut, wenn man unter diesen Umständen mit sich selbst im Reinen ist. So wie Papst Franziskus. Seine Heiligkeit folgt acht Personen, und zwar acht Mal sich selbst. Korrekterweise müsste die Selbstbeschreibung also Ihre Heiligkeit lauten. Falls Ihre Heiligkeit an gähnend langweiligen Tagen eine Runde Papst-Quartett mit sich selbst spielt, sticht übrigens @Pontifex_es die anderen acht mühelos aus: 9,95 Millionen folgen dem spanischsprachigen Account. @Pontifex_de scheidet regelmäßig als zweiter aus (direkt nach seinem arabischsprachigen Alter Ego). Wir sind halt nicht mehr Papst.
Wie man die Liste der Accounts, denen man folgt, richtig kuratiert, kann man von Barack Obama lernen. @POTUS (kurz für „President of the United States“) ist ein echter Twitter-Streber: Er folgt allen Universitäten, die er je besucht hat, seinem Außenminister, seinem Vize sowie dessen Frau, außerdem @FLOTUS, dem Weißen Haus und der Raumfahrtbehörde NASA. Und – human touch – er folgt den vier großen Sportvereinen seiner Heimatstadt Chicago (zum Vergleich: @realDonaldTrump folgt seinem eigenen Golfclub). Obamas Liste ließe sich bei jedem Bewerbungsgespräch als Lebenslauf vorlegen. Außerdem zeigt er Großmut: Er folgt diversen Amtsvorgängern, darunter auch George Bush (nicht allerdings dessen Sohn George W.). Nur einen Skandal birgt die Liste: Obama folgt nicht Hillary Clinton! (Und sie ihm nicht zurück.)
Ähnlich gewieft kuratiert Christine Lagarde ihren Twitter-Auftritt. Die IWF-Chefin folgt nur neun Accounts, darunter Melinda Gates, Ariana Huffington, Hillary Clinton und die New-York-Times-Kolumnistin Maureen Dowd, Pulitzerpreisträgerin und Autorin des Buchs Are Men Necessary? When Sexes Collide. Wenn Barack Obama der Großkurator unter den Twitter-Nutzern ist, wäre Lagarde die Galeristin mit dem exquisiten Adressbuch, auf das Forbes regelmäßig für die Liste der mächtigsten Frauen der Welt schielt (Lagarde steht dort aktuell auf Rang sechs). Wer reinkommt, ist drin.
Andere Personen des öffentlichen Lebens setzen eher auf das Prinzip „Follow ’em all“. @MartinSchulz zum Beispiel scheint halb Straßburg zu folgen (3.235 Nutzern). Eine gewisse Beliebigkeit ist da unvermeidlich, wie die 132 tausend Accounts zeigen, denen Lady Gaga folgt, die vermutlich schon etwas länger als Lena Dunham die Teamarbeit für sich entdeckt hat. Wobei wir nicht ausschließen können, dass Lady Gaga Benjamin Krüger, den persönlichen Referenten des Staatssekretärs für Medien und Bevollmächtigten des Freistaats Thüringen beim Bund, persönlich kennt. Wir sind ja nicht @NSAGov.
Was ist Ihre Meinung?
Kommentare einblendenDiskutieren Sie mit.