Es war die Berliner SPD, die im April 2015 zusammen mit dem damaligen Innensenator Frank Henkel (CDU) die sogenannten „Null-Toleranz-Zonen“ für Cannabis einführte. Ob die Einsicht, dass die Strategie nicht aufgegangen ist, zum Kurswechsel führte, lässt sich nur erahnen. Nun will der rot-rot-grüne Senat dem Problem, dass die Zahl der Cannabis-Abhängigen steigt, mit einer liberalen Drogenpolitik begegnen. „Wir haben ein Zeitfenster von fünf Jahren, um dauerhaft etwas zu verändern“, so SPD-Fraktionschef Raed Saleh.
Die „Null-Toleranz-Politik“ rund um den Görlitzer Park ist gescheitert. Das sollte inzwischen auf allen Ebenen angekommen sein. Thomas Isenberg, gesundheitspolitischer Sprecher der Berliner SPD, fordert, die Verbotszonen wieder aufzuheben. Angesichts dessen, dass sie nicht die gewünschte Eindämmung der Drogenkriminalität bewirkten, ist das nur konsequent. Dealer verschwinden, kurz bevor die Polizei anrückt, oder verlagern ihre Geschäfte gleich auf die umliegenden Bahnhöfe – das Frankfurt am Main der 90er Jahre lässt grüßen.
Die weiteren Forderungen der SPD könnten, auch über die Lokalpolitik hinaus, für Aufruhr sorgen: Einhergehend mit einer Präventionspolitik soll eine regulierte und wissenschaftlich begleitete Abgabe von Cannabis an Erwachsene eingeführt werden. Ferner soll „Drug-Checking“ ermöglicht werden, also die Untersuchung von Cannabisprodukten auf Schadstoffe.
In europäischen Nachbarländern gibt es das bereits, auch hierzulande sehen viele Drogenberatungsstellen darin eine Möglichkeit für einen ungefährlicheren Konsum. Es mag unbeholfen wirken, Gesetze zu ändern, weil sie ohnehin gebrochen werden, ebenso falsch ist es jedoch, auf einer erfolglosen Drogenpolitik zu beharren, die viele Menschen als kriminell stigmatisiert.
„Ich möchte, dass wir in Berlin Vorreiter sind“, so Isenberg. Wie das genau aussehen soll, ist zur Zeit aber noch völlig unklar: Das Betäubungsmittelgesetz liegt in der Kompetenz des Bundes und der hat schon oft gezeigt, wie das deutsche Föderalismusprinzip umgangen werden kann. Der Vorstoß der Berliner SPD mag in vielen Punkten progressiv sein, aber bisher klingt er wie eine Worthülse. Veränderung wirkt glaubwürdiger, wenn man ohne Kehrtwende auskommt.
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