Hölle Hamburg

G20-Tagebuch Die "Welcome to Hell"-Demo wurde Donnerstagabend daran gehindert, überhaupt loszulaufen. Es wirkte wie Kalkül
Direkt nach dem Start war auch schon wieder Schluss. Die Polizei stoppte den Demonstrationszug nach wenigen Metern.
Direkt nach dem Start war auch schon wieder Schluss. Die Polizei stoppte den Demonstrationszug nach wenigen Metern.

Foto: imago/Christian Mang

Um 16 Uhr hatte die Demo mit einer Kundgebung am Fischmarkt begonnen, Bands spielten, die Stimmung war gut, etwa 10.000 Menschen hatten sich zum Protest versammelt. Um 19 Uhr sollte dann die Demonstration starten. Bereits im Vorhinein verdichteten sich die Gerüchte, dass wohl nie geplant war, die Demonstration laufen zu lassen: Seitens der Polizei wurden keine Auflagen erteilt, was ein Indiz für ein solches Vorgehen sein kann.

Nach 200 Metern wurde der Demonstrationszug in der historisch-berüchtigten Hafenstraße gestoppt. Die Begründung lautete: „Massenhafte Straftaten“, weil sich einige Demonstrationsteilnehmer mit Schals und Tüchern vermummten. Während die Verhandlungen zwischen Veranstalter und Polizei begannen, fuhren diverse Wasserwerfer aus verschiedenen Richtungen auf die Demonstrationsroute. Und obwohl ein Großteil der Vermummungen abgenommen wurde, und ein noch größerer Teil offensichtlich friedlich protestieren wollte, begann die Polizei zeitnah mit der Auflösung der Demonstration. Die Antwort der Demonstrierenden folgte prompt, die Situation eskalierte, wodurch auch Schaulustige mit hineingezogen wurden.

Warten auf der Reeperbahn

Nach einer Stunde hatte die Polizei die Lage im Griff, Splittergruppen meldeten Spontandemonstrationen an. Nach etwa einstündiger Wartezeit auf der Reeperbahn, die viele dankend zum Ausruhen nutzten, startete daraufhin ein großer Demonstrationszug mit etwa 20.000 Beteiligten, so die Angaben der Veranstalter, Richtung Schanzenviertel. Gemeinsam und größtenteils friedlich bewegte sich der Zug dann Richtung Sternschanze und kam an der Kreuzung zum Schulterblatt zum Stehen.

Als gegen Ende der Demonstration plötzlich Flaschen und Steine flogen, formierte sich die Polizei erneut. Einige Demonstranten zogen weiter zur Roten Flora, dort wurden Barrikaden errichtet, Mülltonnen brannten. Offiziell war die Spontandemonstration bis 0 Uhr genehmigt. Zwei Minuten nach zwölf beendete die Sprecherin aus dem Lautsprecherwagen die Demonstration, eine Minute später begann die Polizei erneut die Demonstrierenden an der Kreuzung mit Wasserwerfer und Pfefferspray auseinander zu treiben, obwohl der gewalttätige Teil hunderte Meter weiter, vor der Roten Flora, stand.

Die Möglichkeit, die Demonstration „normal“ zu verlassen, war somit nicht gegeben, auch hier wurden Dutzende Schaulustige und Anwohner von der Vorgehensweise der Polizisten überrascht. Wie schon am Nachmittag wirkte es, als ob genau dies passieren sollte. Der Gipfel hatte noch nicht einmal begonnen, Tag eins von drei ging zu Ende, Hartmut Duddes Machtdemonstration schien geglückt.

Friederike Grabitz und Christoph Kammenhuber berichten für den Freitag von den Protesten gegen den G20-Gipfel und dem alternativen "Gipfel der globalen Solidarität". Alle Beiträge rund um das G20-Treffen in Hamburg finden Sie hier

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