Hotel: Inland Kingdom

Tanztheater Die Tanz- und Performance-Company "The Wanted Berlin" zelebriert das Unbewusste. Ihr aktuelles Stück "Hotel: Inland Kingdom" feierte jetzt Premiere in Berlin

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Hotel: Inland Kingdom
Hotel: Inland Kingdom

Foto: Jan Philipp Lessner

Laszive Geister schleppen sich über den kahlen Boden. Zwei TänzerInnen, deren Gesichter mit Tüchern verhüllt sind, kriechen aufeinander zu, treffen zärtlich aufeinander, dann stürmisch. Sie enthüllen ihre Gesichter und lieben sich. Bis ein Soldat die Szene stürmt. Er verschanzt sich, schreit. Wer ist er? Dr. Jacoby, der Hoteldirektor des "Inland Kingdom" scheint den Fremden "Agent" zu kennen. Aber er verrät ihn nicht. Vielmehr führt er ihn durch die sonderbaren Nächte in der Hotelbar. Hier hagelt es Zitate, von Goethe bis "Taxi Driver": You are square! Wen der Fremde hier trifft ist nicht klar. Sind es die Dorfbewohner, die hier ihre Sehnsüchte und Begierden zur Schau stellen oder gar die eigenen inneren Dämonen?

Das Tanztheaterstück "Hotel: Inland Kingdom" entführt in eine traumwandlerische Welt, eine Zeitschleife aus unbewussten Zuständen und Fragen nach dem Selbst. Die Darsteller sind sich wandelnde Körper, die zwischen Geschlecht, Material und einer gespenstischen Unfassbarkeit gleiten. Sie stolpern, wanken, steppen, kämpfen, lachen. Mal grunzt Screaming Jay Hawkins ein "I am lonely" über das Geschehen, dann treiben Techno-Klänge die Party an. "Go ahead, have fun", ermuntert Dr. Jacoby den Fremden. Aber was bleibt nach dem Exzess? Die stumme Hotelbesitzerin sammelt die Gläser ein und legt die Schürze ab. Dr. Jacoby bleibt allein zurück in der Zeitschleife.

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Hotel: Inland Kingdom (Foto: Jan Philipp Lessner)

Was ist das Ich, ist es das Fremde in uns? Freuds "Das Unheimliche" lässt grüßen. Die Texte sind Zitate aus Filmen, Pop- und Hochkultur. Fragmente von außen, die auf das Innen wirken. So finden sich Reflexionen über das Selbst vom Philosophen Wilhelm Schmid neben Musikzitaten aus David Lynchs "Twin Peaks". Die surreale Serie scheint hier auch Vorbild für die Figuren. Der Hoteldirektor Dr. Jacoby trägt den gleichen Namen wie der Psychiater, der in "Twin Peaks" die Geheimnisse um Laura Palmer mit sich trägt, und aus dem Soldaten Agent Raymond wird schließlich Agent Cooper.

"Hotel: Inland Kingdom" ist eine Produktion von "The Wanted Berlin". Die Performance Gruppe wurde 2013 von Claudia A. Daiber und Caroline Wocher gegründet. Die beiden Schauspielerinnen lernten sich 1997 während ihrer Ausbildung in Ulm kennen. Daiber arbeitete später an der Volksbühne u.a. mit René Pollesch und wechselte in die Regie. Wocher schloss eine Tanzausbildung ab und war als Musical-Darstellerin in Hamburg tätig. Obwohl Daiber heute in Berlin lebt, während Wocher am Bodensee tatsächlich ein Hotel führt, brach der kreative Austausch nie ab. Mit "The Wanted Berlin" gaben die beiden ihrer Zusammenarbeit nun eine eigene Form.

Claudia A. Daiber ist als Choreographin, Regisseurin und Autorin die treibende Kraft hinter "Hotel: Inland Kingdom". Caroline Wocher ist als Solo-Tänzerin im Stück als steppende Hotelbesitzerin zu sehen. Die Arbeitsweise der Company wurzelt in der Improvisation. Gemeinsam mit den TänzerInnen werden die Bewegungen und Figuren erarbeitet. Claudia Daiber, die übrigens derzeit auch noch Medizin studiert, interessiert sich weniger für statische Erzählungen. Sie will vielmehr die Ressourcen ihrer DarstellerInnen ausschöpfen und transformative Prozesse ergründen. Das gelingt auch in "Hotel: Inland Kingdom". Das sehr junge Cast überrascht mit eindringlicher Präsenz. Vor allem Sabrina Hermann als kokettes Countrygirl und Dominik Djialeu als ihr Liebhaber überzeugen in ihrer Intensität.

"Hotel: Inland Kingdom" ist am 9. und 10. Oktober 2013 in Berlin im Theaterhaus Mitte zu sehen und ist ab April 2014 auf Tour.

www.thewantedberlin.de

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