Denn sie wollen nicht

Nichtwähler Ein Wahlsonntag kann eine ziemlich langweilige Angelegenheit sein – wenn man selbst nicht wählen gehen will. Für alle Nichtwähler hier sechs Tipps

Sonntag, 22. September, 8 Uhr morgens. Die Türen der Wahllokale öffnen sich. Nach und nach pilgern die Menschen von Flensburg bis Oberstdorf, von Görlitz bis Aachen zu den Wahlurnen. Ganz Deutschland? Nein, ein erheblicher Teil der Stimmberechtigten setzt an diesem Tag kein Kreuz; sei es aus Protest oder aus Desinteresse, aus Zeitgründen oder Schusseligkeit. Am Ende des Tages könnte diese Gruppe gut ein Drittel aller Wahlberechtigten zu sich zählen – es wäre eines der höchsten Ergebnisse der Nachkriegsgeschichte.

Doch ganz gleich, welche Erwartungen man an die Abstimmung hegt – auch für alle Nichtwähler wird der Wahlsonntag mit seiner gesamten Wucht kommen. Und bevor man angesichts der Non-Stop-Analysen und Interviews rund um Angela Merkel, die FDP und die Nichtwähler verzweifelt, hier einige Vorschläge, wie der Sonntag genutzt werden kann. Aber Achtung, einige führen auch in die Wahlkabine.

  1. In Stuttgart steht die gläserne Urne. Sie soll nicht die Demokratie beerdigen, sondern ein Zeichen des Protestes sein – überzeugte Nichtwähler können ihre Wahlbenachrichtigung in den Glasbehälter werfen. Ein aktiver Boykott der Wahl. „Damit drücken wir aus, dass wir keiner der vorhandenen Parteien zutrauen, wirklich zum Wohle des Volkes, also zu unserem Wohle Politik zu machen“, schreiben die Veranstalter auf ihrer Website. Auch Nicht-Schwaben haben eine Chance, an der Aktion teilzunehmen: Sie können ihre Karte per Post versenden. Die Krux bei der Sache: Auch ohne Benachrichtigung kann man wählen gehen. Entscheidend ist der Personalausweis oder Reisepass.

  2. Warum nicht seine Stimme verschenken? Es gibt bei dieser Bundestagswahl einige Kampagnen, die dazu aufrufen. Bei „Electoral Rebellion“ kann die Stimme einem Menschen im Ausland gegeben werden, der sich für deutsche Politik interessiert und darauf Einfluss nehmen will. Bei „Melysiere deine Stimme“ einer Person, die in Deutschland lebt, aber nicht wahlberechtigt ist.

  3. Zum Ungültig-Wählen ruft der Verein Zukunftslobby auf. Mit einer klaren Anweisung: In dicken Lettern soll „Nicht wählbar“ über die zwei Listen geschrieben werden. Am Ende soll eine einheitliche Kampagne erkennbar sein – wer jedoch den Überblick über die Zettel in den tausenden Wahllokalen behalten soll, wird nicht erwähnt.

  4. Auch überzeugte Nichtwähler finden in der Kabine nun ihre Partei: Die Nichtwähler. Dass allein der Name ein Widerspruch in sich ist, geschenkt. Sie tritt bislang nur in Nordrhein-Westfalen an (Listenplatz 20), plant aber schon eine neue politische Kultur für Deutschland zu etablieren.

  5. Bundesweit vertreten ist dagegen die Satire-Partei „Die Partei“. Die Gruppe um Spott-Allzweckwaffe Martin Sonneborn nimmt den Politikbetrieb nicht ernst und sich selbst noch weniger (ihr voller Name ist "Partei für Arbeit, Rechtsstaat, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative"). Ein Erfolg ähnlich der Fünf-Sterne-Bewegung des Komikers Beppe Grillo in Italien wird ihr wohl damit nicht gelingen. Doch sie stellt für einige Wähler, die der Berliner Polit-Alltag abschreckt, eine Alternative dar.

  6. Der letzte Ausweg: Wer sich wirklich konsequent vom Wahlverlauf abkapseln möchte, sollte ausgiebig ausschlafen. Leute, schließlich ist Sonntag. Frühstück im Bett, mit dem Lieblingsschmöcker liegen bleiben und beobachten, wie vor dem Fenster die Dämmerung einsetzt. Mit der Gewissheit, garantiert nichts vom Wahltag mitbekommen zu haben, in den Abend starten. Um den schwarz-rot-gelb-grünen Balkendiagrammen konsequent zu entkommen, empfiehlt sich ein Kinobesuch, ein Kochabend, ein langes Telefonat mit Freunden im Ausland. Der Kontakt muss gut überlegt sein, ein Politik-Hardliner am anderen Ende der Leitung könnte einem den Tag vermiesen.

    Und ein unglückliches Wahlergebnis die nächsten vier Jahre.

Seit der ersten Bundestagswahl 1949 lag die Wahlbeteiligung auf konstant hohem Niveau. Durchschnittlich gingen 84,5 Prozent wählen, 1972 waren es sogar 91,1 Prozent. Bei der vergangen Wahl vor vier Jahren dann der Einbruch: 29,2 Prozent blieben zuhause.

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