Blonde Maus und roter Teufel (4)

Arbeitswelt Wer mit wem gut kann am Arbeitsplatz, wirkt sich entscheidend auf das berufliche Fortkommen aus. Zu den Tücken von Anziehung und Animositäten ein fast wahrer Bericht. (4)

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Als Melanie einige Wochen fehlte, um sich für die anstehende Prüfung vorzubereiten, wurde sie leidenschaftlich vermisst und das Bedauern über ihre Abwesenheit damit kompensiert, dass man sich über ein passendes Geschenk für sie den Kopf zerbrach. Peter brachte schließlich den Hochglanzprospekt eines Kaufhauses mit, in dem unter anderem auch weibliche Wäschestücke, also Garnituren von Unterwäsche, Büstenhalter, Slips etc. als Sonderangebote abgebildet waren. Mit einiger Ausdauer und unter anhaltendem Gelächter wurde dann darüber spekuliert, welches dieser schwarzen, weißen, pastelligen oder geblümten Dessous farbig an geeignetsten wäre und welche Körbchen wohl dem richtigen Brustumfang entsprachen.

Als Melanie zurückkam, wurde ihr - verbunden mit der Gratulation zur bestandenen Prüfung - ein dürftiges Tütchen überreicht, aus dem ihr zwei rosafarbene Teile entgegen fielen.

Junge Frauen wollen sicher nicht gern als Spielverderberin erscheinen – sie schien einen Augenblick lang aufrichtig verblüfft, begann dann übergangslos darüber zu frozzeln, was solche ganz gewissen Typen, wie es auch die unsrigen sind, mal wieder für schlimme Hintergedanken hätten, nein also wirklich, und dass solche Typen überhaupt immer nur an das eine Einzige dächten ...

Also wirklich, ihr spinnt doch 'n bisschen.“

Das war selbst unserer gutmütigen Maria zuviel.

Was die Männer sich bloß dächten, fauchte sie entrüstet, ohne von ihrer Arbeit aufzublicken und die Getadelten direkt anzusprechen, und das nächste werde wohl sein, dass Melanie die Sachen anziehen und vorführen solle.

Zwei Tage später gab Melanie das Tütchen mit den einschlägigen Wäschestücken kurz und formlos an Peter zurück.

Ich möchte das doch nicht,“ sagte sie.

Inzwischen war klar, dass die Stimmung im Kippen war. Niemand wollte sich fortan mehr an diese Geschichte erinnern. Es gab eine Art inoffizieller Absprache unter den meinungsführenden Frauen - ich gehörte nicht dazu -, die darauf hinauslief, die Angelegenheit auf sich beruhen zu lassen, da weiteres Gerede vor allem Melanie schaden würde. Die Betriebsrätin erklärte, sie könne nur tätig werden, wenn sie offiziell angerufen würde. Melanie selber schien zu dem Vorfall keine wirkliche Meinung zu haben, schien insgeheim den allgemeinen Hohn und das heimliche Getuschel darüber übertrieben zu finden, fügte sich aber dem Diktat der Mehrheit einer überwiegend älteren Generation von Frauen, das ihren eigenen Vorstellungen von Sexualmoral und dem Umgang der Geschlechter miteinander nicht mehr wirklich entsprach.

Danach sank Melanies Stern schnell, obwohl sich äußerlich nichts verändert hatte. Als sich in einer neuen Maschinenbroschüre ein gravierender Fehler bei den technischen Leistungsangaben einschlich, was zu einiger Unruhe und Verärgerung Anlass gab, glaubte ihr niemand, dass sie selber falsch informiert worden war. Sie hatte auf die allerletzte Minute aufgrund einer telefonischen Änderung aus der Konstruktionsabteilung eine Änderung der Druckvorlage vorgenommen. Der entsprechende Mitarbeiter, ein langjährig beschäftigter Mann, behauptete mit einiger Bestimmtheit, sie müsse da was falsch verstanden haben. Es kränkte sie tief, dass die Möglichkeit, dass auch andere einen Fehler gemacht haben könnten, nicht mal hypothetisch zu ihren Gunsten in Erwägung gezogen wurde sondern sie sich allerlei Hänseleien und Spöttereien über fehlende Rechenkünste und mangelndes Verständnis physikalischer Messgrößen ausgesetzt sah. Robbie nahm sie jetzt des öfteren um die Schulter, dann glitt seine Hand plötzlich ein Stück nach unten und unter ihren Arm hindurch ....

Sie scherzte, oh bitte nicht anfassen, sie nähme ihn dann in den Schwitzkasten, ihr Vater habe ihr da so einen ganz speziellen Griff beigebracht ...

Einige Kolleginnen boten ihr daraufhin Unterstützung für eine Beschwerde an; doch sie lehnte ab. Es war nicht zu übersehen, dass ihr die Betulichkeit der Frauen mehr auf die Nerven ging als alle Rangeleien, die sie mit Männern haben mochte. Diese ließen sie jetzt ganz ungeniert auflaufen bzw. am kleinen Finger verhungern; wenn sie Hilfe brauchte vor allem für technische Fragen, musste sie demütig bitten und warten, bis sie an die Reihe kam, oder wurde unfreundlich abgefertigt.

Sie blieb charmant ohne Ende, feierte dreimal kurz hintereinander mit verschiedenen Grippesorten krank und kündigte schließlich, nachdem sie eine neue Stellung bei einem Möbelhersteller gefunden hatte. Sie wirkte enttäuscht, schien sich von der Beschäftigung in unserem Unternehmen mehr versprochen zu haben und trumpfte zum guten Schluss mit der Ankündigung auf, bei einer letzten, anstehenden Unterredung mit dem Geschäftsführer einmal richtig auf den Putz hauen zu wollen. Die Männer hätten sie nicht ernst genommen, die Frauen seien extrem pingelig gewesen, klagte sie unverhohlen, ja sie gab sich plötzlich kämpferisch, aber es war zu spät und der Protest verhallte ungehört.

Als sie weg war, nahm Robbie, der den Schreibtisch neben dem ihren gehabt hatte, ihre Teekanne und einige andere Dinge, die noch zur späteren Abholung dort verblieben waren und knallte sie wütend, geradezu hasserfüllt in eine abgelegene Ecke.

Er könne das siffige Zeug nicht mehr sehen, schnaubte er, und wenn sie die Sachen nicht bald holen komme, werde er alles im Müll entsorgen.

Wenn später von Melanie die Rede war, dann nur noch in einem abfälligen Ton, dass sie von nichts eine Ahnung gehabt und von unserer Maschinentechnik nichts verstanden habe und immer nur für alle eine Belastung gewesen sei.

Ständig habe er diese schreckliche Melanie im Nacken gehabt, stöhnte Robbie noch Monate später vorwurfsvoll.

Im Prinzip hat sich das Bild der dummen Blondine durchgesetzt, obwohl sie für eine Berufsanfängerin sehr bemüht war, aus ihrem Aufgabengebiet etwas zu machen und sich für unsere Firma zu engagieren. Ihr Nachfolger im Amt wurde ein Mitarbeiter aus der Produktion, der schon länger darauf gewartet hatte, in unserer Abteilung Fuß zu fassen.

Ein gutes dreiviertel Jahr später musste auch Dinah gehen. Sie fiel der Sozialauswahl zum Opfer, als im Zuge von Rationalisierungsmaßnahmen - wie es so schön heißt - die weibliche Belegschaft verkleinert wurde. Mit ihr verließ die letzte einigermaßen attraktive Frau unter Dreißig das Unternehmen. Wäre ich ein Mann, noch dazu ein jüngerer Mann, würde ich es nicht allzu prickelnd finden in einer Firma zu arbeiten, in der nur noch ein paar Zählfrauen übrig geblieben sind, deren Flirtpotential sich auf Gespräche über das immergleiche Ferienhaus in Dänemark beschränkt, in das sie seit 15 Jahren mit dem Ehemann fahren. Ich würde sagen, aus einer Welt, in der es keine flotten jungen Frauen mehr gibt, sind irgendwann auch die flotten jungen Männer verschwunden, und zwar ganz ohne dass man ihnen kündigen muss. - Einige Wochen später gab es dann noch ein gemeinsames Abschiedsessen der Frauen, das von unseren Meinungsführerinnen organisiert worden war. Es verlief nur mäßig fröhlich. Die einen, die Gebliebenen, wollten auf gar keinen Fall über die Firma reden, die anderen, die Gegangenen wollten über nichts anderes reden. und lechzten geradezu danach zu erfahren, wie es ohne sie ging, d.h. sie wollten hören, dass es ohne sie schlechter ging.

Dinah war nicht erschienen. Als ich nachfragte, ob sie abgesagt hätte, stellte sich heraus, dass sie gar nicht eingeladen worden war. Wie ich hörte, geht in der Firma alles seinen Gang. Ob es den Kalender noch gibt, ist jetzt egal, da in der Abteilung ohnehin nur noch Männer arbeiten.

Und was lernen wir aus dieser Geschichte?

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Christa Thien

Dr. phil., zugezogen in Leipzig. Themen: Arbeitswelt & Berufswege, Gesellschaftspolitik

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