Was Schmitz singt, (ach wär’ er leise)

Singsang Kim Dotcom gibt den rappenden Che, Wikileaks veröffentlicht die Unterstützer-CD "Beat the Blockade". Soll so etwa der Protest für die Netzfreiheit klingen?
Noch so eine Mega-Drohung: Hollywood-Marionette Mr. President schnappt sich unser Internet
Noch so eine Mega-Drohung: Hollywood-Marionette Mr. President schnappt sich unser Internet

Screenshot: der Freitag

Kim Schmitz, auch bekannt unter dem Namen Kim Dotcom, hat nun also einen eigenen Song. Soll heißen: einen Song, den er selber „singt“. Schmitz ist der Gründer der im Januar abgeschalteten Webseite Megaupload, mittels der man große Datenmengen, also insbesondere Filme und Musik, illegal teilen konnte. 175 Millionen Dollar soll er damit umgesetzt haben. Mega ist denn auch das einzige Adjektiv, das einem zu diesem Song plus Video einfällt. Mega-Requisite (Che-Guevara-Barett in XXXL), Mega-Geschichtsreferenzen (Martin Luther King spricht zu den Massen), Mega-Helikopteraufnahmen (Anflug auf die Freiheitsstatue, Startmanöver vor dem Weißen Haus).

„Mr. President“ heißt der Song, und die Botschaft ist so simpel wie die an die dunkle Seite der Neunziger erinnernden Dancefloor-Beats: Dass Schmitzens Webseite dichtgemacht wurde, ist eine Sauerei. In Kim Dotcoms eigenen Worten heißt das: „The war for the internet has begun/Hollywood is in control of politics/the government is killing innovation/don’t let them get away with that!“ Aber zum Glück gibt es ihn: „Like Dr. King/I have a dream/This is the time to stand up and fight“. Kritische Geister mögen den Vergleich anmaßend finden, doch das folgende Drohszenario muss wohl jeden wachrütteln: „By any means, if we don’t do anything/They will just blame it on the copyright“. Spätestens wenn dann eine Helium-Mickey-Maus-Stimme den dritten Refrain anstimmt („It starts with you and me/We will make history“), regen sich doch Zweifel, ob Kim Dotcom hier den richtigen Ton trifft, mit dem er Woody Guthrie, dem Vater des amerikanischen Protestsongs („This Land is Your Land“), zum 100. Tribut zollen könnte. Was ihm jedenfalls nicht gelingt: Als Multi-Millionär mit kommerziellen Interessen einen Protestsong für die Bewegung für die Netzfreiheit zu schreiben.

An dieser Herausforderung scheitert auch Beat the Blockade, die jüngste Veröffentlichung der Enthüllungsplattform Wikileaks. Die zwölf Songs, allesamt Spenden, sollen Wikileaks finanziell retten, doch es ist nicht zu überhören, dass sich ihre Urheber auch als moralische Unterstützer begreifen. Allen voran Isaac Sloan mit der „Wikileaks Anthem“ und dem schönen Refrain „Come on Anonymous, bring down the walls/When knowledge is free, humanity can stand tall“.

Wer diese Mauer errichtet hat? Die Kreditkarten, Paypal und die Webhosts. Musikalisch steht Sloan eher auf den Schultern von Softrockern wie Nickelback oder Creed, wer Stampfbeats schätzt, kommt jedoch auch bei Wikileaks auf seine Kosten. Allen anderen beschert der schrille „Set me free“-Refrain von Datacrime 2011 vermutlich Albträume (so klingt es, wenn Daten singen?).

Um es kurz zu machen: So ziemlich jeder Stil muss auf dieser Unterstützer-Platte dran glauben, und nichts davon klingt neu. Weder die Hip-Hop-Nummer für Bradley Manning, die sich zwischen Mike Skinner, Tupac Shakur und Nimmt-einer-bitte-dem-Nachbarsjungen-das-Mikro-weg bewegt, noch der Flamenco-Song aus Sicht (!) von Bradley Manning und schon gar nicht The Ballad of Julian Assange“, die ein seelenloser Musikerkennungdienst womöglich mit „Guns of Brixton“ von The Clash verwechseln könnte.

Eine charmante Ausnahme gib es: Der „Wikiwikiwikiwikiwikiwikiwikiwikiwikiwikiwikiwikileaks“-Samba. Mit Sicherheit kein Song, der die Massen bewegen wird, aber immerhin stellt er eine der Zukunft zugewandte Frage: „What’s next Wikileaks, what’s next Wikileaks, what’s next?“

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Geschrieben von

Christine Käppeler

Ressortleiterin „Kultur“

Christine Käppeler leitet seit 2018 das Kulturressort des „Freitag“, davor schrieb sie als Redakteurin vor allem über Kunst und die damit verbundenen ästhetischen und politischen Debatten. Sie hat Germanistik, Amerikanistik, Theaterwissenschaften und Journalismus in Mainz und Hamburg studiert und nebenbei als Autorin für „Spex. Das Magazin für Popkultur“ gearbeitet.

Christine Käppeler

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