Verantwortung abschieben?

Debatte um Obergrenzen Die Grenzen müssen für Geflüchtete offen bleiben. Alles andere stellt eine Flucht vor der eigenen Verantwortung dar

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Flüchtende warten darauf, die griechisch-mazedonische Grenze überqueren zu können
Flüchtende warten darauf, die griechisch-mazedonische Grenze überqueren zu können

Foto: SAKIS MITROLIDIS/AFP/Getty Images

Grundrechte kennen keine Obergrenze. Eine schöne Formel, aber werden sich die Befürworter einer Obergrenze für Geflüchtete davon abhalten lassen? Wohl eher nicht, doch selbst wenn eine Obergrenze beschlossen würde, das Bundesverfassungsgericht würde diese wohl schnell wieder kassieren. Asyl ist schließlich ein Menschenrecht, verankert in der Europäischen Grundrechtecharta.

Wie könnte eine Obergrenze also aussehen, die den Cut bei 200.000 oder 500.000 Menschen setzt? Grundrechte gelten dann nur noch für die schnellsten? Man braucht nicht viel Fantasie um sich vorzustellen, dass Willkür und Grundgesetzt nur schlecht vereinbar sind. Die Äußerungen von Andreas Voßkuhle oder Koen Lenaerts lassen ebenfalls keine Zweifel daran: Obergrenzen sind mit geltendem Recht nicht zu vereinbaren.

Natürlich ist eine Obergrenze nicht nur aus rechtlichen Gründen problematisch. Sie ist menscherechtlich fragwürdig und blockiert die politische Debatte, da nur noch über die Verhinderung von Zuwanderung und die Begrenzung der Asylanträge geredet wird. Wie Integration ablaufen soll oder wie man überhaupt Fluchtursachen mindert, tritt in der Debatte in den Hintergrund.

Dazu kommt, dass eine Begrenzung der Flüchtlingszahlen den Kern des Asylrechts verschiebt: Weg von der Hilfe politisch verfolgter Menschen, hin zu der Einrrichtung einer deutschen Wohlfühlzone. Das Land soll nicht durch Geflüchtete belastet werden und die Krisen in Syrien oder Nordafrika sollen möglichst nicht in der Bundesrepublik wahrgenommen werden.

Für diese Krise trägt man aber auch hierzulande Verantwortung, sei es politische oder gesellschaftliche. Jetzt durch eine Obergrenze die Augen vor globalen Entwicklungen und Problemen zu verschließen, würde Europa von der Welt abkoppeln und die Diskussion über eine neue Entwicklungspolitik, über den Umgang mit Waffenexporten oder eine der exportorientierten Landwirtschaft abwürgen. Wer will, dass weniger Menschen nach Deutschland flüchten, der muss an diesen Stellschrauben drehen.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Christoph Kienemann

Historiker, freier Journalist. Politik, Literatur, Musik, die Bahn und das Fahrrad @ckienemann

Christoph Kienemann

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