Es gibt Romane, da ploppt erst ein Fragezeichen auf, dann steht die gesamte Erzählung auf dem Prüfstand. Man hätte dann gerne eine Telefonnummer zur Hand, um die Autorin oder den Autor anzurufen. Takis Würger kann man ganz unkompliziert eine E-Mail schicken, sein Verlag hat ihm eine Adresse eingerichtet, t.wuerger@keinundaber.de, sie steht auf der letzten Seite des Buchs, außerdem das Versprechen, er werde auf jede Mail persönlich antworten. Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann, aber mir fiel beim besten Willen nichts ein, was ich von Takis Würger wissen wollte. Er boxe, er habe in Cambridge studiert und sei Mitglied diverser Clubs, steht in der Bio über seiner E-Mail-Adresse. Was Takis Würger übers Boxen, Cambridge und den Pitt Club schreibt, wird also stimmen. Geboxt wird in seinem Roman ständig, im Keller eines Klosterinternats im Bayrischen Wald, im Speisesaal eines chinesischen Restaurants und natürlich für Cambridge gegen Oxford, nur wer hier siegt, wird ein Schmetterling, ein Mitglied des exklusivsten Zirkels im Club. Der Krimi, der sich hier entwickelt, löst sich gegen Ende lehrbuchhaft auf. Nur die Polizei kennt das Motiv nicht, aber da Der Club kein postmoderner Roman ist, hat sie keine Chance, den Urheber des Plots in der realen Welt einfach anzumailen. „Tja: Fuck“, würde eine der Figuren des Romans nun sagen.
Nur weil Fragen sich erübrigen, ist das Buch aber kein schlechter Roman. Der Club ist sogar ein ziemlich guter Krimi jener Sorte, die von einem Verbrechen ausgehen, um maximal unterhaltend eine Milieustudie zu erstellen. Hier nun der britischen Upperclass und der verschlossenen Welt der Drinking Societys an den Eliteuniversitäten, ein Phänomen, das man jenseits der Insel vor allem durch die Gerüchte um den Bullingdon Club kennt. Sie wissen schon: Boris Johnson, David Cameron, das Schwein. Drinking Societys sind reine Männervereine, in denen Frauen nur als Ornamente und Statistinnen vorkommen.
Wie geil ist denn bitte Butter?
Worin die Verbrechen bestehen, die hier begangen wurden, ist schnell klar. Um es aufzuklären, holt die Professorin Alex Birk ihren verwaisten Neffen Hans aus Deutschland nach Cambridge und schleust ihn mit Hilfe ihrer Studentin Charlotte auf dem Ticket von deren Vater Angus Fellow in den Pitt Club ein. Fellow ist ein Snob, der sich als fortschrittlich versteht: „Wie kann man nur seine Butler im 21. Jahrhundert Zylinder tragen lassen?“, fragt er sich auf einer Gartenparty. Alex, Hans, Charlotte und Angus, das sind vier von neun Perspektiven, aus denen der Roman im Wechsel und in je eigener Tonalität erzählt wird. Egalität ist auch hier nicht angesagt: Hans erzählt mehr, andere weniger. Zwei ausgemachte Schwachmaten erzählen mit. Der eine heißt Josh, Sohn reicher Eltern, mäßig intelligent. „Wer ist der Surfer?“, fragt Hans bei seinem ersten Besuch im Club. Das erste nennenswerte Josh-Kapitel eröffnet mit einem Solo am Herd. Rinderfilet aus Hertfordshire, Feldsalat, Kräutersaitlinge, Vinaigrette. Josh kann kochen und hat eine leicht trumpistische Art zu denken. „Geiles Wort übrigens: Fleischtomate.“ „Junge! Das Messer gefiel mir.“ „Aber wie geil bitte ist Butter?“ Der Abend endet damit, dass er einen Holzstuhl an der Marmorplatte zerschlägt, weil er vergessen hat, den Kerbel in die Vinaigrette zu schneiden.
Der andere ist Peter Wong. Er kann nicht kochen. Wong isst jeden Morgen Instantnudeln, vor, nach oder während der täglichen Masturbation. Seine größte Ambition ist es, das erste asiatische Mitglied des Pitt Clubs zu werden. Dafür schreibt er einen Bettelbrief an einen äthiopischen Prinzen (ohne Erfolg) und saugt an einem Alumnischwanz (erfolgreich). Die Peter-Wong-Kapitel schwächen das Perspektivwechselspiel. Die holzschnittartige Wahrnehmung, die andere von Superstrebern aus Hongkong haben, wird 1:1 dessen Innenleben übergestülpt. Das Magic-Mike-Kapitel – Amerikaner, Ex-Fallschirmjäger, gläubiger Baptist – ist ähnlich klischiert. Und Josh? In den Josh-Kapiteln überdreht der Autor so elegant, dass, auch dank des sprachlichen Tunings, eine Kunstfigur entsteht, die sich interessant liest. Wie die Drinking Societys, so wirkt der Roman stellenweise zu unentschieden darin, an welchen festgefahrenen Konventionen er festhalten will.
Info
Der Club Takis Würger Kein & Aber 2017, 240 S., 22 €
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