Blonde Maus und roter Teufel (3)

Arbeitswelt Wer mit wem gut kann am Arbeitsplatz, wirkt sich entscheidend auf das berufliche Fortkommen aus. Zu den Tücken von Anziehung und Animositäten ein fast wahrer Bericht. (3)

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Wenn Melanie von den mittleren und älteren Frauen unserer Firma überwiegend mit der milden Herablassung eines fast mütterlichen Duldens behandelt wurde, das sich nur bei entsprechendem Anlass zu einem Tadel verstieg, war Dinah von Anfang an eine ausgesprochen unbeliebte Frau, was sich allerdings mehr im Geheimen abspielte und wohl hauptsächlich daran lag, dass sie ihr Selbstbewusstsein sehr viel offensiver herauskehrte, als wir dies bei uns gewohnt waren. Obwohl auch sie stets scheinbar unbekümmert einen locker koketten Umgang mit männlichen Kollegen pflegte, wirkte ihr Ton doch rauer, so als absolviere sie ein Ritual, hinter dem sich eine größere Zielstrebigkeit, womöglich gar ein Ehrgeiz im Hinblick auf den beruflichen Anspruch verbarg. Die Männer flirteten zwar pflichtschuldigst zurück, teilten aber hinter ihrem Rücken die Meinung der Frauen, dass sie eine arrogante Person wäre, die sich für etwas Besseres hielt und fälschlicherweise glaubte, sich etwas herausnehmen zu dürfen.

Dass Dinah überdies ein eigenes Pferd besaß, von dem sie häufig in liebevollem Ton und mit einer gewissen Kundigkeit erzählte, verstärkte noch den Eindruck einer gewollten Besonderheit, über die man sich gern mit leiser Süffisanz in ihrer Abwesenheit mokierte und lustig machte.

Geradezu als der Gipfel des Unverschämten und Überheblichen wurde immer wieder eine angebliche Aussage von ihr kolportiert, wonach der Vertrieb die wichtigste Abteilung des Unternehmens sei, was wohl nichts anderes heißen sollte, als dass sie ihrer eigenen Arbeit große Bedeutung beimaß und sich über dem allgemeinen Frauendurchschnitt wähnte.

Und so sah man sie denn, lässig telefonierend und sich selbstzufrieden auf ihrem Schreibtischstuhl wiegend, schon in der Positur den Eindruck vermitteln, auf Augenhöhe mit ihrer Umgebung verkehren zu wollen, was sich auch dahingehend bemerkbar machte, dass ihr Name und ihre Unterschrift Platz auf Schriftstücken fanden, wo ihre Vorgängerinnen allenfalls in Form eines unauffälligen Briefkürzels anwesend gewesen waren.

Einer unserer wichtigsten Kunden residiert ganz in unserer Nähe und schickt gelegentlich auf dem kleinen Dienstweg einen Mitarbeiter vorbei, um kurzfristig benötigte Materialien und Ersatzteile zu holen. Mehr durch einen Zufall nimmt Dinah einen solchen Boten eines morgens in Empfang, verspricht ihm, die Bestellung weiterzuleiten und das Gewünschte bereitstellen zu lassen, was in der Regel eine Sache von höchstens einer halben Stunde ist.

Der Mann sitzt in der Eingangshalle, drückt sich auf dem Hof herum, trödelt in den Werkshallen und am Kaffeeautomat umher. Er wartet und wartet; eine Stunde, zwei Stunden, fast drei Stunden vergehen; nichts tut sich. Irgend jemand erbarmt sich schließlich und ruft bei Dinah an.

Als ich kurz darauf zur Arbeit komme, steht unsere Abteilung regelrecht Kopf.

Maria, unsere zarte, etwas konfliktscheue Kollegin, die sonst immer bienenfleißig an ihrem Schreibtisch sitzt und stets im Laufschritt zur Toilette rennt, um Zeit zu sparen, steht untätig, mit hochrotem Kopf an ihrem Platz, heftig schimpfend und völlig außer sich ob einer Ungerechtigkeit, die ihr widerfahren ist. Auch alle anderen sind erregt; alle diskutieren und gestikulieren mit einiger Lautstärke und Vehemenz durcheinander. Es geht um einen Vorfall, von dem ich eine Weile brauche um zu begreifen, was denn eigentlich passiert ist.

Folgendes hat sich ereignet:

Dinah hat die Bestellung des Boten gleich morgens persönlich in die zuständige Abteilung - das ist unsere - gebracht und sie dort dem gerade eingetroffenen Robbie mit der Bitte um dringende Erledigung in die Hand gedrückt. Der wiederum hat die Bestellung ohne große Umstände auf Marias Platz gelegt, damit diese zuerst den Papierkram erstellt, also die formale Auftragserfassung vornimmt, dabei aber leider vergessen zu erwähnen oder zu vermerken, dass der Abholer bereits vor Ort ist. Da Maria viel zu tun hat, landet der Auftrag versehentlich auf dem großen Stapel für Unerledigtes.

Am späten Vormittag kommt Dinah, die nun diejenige ist, die dem Kunden gegenüber als völlig inkompetent dasteht, offenbar einigermaßen ungehalten in unser Büro gestapft, so wird es mir jedenfalls berichtet, um sich mit der vielleicht etwas ruppig klingenden Bemerkung Luft zu machen:

Mein Gott, was ist denn bloß los? Das kann doch nicht Stunden dauern, einen einzigen Lieferschein zu erstellen.“

Diese Bemerkung oder vielmehr dieser Auftritt löst einen Sturm der Entrüstung aus. Maria ist zutiefst verletzt, echauffiert sich bis zu Tränen über die Unverfrorenheit, ihre Arbeit kritisieren zu wollen, obwohl ihr persönlich doch überhaupt kein Vorwurf zu machen ist. Trotzdem ruft die Empörung über die ihr zugefügte Kränkung sämtliche Beschützerinstinkte auf den Plan. Auch die Männer ereifern sich; der Fall schaukelt sich immer mehr hoch; vier, fünf Leute sind zwei, drei, mehrere Stunden lang damit beschäftigt ihn in einiger Ausführlichkeit immer wieder durchzuhecheln, jedem, der zufällig in unser Büro hereinkommt oder uns telefonisch erreichen will, von dieser Dreistigkeit zu berichten und alle sind sich einig: Dinah ist ein anmaßendes Biest.

In all diesem Tumult kommt nicht mal einen einzigen Augenblick zur Sprache, dass es genau genommen Robbie ist, der die Sache von Anfang an falsch eingestielt hat und diese kleine, im Grunde belanglose Panne verursacht hat. Vielmehr hält es ausgerechnet Robbie für nötig, sich zusätzlich an Uli zu wenden, sich bei diesem im Namen unserer ganzen Abteilung über Dinahs unpassendes Benehmen zu beschweren und eine Zurechtweisung zu fordern.

Am nächsten Tag - Maria ist schon weg - erscheint Dinah wieder in unserem Büro, scherzt mit den Männern herum als sei nichts gewesen und lässt nebenher eine winzige Spur zerknirscht einfließen, sie hätte soeben bei Uli antanzen müssen, weil sich Maria über sie beschwert habe.

Als ich ihr, um Maria in Schutz zu nehmen, daraufhin sage, dass Robbie sie bei Uli verklagt hat, will sie mir nicht recht glauben und wendet sich sichtlich uninteressiert an solchen Klarstellungen halb naserümpfend von mir ab.

Weiter geht’s in Teil 4

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Christa Thien

Dr. phil., zugezogen in Leipzig. Themen: Arbeitswelt & Berufswege, Gesellschaftspolitik

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