Gerade ist Laura Poitras’ Dokumentation für den Deutschen Filmpreis nominiert worden, in den Kategorien Bester Dokumentarfilm, Bester Schnitt, Beste Tongestaltung. Für diese war Alexander Buck als „Supervising Dialogue and ADR Editor“ mitverantwortlich. Der Dialog-Editor arbeitet sonst vor allem für Spielfilme wie Cloud Atlas unddas Niki-Lauda-Biopic Rush.
der Freitag: Herr Buck, wie wurde „Citizenfour“ aus Ihrer Sicht aufgenommen? Sind Sie persönlich darauf angesprochen wurden?
Alexander Buck: Die Reaktionen im politischen Bereich und der Presse zeigten, dass der Film schlafende Hunde geweckt hat, den eintrudelnden News zu NSA und BND kann man sich ja nun schwer entziehen. Die Reaktionen in persönlichen Gesprächen, die ich in meinem Bekanntenkreis nach dem Filmstart geführt hatte, bewegten sich von „unglaubliche Enthüllungen“ bis zu Sympathiebekundungen für Snowden. Viele fanden das Engagement von Laura Poitras bemerkenswert und wollten mehr über die Person erfahren.
Im Abspann des Films werden Sie als „Supervising Dialogue and ADR Editor“ geführt. Das heißt?
Mein Job ist es, die am Set gesprochenen Dialoge sauber zu editieren. Dazu zählen das Entfernen von Störgeräuschen, die technisch und organisch erzeugt sein können, die Lautstärkeanpassung an Schnittübergängen und die Klanggestaltung mit Tonfiltern. Daneben war Frank Kruse als Sounddesigner für Atmosphären und Effekte verantwortlich. Weitere Posten sind die Foley-Editoren und Foley-Macher, die sich um Geräusche kümmern. Auch hinter einem Dokumentarfilm steckt ein starkes Tonkonzept.
Wie war das Material, mit dem Sie gearbeitet haben?
Ungefähr 80 Prozent des Films finden in Snowdens Hotelzimmer in Hongkong statt, beruhten also auf Zweier- oder Dreiergesprächen …
… mit Glenn Greenwald und dem Journalisten Ewen MacAskill.
Genau. Laura selbst hat sich im Hintergrund gehalten. Sie war zugleich Regisseurin, Kamera- und Tonfrau. Durch ihre Erfahrung und ihr Know-how bei der Tonaufzeichnung lieferte sie uns eine exzellente Tonspur. Neben technisch schwierigen Passagen – einige Szenen wurden undercover gedreht – lag mein größtes Augenmerk darauf, Snowdens Stimme so wohlklingend wie möglich zu gestalten. Das war nicht immer einfach. Snowdens Aussprache ist, wie die vieler anderer, mit unzähligen Lipsmacks behaftet. Das sind Schmatzgeräusche, die sich beinahe unhörbar in die Aussprache schleichen. Eine Ursache kann trockene Umgebungsluft sein, wie sie durch eine Klimaanlage entsteht. Der Zuhörer empfindet das Klangbild als unangenehm oder nervös, ohne den technischen Grund zu erhören. Mir lag es am Herzen, dass die Zuschauer mit einem guten akustischen Gefühl Snowdens Erzählungen folgen können. Daher habe ich die Lipsmacks händisch eliminiert.
Wird er damit nicht verfremdet?
Nicht wenn man es manuell und punktuell macht. Durch den großflächigen Einsatz von digitalen Plug-ins leidet auch das „gesunde“ Audiomaterial. Also habe ich Schmatzer für Schmatzer in Handarbeit entfernt. Vom Umfang lag das im fünfstelligen Bereich. Eine Fleißarbeit.
Wie wird man eigentlich für ein Projekt verpflichtet, das streng geheim ist?
Das war schon sehr konspirativ. Frank Kruse fragte mich, ob ich mich mit ihm an etwas wagen würde, über das er im Vorfeld nichts sagen könne. Er versprach mir, dass es keine Gefahr für mein Leben darstellte. Solche Brisanz ist im Dokumentarfilm nicht ungewöhnlich, weil häufig heiße Eisen angefasst werden, die Menschen in Bedrängnis bringen können.
Zur Person
Alexander Buck, Jahrgang 1973, studierte Toningenieurwesen in Düsseldorf und arbeitete mit Regisseuren wie Dominik Graf, Paul Schrader und Sandra Nettelbeck
Wie konspirativ war die Arbeit?
Als Dialog-Editor greife ich nicht nur auf das Tonmaterial zu, das mir parallel zum Bild vorliegt, sondern ich kann theoretisch jeden Clip aufziehen. Das heißt, ich hatte beinahe Zugriff auf das komplette Interview, das in dem Hotelzimmer aufgezeichnet wurde und nicht nur auf die zweieinhalb Stunden der Schnittfassung. Daher waren extreme Sicherheitsvorkehrungen notwendig. Selbst simple Abläufe wie die Kommunikation mit Produktion und Regie mussten neu gedacht werden. Man konnte nicht einfach anrufen: „Hey, ich hab da mal eine Frage, bei dem Time Code sagt Snowden das und das.“ Die Kommunikation lief hauptsächlich über PGP-verschlüsselte E-Mails ab. Dazu hatte jeder im Team die privaten Keys aller wichtigen Leute, von Laura, Glenn und so weiter.
Was sagt Snowden denn in dem Material, das nicht im Film ist?
Wenn ich Material aufgezogen habe, dann wegen technischer Sachen, um ein Stück Stille zu suchen, ein Atmen. Nicht aus journalistischem Interesse.
Wie haben Sie das Material überhaupt bekommen?
Als Hardware, wir haben nur mit dem Nötigsten gearbeitet, im Grunde habe ich monatelang nur mit einer Festplatte gelebt.
Die normal verschickt wurde?
Per Kurier. Manchmal gingen Sachen auch über das Internet, aber nicht über WeTransfer oder Dropbox, sondern über verschlüsselte Wege. Sehr spannend.
Musste im Film selbst etwas verschlüsselt werden?
Wir haben etwa alle Originaltöne, die Snowden auf seinem Laptop tippt, durch Tippgeräusche des Foley-Machers ersetzt. Das Team hatte festgestellt, dass es auch für Laien gar nicht so schwer ist, herauszuhören, was da getippt wurde.
Info
Citizenfour Laura Poitras USA/D 2014, 114 Min. Als DVD und Blu-Ray, mit unveröffentlichtem Bonusmaterial
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