Stabwechsel

Abschied Nach dem Tod von Günter Gaus und Wolfgang Ullmann, meinen Mitherausgebern und hoch geschätzten Mitstreitern, hatten wir - die Verleger, die Redaktion ...

Nach dem Tod von Günter Gaus und Wolfgang Ullmann, meinen Mitherausgebern und hoch geschätzten Mitstreitern, hatten wir - die Verleger, die Redaktion und die verbliebenen Herausgeber - über eine Erbschaft zu verfügen. Der Freitag hatte wichtige Gründungsmitglieder und prägende Köpfe verloren, und wir mussten entscheiden, wie und mit wem das Gremium der Herausgeber neu zu besetzen ist. Ich war über 14 Jahre einer der Herausgeber und plädierte deswegen für eine grundsätzlich neue Lösung, denn nach so vielen Jahren - so fürchtete ich - könnte es Abnutzungen und Wiederholungen geben. Das alte Gremium war nicht wiederherzustellen, und es sollte nicht nur ergänzt oder restauriert werden.

Ich denke, ein neuer Kreis von Herausgebern wird innovativ sein und erneut und doch anders provozieren können. Manches, so hoffe ich, wird bleiben, aber ich hoffe auch, dass sich einiges ändern wird. Ich fürchte, dass die Baustelle Deutsche Einheit inzwischen nicht mehr zu den Sanierungsfällen gerechnet wird, sondern zu den hoffnungs- und aussichtslosen Fällen, zumal die Medien nach wie vor und stärker als noch vor 14 Jahren entweder westdeutsch sind und sich so verstehen oder ostdeutsch. Eine Einheit wurde verhindert, um Veränderungen in der Bundesrepublik Deutschland auszuschließen, doch der erwünschte Anschluss missglückte gleichfalls. Der Osten wurde nicht angeschlossen, sondern abgehängt, allenfalls brauchbar als riesiger Naturschutzpark. Doch in diesem Urlaubsparadies wachsen nicht nur Fauna und Flora, und dunkle Schatten über diese Landschaft werfen nicht allein die malerischen Baumalleen und bizarren Kreidefelsen. Es leben dort noch Menschen, die aber keiner mehr braucht. Es wächst dort eine Jugend heran, die keine Chancen hat und keine Zukunft, und die belacht und verachtet wurde. Bis sie sich Achtung und gleiche Augenhöhe nach einem alten Muster erzwang: wer uns nicht liebt, soll uns fürchten und hassen. Die Zeichen des kommenden Unheils stehen an der Wand, sie werden wiederum nicht wahrgenommen oder absichtsvoll missdeutet, damit sich die Schrift erfüllt.

In dem großen Orchester der deutschen Printmedien spielt der Freitag noch immer die gesamtdeutsche Stimme, und er ist noch immer eine Solostimme. Noch immer ist an der Auflagenhöhe dieser Wochenzeitung der Stand der erreichten Einheit messbar. Den neuen Herausgebern wünsche ich eine gute Hand, auf dass sie für das Blatt und die Redaktion, mit der ich gern zusammenarbeitete, produktiv und anregend sein mögen. Ich werde nun nur noch Abonnent vom Freitag sein, ihn weiterhin aufmerksam und kritisch lesen, und mich gelegentlich auch zu Wort melden. Der erste Text, den ich nach meinem Ausscheiden an den Freitag schicken werde, wird gewiss ein empörter Leserbrief sein. Darauf freue ich mich schon.


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