Räumliche Gründe

Bericht Das Buch „Unter Sachsen“ liefert ein vielfältiges Bild vom Freistaat. Politische Auswirkungen wird es kaum nach sich ziehen – dafür möglicherweise Verständnis füreinander
Ausgabe 14/2017
Es werde Licht im Nebel der „sächsischen Verhältnisse“
Es werde Licht im Nebel der „sächsischen Verhältnisse“

Foto: Sean Gallup/Getty Images

Zuletzt wurde über Sachsen viel geschrieben. Vielleicht zu viel. Aber Anlässe zur Berichterstattung gab es eben leider auch genug: Heidenau, Pegida, den NSU. Sachsen ist das Bundesland, in dem die NPD zwei Legislaturperioden im Landtag vertreten war und wo antifaschistische Arbeit von staatlicher Seite geradezu „mahnhaft“ (Katja Kipping) verfolgt wird. Die „sächsischen Verhältnisse“ sind inzwischen bundesweit zum Inbegriff politisch motivierter Strafverfolgung mutiert. Das ist auffällig, das kann man nicht kleinreden. Und wer von Clausnitz spricht, der wird noch lange die Ausschreitungen gegen Flüchtlinge damit assoziieren.

Aber natürlich ist nicht alles schlecht, sind nicht alle rechts in Sachsen – oder gar „abgehängt“, wie es Medien allzu gern darstellen. Ganz im Gegenteil sogar. Gibt es aber einmal Positives zu berichten, stürzen sich die gleichen Medien genauso klischeebehaftet auf das Thema. Schwarz-Weiß-Denken hilft allerdings niemandem, am wenigsten den Sachsen selbst.

Um die Schneise zwischen sächsischer Realität und sächsischer Erzählung zu überbrücken, haben die Rechtsextremismusexpertin Heike Kleffner und der Tagesspiegel-Journalist Matthias Meisner ein Buch mit dem Titel Unter Sachsen – Zwischen Wut und Willkommen herausgegeben. 52 namhafte Autoren, auch aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft, beleuchten in Analysen, Interviews, literarischen Texten und sehr persönlichen Kommentaren das Leben im Freistaat. Die Beiträge erzählen von Fremdenhass, von eigenen Erfahrungen mit Rassismus, der Beziehung von Neonazis zu Crystal Meth.

Und es geht auch um den Zustand der sächsischen CDU, von der man immer wieder sagt, dass sie das Problem vom „Rassismus der Mitte“ als regierende Partei im Land seit der Wende nicht in den Griff bekommen habe. Das Image des Nährbodenbieters für rassistische Ressentiments haftet der Partei hartnäckig an. Daher besonders pikant: Die Anfrage des Ch.-Links-Verlags, ob die Berliner Buchvorstellung von Unter Sachsen in der Sächsischen Landesvertretung stattfinden könne, wurde von dort aus „räumlichen Gründen“ abgelehnt. Schützenhilfe leistete nun die Thüringische Landesvertretung. Verleger Christoph Links bedankte sich vor dem Publikum für das gebotene „Asyl“.

Die Diskussionsrunde mit Katja Kipping, der Parteivorsitzenden der Linken, dem stellvertretenden Ministerpräsidenten Sachsens, Martin Dulig (SPD), und dem kultur- und medienpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Marco Wanderwitz, bestätigte schließlich etliche Vorurteile über die Partei. Immerhin fand sich überhaupt ein Vertreter der CDU, der sich in Berlin zum Buch äußern wollte – was bei den vorherigen Präsentationen in Dresden und Leipzig anscheinend nicht möglich gewesen war. Doch während sich Kipping und Dulig engagiert um einen gesellschaftlichen Dialog bemühten, flüchtete sich Wanderwitz in altbekannte Argumente, gerade bei der Frage: „Warum Sachsen?“ Statt die Probleme der eigenen Partei in jenem Bundesland anzusprechen, reduzierte er die sozialen und politischen Knackpunkte in Sachsen als „Nachwirkungen von zwei Diktaturen“.

Unter Sachsen, das mit den Worten „Es konnte kein bequemes Buch werden“ beginnt, liefert indes ein anderes, vielfältigeres Bild vom Freistaat. Politische Auswirkungen wird es kaum nach sich ziehen – dafür möglicherweise etwas, das in letzter Zeit zu kurz gekommen ist: Verständnis füreinander.

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