Blumen inbegriffen

Rituale Der Internationale Frauentag ist gut. Er sollte um einen Männertag ergänzt werden

Weitergehen. Zwei Schritte vor. Keinen zurück. So trotzig und beharrend, wie das Motto zum diesjährigen Frauentag, im Jahr zwei der ersten Bundeskanzlerin in Deutschland, klingt, provoziert das geradezu die kritische Frage, ob der 8. März mitsamt seinen Ritualen heute noch ein relevantes Datum ist. Zumindest für die Blumenläden der Republik lässt sich die Frage klar beantworten: Valentinstag, Muttertag und Frauentag - die deutschen Dienstleister sind bereit.

Was ist nicht alles passiert, seit Clara Zetkin auf der II. Internationalen Konferenz Sozialistischer Frauen 1910 in Kopenhagen einen jährlichen Internationalen Frauentag forderte. Damals kämpften die Genossinnen noch um das Frauenwahlrecht. Kein europäisches Land (außer Finnland), auch nicht die USA, bot seinen Bürgerinnen das demokratische Kernrecht. Inzwischen hat sich der Aufstieg der Frauen in der Politik nach ganz oben ordentlich dynamisiert. Die Medizinerin Michelle Bachelet steht seit 2006 an der Spitze Chiles. In den USA macht Nancy Pelosi George Bush im US-Repräsentantenhaus das Leben erfreulich schwer. In Frankreich will es Ségolène Royal wissen. Möglicherweise erlebt die Welt im nächsten Jahr eine erste US-Präsidentin, die Finnen (übrigens auch die Isländerinnen!) haben es sowieso raus, und nun haben auch in Nordrhein-Westfalen die Sozialdemokraten mit Hannelore Kraft eine Frau an der Spitze. Auch in den Wissenschaften ziehen die Frauen - wenn auch langsam - nach. Prominentestes Beispiel ist die Historikerin Drew Gilpin Faust. Sie wird Präsidentin der US-Elite-Universität Harvard.

Und doch: Am Anfang des Europäischen Jahres für Chancengleichheit liegt Deutschland in Sachen Gleichstellung lediglich im europäischen Mittelfeld. Ein politischer Dauerbrenner der Frauenbewegung hat noch nicht gezündet: Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit. Wie lange wird es noch dauern, bis die am besten ausgebildete Frauengeneration, die wir je hatten, nicht nur symbolisch, sondern auch materiell gleichgestellt wird? Von Frauen in der Privatwirtschaft ganz zu schweigen - da sind sie immer noch "ganz unten". Nein, die Forderungen der Frauen nach Chancengleichheit, nach Frauenrechten als Menschenrechten sind weltweit längst nicht eingelöst und weiterhin aktuell. Und sie müssen immer wieder neu erkämpft werden. Trotzdem reicht der Frauentag nicht.

In den öffentlichen Institutionen, in Verwaltungen und Behörden tut sich nämlich etwas. Die politische Strategie des Gender Mainstreaming soll dazu beitragen, in Politik und Öffentlichkeit Hierarchien zwischen den Geschlechtern abzubauen. Soviel Gender war hier noch nie! Doch über die Erfolge und Schwierigkeiten dabei würden wir gern mehr und regelmäßig in der Öffentlichkeit hören. Auch über Männer würden wir generell gern viel mehr wissen. Im Wissenschaftssprech: mehr Wissen über die soziale Konstruktion von Männlichkeit.

Und überhaupt: Männer, wir vermissen euch! In der Debatte und in der Praxis, in der Politik und im Alltag und zwar als Geschlechtswesen. Da übernimmt endlich Familienministerin Ursula von der Leyen die Sache mit der (nachholenden) Modernisierung, und doch ist bei Krippenbetreuung und Elterngeld vor allem von Akademikerinnen die Rede. Das "andere" Elternteil taucht nur am Rande auf. Männer, hier könnt ihr eure Stimmen erheben. Kämpft (mit uns!) für eure Rechte! Entlastet die Frauen!

Im Grunde muss ein Männertag her. Nein, kein Vatertag mit feuchtfröhlicher Kumpanei am Ausflugsziel. Ein richtig politischer Männertag. Ein Tag, an dem öffentlich darüber nachgedacht wird, wie Männer zu Männern gemacht werden oder wo die Dinge in Bewegung geraten. Etwa, wenn junge Männer Krankenpfleger oder Kosmetiker werden wollen und sich mit ihren Schulabschlüssen schwer tun. Wenn junge Muslime sich mutig gegen ihre Verwandten stellen, wenn die eigene Schwester in Gefahr gerät. Wenn männliche Nachwuchsführungskräfte in Unternehmen darauf bestehen, Erziehungszeiten zu nehmen, den eigenen Vater pflegen oder schlicht andere als bloß erwerbsförmige Interessen haben. Wie sie es am besten anstellen können und was sie erleben, wenn sie es tun. Nur ran, meine Herren! Meine Unterstützung ist Ihnen sicher. Blumen inbegriffen ...


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