Der Spiegel schreibt in seiner aktuellen Ausgabe auf gut neun Seiten auf, wie die Bildzeitung immer wieder gegen sämtliche journalistischen Standards verstößt: Mit ihrer Pro-Guttenberg-Kampagne und der verzerrten Abbildung des vermeintlichen Volkswillens – 87% pro Guttenberg-Verbleib im Amt tönte Bild auf der Titelseite, obgleich Online 57% der Bild.de-Leser für den Rücktritt plädierten –, der ewigen „Das wird man ja noch Sagen dürfen“-Hetze gegen Ausländer, Hartz-IV- Empfänger und den Islam und zahllosen Verletzungen der Privatsphäre diverser Prominenter und Menschen des nichtöffentlichen Lebens. So weit so überzeugend, doch dann folgt auf zwei Seiten ein Gespräch mit Kai Diekmann, das dem Bild-Chef weitgehend die Regie überlässt.
Diekmanns wiederholten Verweisen auf die Geistesverwandtschaft seiner Thesen mit denen Giovanni di Lorenzos in der Zeit, weiß der Spiegel-Reporter, der das Interview führt, leider nur wenig entgegenzusetzen, ebenso Diekmanns Vorwurf, der Spiegel personalisiere viele Geschichten (Beispiel Robert Enke oder Margot Käßmann) genauso wie das Boulevardblatt.
Im vorangehenden Spiegel-Artikel las man über Bild: „Ihre Chefs, voran Chefredakteur Kai Diekmann, aber auch Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner, wollen sich nicht länger damit zufriedengeben, in der deutschen Medienlandschaft die erfolgreichen Rabauken zu sein." Eine überzeugendere Werbung für diese Botschaft als das missglückte Spiegel-Interview hätte Diekmann sich wohl kaum wünschen können.
Das hätte selbst die Agentur Jung von Matt nicht besser hinbekommen, der ihrerseits diese Woche ein Coup für Bild mit Hilfe der taz gelungen ist. Bereits seit Freitag kursiert im Internet ein Brief der „Wir sind Helden“-Sängerin Judith Holofernes, in dem sie kategorisch erklärt, dass sie nicht bereit ist, bei der Promi-Kampagne der Agentur für Bild mitzumachen. Sie erklärt in diesem Brief klug und pointiert, weshalb Bild für sie „kein augenzwinkernd zu betrachtendes Trash-Kulturgut“ sondern ein „gefährliches politisches Instrument“ ist.
So weit so überzeugend, hätte nicht die taz entschieden, ihrerseits ein Auge zuzudrücken und in der Ausgabe vom Montag eine ganzseitige Bild-Anzeige zu schalten, deren Inhalt eben dieser Brief in voller Länge ist. Taz-Redakteur Sebastian Heisers Erklärung dazu im taz-Hausblog: „Weil die BILD-Zeitung uns dafür bezahlt. (...) Unabhängiger Journalismus muss schließlich bezahlt werden und je mehr Geld wir haben, desto mehr können wir davon machen. “ Bild als Unterstützer von unabhängigem Journalismus? Am Ende hat dann doch wieder nur einer gewonnen: die Bildzeitung.
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14:07 01.03.2011
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Kommentare 14
Kai Diekmann ist Bild.
Und die taz. Die taz ist wie die Grünen, sie haben sich von ihren ursprüglichen Idealen meilenweit entfernt, verkaufen sich aber immer noch mit ihnen. Auf beide Imagekampagnen bin ehrlicherweise lange hereingefallen.
Vor ca. einem Jahr habe ich mein taz - Abo gegen ein Freitag - Abo getauscht.
Die eigentliche Macht ist die Masse der Käufer und Leser.
Ich habe am Hinterkopf eine Beule. Sie stammt vom Nachhintenkippen und folgendem Aufschlagen nach dem Aufschlagen der gestrigen taz.
Spiegel, Zeit, taz - was soll's?.. Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.
...in der Reihe oben vergaß ich BILD, sorry -die Beule macht mir noch zu schaffen...
Der Spiegel, der im Glashaus sitzt, wirft also mit Steinen. Wie schön. Dabei heraus kommt ein Interview des Spiegel mit Kai Diekmann, dem der Interviewer nicht gewachsen ist. Das ist (ja) noch schöner. Selten so gelacht.
Habe gestern folgendes bei twitter gefunden:
'hubertsrevier Dingenskirchen' retweet von waldkoenigin
"104% der BILD-Leser wollen dass zu Guttenberg weiter als Arzt praktizieren darf."
:)
»Am Ende hat dann doch wieder nur einer gewonnen: die Bildzeitung.«
Ich habe auch etwas gewonnen: Das Lachen zurück. Ich hatte schon gedacht, dass ich das Lachen verlernt hätte, aber Bild-Taz-Holofernes hat mich wieder zum Lachen gebracht.
Apropos Bands + Musik: Das passende Video aus den Guten Alten 80ern.
BILD wird es immer verstehen, alles für sich auszunutzen. Auch der offene Brief von Judith Holofernes nutzt letztendlich der BILD Zeitung, weil sie ihn für sich instrumentalisieren. Und dass Kai Diekmann mit allen Wassern gewaschen ist, das ist nicht erst seit gestern bekannt. Ein Stefan Aust beispielweise hätte ein solcher Interview anders geführt.
Und die TAZ hat sich schon lange geändert. Dass Geld mit Anzeigen verdient werden muss, kein Thema, nur entsscheidet jede Zeitung immer noch in eigener Verantwortung, wessen Anzeigen sie veröffentlichen und wessen Geld sie nehmen wollen.
" Wessen Geld ich nehmen, dessen Meinung stehe ich zumindest nahe", mehr fällt mir dazu nicht ein.
@ BILD wird es immer verstehen, alles für sich auszunutzen.
Ein solcher Satz ist bestenfalls die halbe Wahrheit. Klingt außerdem depressiv. Dass diese Konsorten den Holofernes-Brief als Anzeigentext nutzen, zeigt dass sie selbst zu BLÖD sind angemessene Texte zu verfassen (was ja bekannt ist).
Darüber hinaus ist es eine Vorgehensweise, die die Gosse für Ironie halten mag, für Satire. Da nutzt keineswegs jemand "alles für sich aus", sondern zeigt immer wieder vor aller Öffentlichkeit, in welch geistigem und intellektuellem Notstand er agiert.
Das hast du gut gemacht!
Ich habe einmal von meinem Onkel zwei Spiegelzeitschriften bekommen, die er 1971 bei einem Besuch mit in die DDR gebracht hatte.
Die beiden Exenplare habe ich heute noch. Nach der Wende konnte man den Spiegel nun auch bei uns kaufen.
Da ich nun älter und vernünftiger wurde, habe ich hier schon einen gewissen Unterschied gesehen. Gegenwärtig schaue ich in einem Discounter mal schnell hinein, um die Entwicklung zu verfolgen. Es ist ein Jammer, wie diese Zeitung verkommen ist. Herr Augstein würde sich im Grabe herumdrehen.
Für die Bildzeitung habe ich den Eindruck, bräuchte man eigentlich sehr wenig Gehirn. Ich kann erwachsene Menschen überhaupt nicht verstehen, warum sie solch eine Zeitung lesen. Ich hatte diesbezüglich einmal ein älteres Ehepaar angesprochen, ob sie auch Bücher lesen warauf sie antworteten, die Bildzeitung reicht uns. Genau das ist das heutige geistige Niveau viele Menschen dieser Republik und das war einmal das Land der Dichter und Denker. Nein, in diesem Staat bildet sich eine Gesellschaft "Doof" heraus und auf diese Generation baut Guttenberg.
Im Zusammenhang mit Bild-Taz-Holofernes habe ich schon Kommentare gelesen, wo eine Win-Win-Win-Situation gesehen wird. Ich sehe es zu einem Drittel anders.
@rolf netzmann schrieb am 02.03.2011 um 08:44: »BILD wird es immer verstehen, alles für sich auszunutzen. BILD wird es immer verstehen, alles für sich auszunutzen. Auch der offene Brief von Judith Holofernes nutzt letztendlich der BILD Zeitung, weil sie ihn für sich instrumentalisieren.«
Diese zwei genannten Seiten sind die Gewinner.
»Und die TAZ hat sich schon lange geändert.«
Diese Seite ist der Verlierer. Die TAZ hat sich praktisch selber ausgenutzt und instrumentalisiert.
Ich empfehle der neogrünen TAZosphäre folgende adäquat circumcolorierten Röhrenkanal-Videos: 'Superhero' und 'All My Friends are Zombies'.
Punx not heros, Punx not dead :-)
Die frage scheint doch, warum sind kritische Journalisten überhaupt drauf aus, in Springer-Blättern zu schreiben? Der Welt-Chef Thomas Schmid hat doch mal in autonomen Blättern geschrieben und etliche Taz-Redakteurinnen schreiben jetzt doch auch für Blätter wie die Welt? Wie kann mann und frau eigentlich nur zu Springer gehen....?