Winterkleid

Mütze hat mich in seine Werkstatt eingeladen. Er wolle mir das alles mal zeigen. Einen Kaffee könnten wir dann auch noch trinken. Nein, die Gewehre ...

Mütze hat mich in seine Werkstatt eingeladen. Er wolle mir das alles mal zeigen. Einen Kaffee könnten wir dann auch noch trinken. Nein, die Gewehre würde er an einem anderen Ort aufbewahren und sowieso hätte das alles mit Jagen herzlich wenig zu tun. Jagen würde er überhaupt nur noch selten, seit diese Geschichte mit dem Zeckenbiss passiert sei und außerdem, seine zwei Bandscheibenvorfälle, da könne er nicht mehr so ohne weiteres den Kunden die Beute nachschleppen. Aber das hier, das sei etwas ganz anderes.

Im Gärtchen hinter dem Haus, zwischen den Rabatten und dem ausgehackten Weg, steht der Schuppen, blinde Glasfront. Aus einem Blechrohr seitlich der Bretterwand quillt weißer Rauch in klare Luft, verfängt sich in den gefrorenen Zweigen des Birnbaums. Musikfetzen von innen, Radio F1, mit abends den schönen Rockballaden, you don´t have to put on the red light, kann man gut bei arbeiten.

Ich trete ein, klopfe nicht, Musik zu laut, Mütze steht mit dem Rücken zu mir, im Blaumann, zwischen uns ein langer, metallener Tisch. Komm rein, mach zu, pass auf, der Ofen. Gerade nachgeschürt.

Lebendig sehen die nicht aus. Mütze brummt. Ist auch nicht immer allerbeste Ware, die man bekommt. Und hier sind sowieso nicht die Schönsten. Alles Auftragsarbeiten. Der Habicht dort war in ganz üblem Zustand, hab ich zaubern müssen. Ein wenig mit dem Fön das Gefieder hochpusten und mit Haarspray drüber.

Aber hier, er dreht sich um, deutet, der Rabe, ganz prima. Ist in der Nacht erfroren, im Winterkleid, schön blauschwarz, immer noch, sieht frisch aus. Gefunden nach höchstens zwei Tagen, länger ist der nicht gelegen. Oder hier, die beiden Elstern.

Aber die Sommervögel, wenn die mitten in der Mauser sind. Und hinterher wird dann behauptet, ich beherrsche mein Handwerk nicht. So was mach ich nicht mehr. Nur noch Wintervögel.

Den Specht, den müsse er noch leer machen und umstülpen, sagt Mütze. Der sei noch jung und wohl schon lange gelegen. Ganz weiß die Ränder seiner Augen, weiß auch innen, und vertrocknet. Der Schnabel muss geöffnet werden, wegen des Umstülpens, der starre, lange Schnabel, viel zu groß, dieser Schnabel. Alles schon ganz fest. Geht schwer.

Wie splitterndes Stroh, als der Schnabel aufreißt und vom Knochen bricht. Knöpfe, kleine schwarze Glasknöpfe müsse er noch besorgen, für die Augen. Streicht das Brustgefieder mit einer Zahnbürste hoch.

Aber jetzt erst mal Kaffee.


Nur für kurze Zeit!

12 Monate lesen, nur 9 bezahlen

Freitag-Abo mit dem neuen Roman von Jakob Augstein Jetzt Ihr handsigniertes Exemplar sichern

Print

Erhalten Sie die Printausgabe zum rabattierten Preis inkl. dem Roman „Die Farbe des Feuers“.

Zur Print-Aktion

Digital

Lesen Sie den digitalen Freitag zum Vorteilspreis und entdecken Sie „Die Farbe des Feuers“.

Zur Digital-Aktion

Dieser Artikel ist für Sie kostenlos. Unabhängiger und kritischer Journalismus braucht aber Unterstützung. Wir freuen uns daher, wenn Sie den Freitag abonnieren und dabei mithelfen, eine vielfältige Medienlandschaft zu erhalten. Dafür bedanken wir uns schon jetzt bei Ihnen!

Jetzt kostenlos testen

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden