Hansel, woher kommst du und mit wem bist du hier?
Wir sind eine Gruppe von Leuten aus dem Wendland und seit Dienstagmittag hier auf dem Kirchengelände. Eigentlich wollten wir schon sehr viel früher hier sein. Nachdem das aber immer wieder von der Polizei hintertrieben wurde, sind wir dann letztendlich letzten Samstag im Wendland losgefahren.
Mit wie vielen Leuten seid ihr aus dem Wendland hergekommen?
Wir sind mit ungefähr 30 bis 40 Leute nach Hamburg gefahren. Wir kennen uns seit Jahren und Jahrzehnten aus dem Anti-AKW-Widerstand und von den Castor-Transporten. Das ist keine feste Gruppe.
Und wie viele Leute campen hier rund um die Kirche?
Mittlerweile sind hier bestimmt über 250 Leute. Ja, Platz ist da, das läuft unglaublich gut. Hinzu kommen noch viele kleine Initiativen: Das geht so nach und nach.
Was passierte bei eurer Ankunft in Hamburg?
Wir sind schon an der Stadtgrenze von Hamburg/Harburg gestoppt worden und die Weiterfahrt wurde uns untersagt. Dort wurden wir fünf Stunden unter dem Vorwand, unsere Fahrzeuge zu kontrollieren, festgehalten. Auch die Polizisten, die das machten, waren überhaupt nicht erfreut, dass sie für solche Aufgaben herangezogen wurden. Dass sie politische Repression ausüben, war ihnen auch ganz klar: Hier geht's nicht um die Verkehrssicherheit, sondern darum, uns von der Stadt fernzuhalten.
Und wie ging es dann weiter?
Wir haben spontan eine Versammlung auf dem Pferdemarkt, in der Nähe der Messehallen, angemeldet. Das wurde uns untersagt, obwohl es außerhalb der Demoverbotszone und -zeiten stattfinden sollte. Es wurde ohne Angabe von Gründen gesagt, dass das überhaupt nicht in Frage kommt. Dann wurde hin- und her verhandelt. Nachdem uns eine halbstündige Kundgebung am Berliner Tor angeboten wurde, sind wir nicht losgefahren. Es war offensichtlich, dass jeglicher Protest von Anfang an erstickt werden sollte. Nach der Kundgebung sollten wir mit den Fahrzeugen Hamburg in südöstlicher Richtung verlassen. Das haben wir verweigert. Nach wieder langen Verhandlungen wurden wir in die Max-Brauer-Allee eskortiert, wo wir Freunde haben und übernachten wollten.
In Entenwerder gab es ein großes Polizeiaufgebot. Habt ihr davon etwas mitbekommen?
Ja, wir waren sogar selbst dort, aber ohne unser Zeug. Bekannte von uns kannten das Camp und sagten, dass das eine Falle sei. Es gibt ja nur zwei Straßen, die aus Entenwerder herausführen und da können sie uns ganz schnell festsetzen – das war dann ja auch der Fall. Sie haben nur Infozelte zugelassen, obwohl das Verwaltungsgericht gesagt hat, wir dürfen Infozelte, Küche und Übernachtungszelte aufbauen. Nach Stunden da durften wir endlich aufs Gelände, einige Leute haben zehn kleine Igluzelte aufgebaut, weil sie da schlafen wollten. Daraufhin sind 400 Polizisten herangerockert, um diese zehn Zelte abzubauen – vermummt. Die haben auch zugeschlagen, Pfefferspray gesprüht und so weiter.
Gingen denn Aggressionen von den Campern aus?
Wir haben da gestanden und uns eingehakt. Sonst haben wir überhaupt nichts gemacht. Andere haben auf dem Boden gesessen. Das Kräfteverhältnis war ja eindeutig. Wir waren vielleicht 150 Leute und es waren hunderte Polizisten da. Das war der Wahnsinn. Danach haben wir gesagt, das hat alles keinen Sinn: Jetzt müssen wir uns überlegen, ob wir Camps nicht anders aufbauen können. Dann kam die Idee, dass wir uns in der Stadt nach privaten Flächen umgucken.
So seid ihr auf die Grünfläche hier gestoßen?
Genau, wir haben bei der St. Johannis diese etwas verwilderte Wiesenfläche gesehen und gedacht, das wäre ein ideales Camp. Nachdem wir vorsichtig Kontakt zur Gemeinde aufgenommen haben, sagten die uns natürlich, sie können uns auf keinen Fall dazu einladen, aber wenn Zelte stehen, können sie auch nichts machen und werden ihr Hausrecht in diesem Sinne nicht nutzen. Dann haben wir angefangen hier aufzubauen. Die Empörung bei den Pastoren und Gemeinderäten ist ganz schön groß über das was hier abläuft, um Protest zu verhindern.
Gibt es noch weitere Camps?
Ja, wir konnten zwei weitere Gemeinden davon überzeugen, uns Flächen zu Verfügung zu stellen. Das ist in der Königstraße die Trinitatis-Gemeinde und direkt am Altonaer Bahnhof die Christians-Gemeinde. Von beiden haben wir jetzt Flächen bekommen. Wir werden jetzt weiter Kontakte knüpfen. Auch der FC St. Pauli stellt inzwischen Schlafplätze zur Verfügung, die Nachbarn von gegenüber machen ihre Autoparkflächen frei und wir können Zelte hinstellen. Von mehreren Hauseigentümern wurde angeboten, dass wir in ihrem Vorgarten Zelte aufstellen, duschen und die Toiletten benutzen können.
Also zeigen sich die hier ansässigen Hamburger solidarisch?
Ja, das ist ganz eindeutig. Jeden Tag kommen Leute vorbei und bringen uns Sachen, fragen, ob wir was brauchen. Die Strategie der Polizei ist absolut in die Hose gegangen. Hätten sie uns auf Entenwerder gelassen – ich bin inzwischen froh, dass sie das nicht gemacht haben – hätten sie uns alle auf einem Haufen gehabt. Einerseits wäre die Stadt bis heute Abend ruhig gewesen, andererseits hätten wir gar keinen Kontakt mit der Bevölkerung gehabt. Inzwischen wird so deutlich, was hier abläuft, dass das für uns unheimlich cool ist, dass wir diese vielen dezentralen Camps haben. Das hätten wir gar nicht besser machen können. Da müssen wir Gesamteinsatzleiter Hartmut Dudde richtig dankbar sein!
Der Witz ist ja, dass die uns immer als Ansammlung von Gewalttätern darstellen wollen. Aber dadurch, dass wir hier mitten im Stadtteil sind und die Anwohner ständig in unser Camp kommen und „mal gucken wollen", stellen die auf einmal fest: Hier sind gar keine Gewalttäter! Auf jeden Fall sehen die nicht so aus, wie es beschrieben worden ist. Das ist für uns natürlich ein Wahnsinnsvorteil und wir kriegen unglaublich viel Zuspruch dafür, hier weiterzumachen und nicht einzuknicken.
Also ist die Stimmung gut?
Nach Entenwerder kippte die Stimmung etwas. Aber nachdem sich diese Möglichkeit mit den Kirchen und Camp-Plätzen eröffnet hat, ist es vollkommen umgeschlagen: Alle Leute sind happy, dass wir mitten in der Stadt sind und nahe an den Demozonen sind. Also an den Verbotszonen. So nah wären wir nie dran gewesen, wenn wir in Entenwerder gewesen wären. Wir sind auf einem emotionalen Hoch!
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