Während sich die Spitzenkandidaten der Bundestagswahl langsam warmlaufen, beginnt auch auf der Kreisverbandsebene das Rennen um die begehrten Plätze, schließlich sind 299 Direktmandate für den Bundestag zu vergeben. Besonders erbittert wurde beim Berliner CDU-Kreisverband Steglitz-Zehlendorf gekämpft. Selbst als die CDU bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl ihr historisch schlechtestes Ergebnis einfuhr, kam sie in Steglitz-Zehlendorf noch auf 31 Prozent. Wer dort zum Bundestagskandidaten gekürt wird, dem ist der Einzug ins Parlament so gut wie sicher. Über drei Wahlperioden setzte sich Karl-Georg Wellmann als CDU-Direktkandidat durch.
Am Sonntag entschieden die Mitglieder, dass künftig sein Gegenspieler Thomas Heilmann den Wahlbezirk auf Bundesebene vertreten soll. Die Vorgeschichte des Machtkampfs könnte dem Plot eines Polit-Krimis entlehnt sein, die Affäre kreist um drei Akteure. Zunächst Wellmann: Das Urgestein der Westberliner CDU ist seit zwölf Jahren Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis. Sein Konkurrent, Thomas Heilmann, Gründer einer Werbeagentur und ehemaliger Justizsenator, ist seit 2013 Vorsitzender des Kreisverbandes. Und schließlich: Monika Grütters. Die CDU-Landesvorsitzende sitzt seit 2005 im Bundestag. Ende 2013 wurde sie Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien. Das Drama begann mit Formalitäten. Ursprünglich wurde beim Kreisverband nach dem Delegiertenprinzip gewählt, bei dem der parteibekannte und -bewährte Wellmann sich bisher durchzusetzen wusste. Auf Initiative seines Herausforderers Heilmann wurde im Dezember und Januar abgestimmt, ob ein Wechsel zum Mitgliederprinzip stattfinden solle. Die postalische Wahl lief zunächst gut für Heilmann. Dann landeten etwa 350 anonyme Wahlzettel mit dem Votum für das Delegiertenprinzip in der Zentrale des Verbands. Kurz darauf stellte sich heraus, dass es sich um Fälschungen handelte. Der Landesverband bestellte eine parteiinterne Untersuchungskommission, die die Professionalität der Fälschungen bestätigte: Nur auf einem Wahlzettel konnten Fingerabdrücke festgestellt werden. Sie wurden einem inzwischen entlassenen Mitarbeiter Wellmanns zugeordnet. Wellmann spricht von einer Intrige, die Heilmann gegen ihn eingefädelt habe, Heilmann weist den Vorwurf von sich. Beide Kandidaten beteuern ihre Unschuld.
Obwohl immer noch nicht klar ist, wer der Urheber der Fälschungen ist, plante die Landesvorsitzende Grütters nach Tagesspiegel-Informationen zunächst, die Untersuchungen einzustellen. Ermittelt wurde intern aber weiterhin. Ziemlich spät bezeichnete Grütters die Affäre dann doch als „sehr, sehr hässlich“ und forderte, der Kreisverband müsse den Sachverhalt „rückhaltlos aufklären“. Gutes Krisenmanagement stellte Grütters damit nicht unter Beweis. Über das Stadium einer lokalpolitischen Posse ist die Affäre nämlich längst hinaus, sie könnte sogar ein strafrechtliches Nachspiel haben. Im Abschlussbericht der Untersuchungskommission empfiehlt der CDU-Justiziar eine Anzeige gegen Wellmann wegen des Verdachts der Mittäterschaft bei Urkundenfälschung. Dieser reagierte prompt mit einer Strafanzeige gegen den Justiziar. Laut Wellmann sieht die Staatsanwaltschaft gegen ihn keinen Ermittlungsbedarf, was diese allerdings noch prüft.
In einer zweiten Abstimmung Ende Januar wurde mit überragender Mehrheit für das Mitgliederprinzip gestimmt. Der erste Wahltermin Anfang März endete mit einem Patt von 245 zu 245 Stimmen. Da gab es aber auch noch keine Medienberichte über die gefälschten Stimmzettel. Bei der Stichwahl setzte sich Heilmann gegen Wellmann durch, mit 378 zu 252 Stimmen. Es wurden Wahlmaschinen eingesetzt, sicher ist sicher. Wellmann kündigte am Wahlabend seinen Abschied aus der Politik an, gänzlich unbeschädigt dürften aber auch Heilmann und Grütters nicht aus dieser Affäre, die immer noch darauf wartet, aufgeklärt zu werden, hervorgehen.
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