Es war ein Vergnügen

15 Jahre "Freitag" Gelegentlich traten die Herausgeber in Werbespots auf

Zur Zeitung kam ich wie die Jungfer zum Kind - aus Zuneigung und Liebe, die sich über alle Bedenken hinwegsetzten.

Ich erhielt Anfang 1992 die Anfrage der Redaktion, ob ich bereit sei mit Günter Gaus und Wolfgang Ullmann Herausgeber des Freitag zu werden. Da ich beide Männer gut kannte und überaus schätzte, und wir drei nach wenigen Gesprächsrunden rasch einig wurden, stimmten wir alle unter der Voraussetzung zu, dass die jeweils anderen beiden Herren gleichfalls Herausgeber würden. Später wurde von der Redaktion und den Blatteignern noch Gerburg Treusch-Dieter nominiert, die wir drei zu jenem Zeitpunkt noch nicht persönlich kannten. Kurz zuvor war ein Zeitungsprojekt gescheitert, an dem auch ich beteiligt war. Eine Gruppe von Publizisten, Autoren und anderen Interessierten hatte sich bemüht das alte Berliner Tageblatt zu beleben, die einst wirklich große Zeitung in Berlin. Dieses Projekt starb bald, die Neugründung einer überregionalen Zeitung erforderte umfängliche, riesige Geldsummen, die anfänglichen Hoffnungen zerschlugen sich, die möglichen Investoren schreckten vor dem schwierigen Berliner Zeitungsmarkt zurück.

Geplant war das Tageblatt als eine deutsch-deutsche Zeitung, denn alle Beteiligten ahnten, dass die Einigung Deutschlands vorerst allein durch Kauf und Verkauf, Aufkaufen und Abwickeln erfolgen und dadurch verhindert werde, sie aber allein über die Kultur erfolgen kann, wir anderenfalls noch Jahrzehnte getrennt bleiben.

Nach dem Scheitern des Tageblatts bot sich mit dem Freitag nun eine vergleichbare Möglichkeit in der kleinstmöglichen Größe an. Wir wussten, dass die Auflagenhöhe einer deutsch-deutschen Zeitung begrenzt sein muss in einem Land, in dem sich - von verschwindend geringen Ausnahmen abgesehen - bis zum heutigen Tag sämtliche Medien als östlich oder westlich verstehen und entsprechend veröffentlichen. Denn noch immer sind die Medien hierzulande getrennt, haben wir in Deutschland Westzeitungen und Ostzeitungen, ein Westfernsehen und ein (marginales) Ostfernsehen.

Für den Betrachter von außen, sagte mir in diesem Jahr ein französischer Journalist, wirke es, als folge die deutsche Medienrepublik noch immer dem publizistischen Auftrag, den einst Adenauer und Ulbricht ihr erteilten. Die Auflagenhöhe einer deutsch-deutschen Zeitung wie dem Freitag ist ein brauchbarer Maßstab für den Stand der Vereinigung der einst getrennten deutschen Länder.

Es war ein Vergnügen, mit den Herausgebern und der Redaktion zu arbeiten. Die Zusammenarbeit war stets kollegial, auch wenn Gaus durch seine in Jahrzehnten gewonnenen journalistischen Erfahrungen zweifellos ein primus inter pares war. Nun sind Gaus und Ullmann gegangen, das Blatt hat sich neu zu ordnen, der Tod hat heftig und keinen Einspruch duldend uns gemahnt: nach 15 Jahren sei es an der Zeit, auch den Kreis der Herausgeber neu zu besetzen. Einiges wird sich ändern, einiges wird bleiben. Die kleinstmögliche Größe schützte den Freitag vor jenen Unwettern, in die alle großen Zeitungen gerieten, als sich die Inserenten von den Printmedien zurückzogen. Unsere kleine Zeitung weckt keine Begehrlichkeiten. Unsere kleinstmögliche Größe schützt uns gottlob sogar vor ruinösen Eingriffen des Kartellamtes.

Gelegentlich haben sich die Herausgeber auch um das Marketing zu kümmern. Gaus und ich beabsichtigten, einen kleinen Werbespot zu drehen, der in den Kinos und im Fernsehen zu sehen sein sollte. Der Werbefilm sollte beginnen mit dem Blick auf einen Mann, der den Freitag liest. Nach einigen Sekunden sollte er die Zeitung sinken lassen, der Mann hinter dem Blatt wäre nun als Günter Gaus erkennbar. Er sollte jetzt aufschauen, den Blick in die Kamera richten, also direkt den Zuschauer ansehen, und sagen: "Der Freitag ist keine gute Wochenzeitung. Der Freitag ist sogar eine sehr schlechte Wochenzeitung. Aber er ist immerhin schon besser als die Zeit."

Wir verzichteten auf die Produktion dieses Werbespots, da uns gesagt wurde, dieser könne die Zeit kränken, woran keinem von uns lag. Aber kann denn die reine Wahrheit tatsächlich verletzen?


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