„Wir müssen das Verhältnis klären“

Porträt Immer neue Sanktionen gegen Russland sind kein guter Weg, meint Bernd Westphal. Bei der „Sitzungswoche Sprechstunde“ brach er außerdem eine Lanze für die Jugend

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„Ich habe manchmal das Gefühl, im Parlament sitzen Menschen, die sich noch nie die Hände schmutzig gemacht haben.“
„Ich habe manchmal das Gefühl, im Parlament sitzen Menschen, die sich noch nie die Hände schmutzig gemacht haben.“

Foto: Metodi Popow/Imago

Egal ob mit den USA, China oder Russland – für Deutschland sind gute internationale Beziehung das A und O. Davon ist Bernd Westphal, wirtschafts- und energiepolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, überzeugt. Für ihn ist deshalb klar: „Wir müssen dringend unser Verhältnis zu Russland klären.“

An diesem Freitag, den 18. Januar, war der 58-jährige Bundestagsabgeordnete des niedersächsischen Wahlkreises Hildesheim bei der „Sitzungswoche Sprechstunde“ in der Ständigen Vertretung in Berlin zu Gast. Dort beantwortete er Moderatorin Alice Greschkow und dem Publikum Fragen zu seinem Werdegang und seinen politischen Schwerpunktthemen.

China als unverzichtbarer Wirtschaftspartner

Eine Klärung des Verhältnisses von Europa zu Russland hält er nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen für nötig. Die deutsche Wiedervereinigung 1989 habe schließlich auch nur stattfinden können, weil Russland damals zugestimmt habe, meint Westphal. „Das hätte ja auch ganz anders ausgehen können“, sagt er. Auch wenn nicht alles, was Russland tue, zu tolerieren sei, lautet sein Appell an Europa deshalb: „Wir müssen aus der Spirale der Sanktionen herauskommen.“

Auch China ist für Westphal ein unumgänglicher Wirtschaftspartner. „Die Technik ist gut und der Preis stimmt“, befindet er. Dass die USA nun aufgrund eines Spionageverdachts durch den Handyhersteller Huawei vor dem Kauf von Technik aus der asiatischen Volksrepublik warnen, hält er für eine politische Agenda, um US-Produkte besser zu verkaufen.

Zwar sieht auch er bei den Rahmenbedingungen Handlungsbedarf, ein Embargo chinesischer Technik hält er aber für völlig unpraktikabel. Dafür werde sie in Deutschland zu stark genutzt, auch von großen Firmen: „Ich glaube, wir wären gut beraten, wenn man Standards festlegt.“

Der Klimawandel und die Enkel

Zu sehr von seinen Handelspartnern abhängig machen, sollte sich Deutschland indes auch nicht, warnt Westphal. Dass deutsche Autobauer ihre Batterien mangels eigener Alternativen in Asien bestellen müssten, sei ein Unding. „Das hätte uns nicht passieren dürfen“, mahnt er. Schließlich sei die Automobilindustrie eine deutsche Schlüsselindustrie. Auch bei der Windenergie müsse man nun aufpassen, dass die Entwicklung und Fertigung der Technik nicht wie bei der Solarenergie aus Deutschland verschwinde.

Westphal hält erneuerbare Energien für den richtigen Weg in die Zukunft. Angesichts klimabedingter Hungersnöte müsse dringend mehr für den Klimaschutz auf der Welt getan werden. Sollten seine Enkel ihn eines Tages fragen: „Was hast du eigentlich damals gemacht gegen den Klimawandel?“, möchte er eine gute Antwort parat haben.

Dass Westphal für erneuerbare Energien argumentiert, könnte einige überraschen. Aufgewachsen in Niedersachsen, begann er nach der Schule 1978 eine Ausbildung zum Chemielaboranten auf dem Kalibergwerk Siegfried-Giesen und trat der Industriegewerkschaft Bergbau und Energie (IG BE) bei, für die er später auch hauptamtlich tätig war.

Die Interessenvertretung von Kohlekumpeln war also lange Zeit sein Job, wie er auch heute noch gern betont. „Ich habe manchmal das Gefühl, im Parlament sitzen Menschen, die sich noch nie die Hände schmutzig gemacht haben, außer beim In-der-Nase-Popeln“, sagt er. Das sei bei ihm anders. Durch die Gewerkschaftsarbeit wisse er, wie hart die Arbeit der Menschen im Bergbau sei und kenne auch die Sorgen und Nöte der Arbeiter.

Die soziale Marktwirtschaft als Erfolgsrezept

Trotzdem hält Westphal ein Ende der Kohleindustrie für richtig. „Wir haben schon erkannt, dass Arbeitsplätze nur dann eine Chance haben, wenn sie nachhaltig sind“, meint er. „Und damit meine ich nicht nur aus ökologischer Sicht.“ Arbeitsplätze bräuchten eine Zukunftsperspektive und die gebe es in der Kohle nicht. Dass nun gerade von der SPD Alternativen gefragt seien, ist Westphal bewusst: „Wir müssen Vertrauen zurückgewinnen und zeigen, dass wir sozialverträgliche Lösungen finden.“

Sozialverträglichkeit, das sei eine große Stärke Deutschlands, auch im internationalen Vergleich, davon ist Westphal überzeugt. „Deutschland ist nicht trotz, sondern wegen der Standards der sozialen Marktwirtschaft so erfolgreich“, hält er fest. Nachholbedarf sieht er bei der Debatte um wirtschaftliche Zukunftsthemen wie künstliche Intelligenz oder Batteriezellenindustrie. Die Chinesen seien da schon viel weiter, in Europa fehle das.

In Sachen Zukunftsthemen lässt Westphal sich nach eigenen Angaben auch gerne von jungen Menschen Impulse geben. „Ich diskutiere gerne mit Jugendlichen“, sagt er. Zu unrecht heiße es oft, Jugendliche seien unpolitisch. „Das stimmt nicht. Sie sind vielleicht nicht immer parteipolitisch organisiert, aber sie haben eine Meinung.“ So bekomme man von Jugendlichen meist klipp und klar gesagt, was sie an der politischen Arbeit nicht so gut fänden und was sie erwarten. „Das ist schon sehr erfrischend“, findet Westphal.

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Claudia Kleine

Claudia Kleine ist freie Journalistin in Berlin. Für die Meko Factory berichtet sie über Veranstaltungen.

Claudia Kleine

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