Something for the Fans

„Galore“ Ab Freitag gibt es das Interviewmagazin wieder am Kiosk. Motto: „Das gute Gespräch kehrt zurück“. Haben wir es zurecht vermisst?
Ausgabe 49/2014

Ja, war denn gestern erst Karneval? Die Ausgabe, mit der das Interviewmagazin Galore nach fünf Jahren an diesem Freitag an den Kiosk zurückkehrt, beginnt jedenfalls so: „Köln. Serdar Somuncu hat vergessen, dass am Aschermittwoch noch nicht alles vorbei ist. In dem Restaurant, das er für das Treffen ausgewählt hat, wird kollektiv Fisch geordert, die Karnevalsstimmung hängt noch in der Luft.“ Was das soll, erfährt man rasch: Der Komiker hat ein Buch geschrieben, Karneval in Mio heißt es, 2011 ist es erschienen.

Kann man souverän nennen. Ein Statement gegen den Aktualitätsdruck, an dem der Journalismus im Internet krankt. Aber eigentlich kann man nur heulen, wenn man als Mensch, der Kioskmagazine sehr gerne hat, so etwas liest. Es ist eine Kapitulation vor dem, was man Aktualität im besten Sinne nennt, also mit einem Thema einzusteigen, das in der Luft liegt und nicht seit März fischig müffelt. Oder es muss eben zeitlos interessant sein.

Der Galore war das meiner Erinnerung nach immer gut gelungen. Das Interview mit Carla Bruni stand 2006 ziemlich gut da. Die Frau, deren Nähe den Journalisten so verstörte, wurde immerhin wenig später als Freundin des nächsten Präsidenten von Frankreich vorgestellt. 2009 war die Galore nach sechs Jahren eingestellt worden, im Internet ist seither ein Archiv gewachsen, wo man dieses und auch spätere Interviews gegen Bezahlung nachlesen kann. Auch Interviews, die nun in der ersten neuen Ausgabe abgedruckt wurden, sind schon dabei: Max Moor, Claudia Roth und Robert Redford sind die Gesprächspartner. Sie alle erzählen schöne Geschichten – aber reicht das?

In Berlin wurde am Montagabend der Reporterpreis verliehen, und dass dort nicht nur die besten Print- und Webreportagen ausgezeichnet wurden, sondern auch das beste Interview, ist nur richtig, denn ein guter Interviewer ist ja mehr als ein Stichwortgeber und Fragesteller, er recherchiert, gleicht das Ergebnis mit dem, was er antrifft, ab und muss genau beobachten. Im Angelsächsischen wird das oft noch deutlicher, der Guardian unterscheidet zum Beispiel zwischen sogenannten Q&As – einem Frage-Antwort-Format, das sich auf etwa fünf Aussagen beschränkt – und Interviews, die meist als Fließtext verfasst sind, in den Zitate einfließen.

Den Reporterpreis hat Sven Michaelsen erhalten, für zwei Interviews aus dem SZ-Magazin. Das eine hat er mit dem Feuilletonisten Fritz J. Raddatz geführt, das andere mit Niklas Frank, dem Sohn des „Schlächters von Krakau“. In beiden Gesprächen geht es um grausame Vaterfiguren, um Verachtung und sexuelle Neurosen. Beide Interviews kann man nicht querlesen, sie haben diesen Sog. Sie zwingen den Leser aber auch, den eigenen Voyeurismus zu hinterfragen – wo hört unverdächtiges Interesse auf, wo fängt der an. Das ist ziemlich unangenehm, aber im besten Fall sind Texte genau so.

Die Interviews in der neuen Galore sind anders. Sie fordern den Leser nicht nennenswert heraus. Die Interviewpartner auch nicht. Sie sind something for the fans. Wer also alles von Claudia Roth, Farin Urlaub, Ray Cokes und Sasha mag, der immerhin wird auf seine Kosten kommen.

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Geschrieben von

Christine Käppeler

Ressortleiterin „Kultur“

Christine Käppeler leitet seit 2018 das Kulturressort des „Freitag“, davor schrieb sie als Redakteurin vor allem über Kunst und die damit verbundenen ästhetischen und politischen Debatten. Sie hat Germanistik, Amerikanistik, Theaterwissenschaften und Journalismus in Mainz und Hamburg studiert und nebenbei als Autorin für „Spex. Das Magazin für Popkultur“ gearbeitet.

Christine Käppeler

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