"Streit um Hegemann-Paradies der falschen Vögel“, schreibt bei der Süddeutschen-Online Bernd Graff, am 10.02.2010.
Danach folgt eine Abrechnung mit Fräulein Hegemann und den anderen litarischen Kollagisten, aber auch eine der üblichen Blogger-Beschimpfungen. - Die Überschrift zum eigenen Artikel, sehr wahrscheinlich vom Schlussredakteur (m/w) und nicht von Herrn Graff verfasst, ist natürlich hälftig gut "geklaut".
„Paradies der falschen Vögel“ ist ein Romantitel Wolfgang Hildesheimers. Sein Werk beschäftigt sich mit "schrägen Vögeln" und mit der Ungenauigkeit der Wahrheit.
Allerdings, Hildesheimer hat sich mit dem Abschreiben und anderen ausdrücklich erlaubten Tricks des guten Schreibens intensiv beschäftigt. So gelingt ihm auch, anscheinend mühelos, in seinem Roman „Marbot“ eine fiktive Figur mit der kulturell bekannten Personage der Goethezeit so eng zusammen zu schreiben, dass die Geschichte auch eine reale Biografie sein könnte.
Ich bin fürs erweiterte Klauen uns Abschreiben, gedanklich und inhaltlich, aber auch dafür, die Dankbarkeit deutlich zu zeigen, mit der ein gebildeter Mensch fast immer von irgend wem abhängt. - Die Gedankenpolizei kommt schon bei Zeiten und unterzieht nicht nur junge Wilde strengen Verhören, sondern auch die ins Kraut schießenden Rechtsabteilungen großer Medienhäuser, die Spezialisten für das Urheberrecht, werden in Zukunft noch mehr fröhliche Urständ´ feiern. - Wenn es ums größere Geld geht, verstehen die keinen Spaß mehr, sondern betreiben Mahnverfahren mit heiligem Ernst.
Dann wünsche ich mir lieber ein Kulturkommissariat aus Wien und Düsseldorf im alten Fünfer- BMW, der sich die vermeintlich avangadistische Szenerie des schnellen Klaus vornimmt.
Christoph Leusch
Kommentare 10
Da will ich mich mal einhaken: Natürlich hänge ich ab von den tausenden gelesenen Büchern und den unzähligen Gesprächen, in denen ich aufgenommen habe, was ich in meiner Form dann verziere.
Die Maßgabe der Individualität und der Besonderheit ist ja eine Einbildung aufs Ganze der Menschheit gesehen.
Das erweiterte Klauen ist deshalb die Normalität, das bewußte aber auch. Und das sollte Schriftstellerinnen, die ja vorgeben, mit der ganzen Welt und auch noch der gewesenen zu kommunizieren, doch lieber vermieden sein. Keinen Gedanken haben, aber einen klauen können: nein, nein und nochmals nein. (Ich weiß jetzt nicht, wo ich das geklaut habe.)
Ergänzen ließe sich, dass seinerzeit der SPIEGEL die Figur Marbot für real hielt und so dem meisterhaften Wolfgang Hildesheimer nicht auf die Spur kam - heutzutage unterläuft ihm das mit nem siebzehnjährigen Küken, ist wohl das Niewoh jetzt unsrer Feuilletonbohème.
Klasse, det passt!
Liebe Grüße
Christoph Leusch
"Keinen Gedanken haben, aber einen klauen können: nein, nein und nochmals nein. (Ich weiß jetzt nicht, wo ich das geklaut habe.)"
Genau. Eben gabs ein Interview mit der Helene. Die ist überhaupt nicht überzeugend in ihren Argumenten, eher dreist und clever in ihrer Verteidigung.
Lieber Herr Kühn,
Wie wäre es, wenn wir uns in der Community gemeinschaftlich auf die Suche nach dem letzten Gedankendieb machten? - Mindestens 95% der blauen und roten Fraktion hier beim "Der Freitag" und eigentlich überall, fiele als viel zu ehrlich und voller Skrupel, aus.
Übrig bliebe eine Type, bei der wirklich Alles, vom Nick bis zum Klarnamen unecht ist, der grundsätzlich jedes Wort mit einigem Gehalt mindestens dreimal abgesichert, an seinen Ursprungsort zurück verfolgt hat.
Am Ende bleibt ein stummer Fisch, ganz am Ende bleiben nur ungeschützte Partikel und das Nichts meinende Füllworte, sonst hätte man ja gar nichts mehr zu sagen. - Mildes, aber irgendwie idiotisches Lächeln, momentane Stille und große behagliche Zufriedenheit, bis dann augenblicklich die Welt unter geht.
Es liegt aber daran, dass mittlerweile eine größere Masse an Kreativen fest daran glaubt, ein individualistisches Originalgenie zu sein. Die Klügsten (m/w) lassen es zwischen zwei Buchdeckeln, sozusagen literarisch in vitro, und die Allerklügsten gleich in vivo, patentieren, von der Weizen-DNA bis zum Werbe-Slogan. Nein, gleich Alles, was ihnen je einfiel und das Organische, das Körperliche dazu, wofür sie weniger können, außer wenn sie müssen, welches sie jedoch tatsächlich (noch) besitzen.
Da wäre es doch das Beste, Sie und ich, wir beantragen vorsorglich ein Patent auf uns selbst. - Phänokopieren und Ideen klonen, nur nach Voranmeldung, nach der Entrichtung einer Kurtaxe und unter der Zusicherung, ein Vetorecht bei Änderungen zu erhalten (natürliches Architektenprivileg). - Nur welcher gute Anwalt arbeitete für uns auf Erfolgsbasis und wäre nicht gerade ebenfalls mit Selbstpatenten beschäftigt?
Schönen Abend
Christoph Leusch
Liebe Magda,
Sie haben ja Recht. - Aber, lösen Sie sich einmal von dem klugen und eben auch für sich geschäftstüchtigen Mädchen -die betreibt Vorwärtsverteidigung-, es sind da bestimmt auch noch eine Menge Schatten tätig um das Projekt Bekanntheit in Gang zu halten.
Spüren Sie, wie da ein großer Verlag, mit einem noch größeren Lektorat, mit einer mindestens so großen Rechtsabteilung, mit Literaturagenten und entsprechenden Kontakten zu den großen Feuilletons, etwas aufbaute?
Wenige Tage später muss sich die Frau Hegemann mit nichts als Chuzpa gegen Plagiatsvorwürfe wehren. Dabei sind die Inhalte, die Stellen an denen sie sich bedient hat, nun auch wieder nicht gerade jene, von denen man sagen würde, sie fielen in dem die entscheidenden Gedanken (Sprachfetzen) liefernden Etablissment nicht jede Stunde die der Zeiger der Uhr in die Nacht vor rückt, mit immer höherer Frequenz.
Vielleicht sollte man Frau Hegemann zur Kur, statt ins "Berghain", ins Berghell schicken, sie dort sogar in einer Schinkel-Villa wohnen lassen, ein wenig Erinnerung an das klassische Berlin, damit sie endlich in Ruhe ausprobieren kann, ob ihr ein Roman gelingt.
Liebe Grüße
Christoph Leusch
Entschuldigung,
Es muss natürlich "Bergell" und nicht -Berghell- heißen.
Sonst schreibt mir eventuell die Schweizer Community in Berlin einen Drohbrief.
C.Leusch
Ich habe mir zum Thema mal ein paar eigene Gedanken gemacht:
Da will ich mich mal einhaken: Natürlich hänge ich ab von den tausenden gelesenen Büchern und den unzähligen Gesprächen, in denen ich aufgenommen habe, was ich in meiner Form dann verziere.
Die Maßgabe der Individualität und der Besonderheit ist ja eine Einbildung aufs Ganze der Menschheit gesehen.
Das erweiterte Klauen ist deshalb die Normalität, das bewußte aber auch. Und das sollte Schriftstellerinnen, die ja vorgeben, mit der ganzen Welt und auch noch der gewesenen zu kommunizieren, doch lieber vermieden sein. Keinen Gedanken haben, aber einen klauen können: nein, nein und nochmals nein. (Ich weiß jetzt nicht, wo ich das geklaut habe.)
Lieber Herr Kühn,
Dass Sie belesen sind, weiß ich. Aber wie haben Sie das mit den tausenden gelesenen Büchern geschafft? - Ich habe einmal versucht, ganz ehrlich mit mir zu sein, und wenn ich ganz ehrlich bin, dann schaffe ich höchstens drei oder vier durchschnittliche Bände im Monat. Für Kindheit, Jugend und Studienjahre billige ich mit höhere Frequenzen, allerdings auch mit ganz anderen Druckwerken, zu.
Dem Philosophen Sartre wurde mehrfach nachgesagt, er habe kontinuierlich, Jahr um Jahr, 300- 400 Werke gelesen.
Ganz persönlich, habe ich mir folgende These zurecht gelegt:
Weitaus die meisten erinnerten Inhalte und Titel bestehen nur deswegen schemenhaft im Hirnschmalz, weil aus Punktwolken der Titel,Schriften und Inhalte, das Gehirn eine Art Wiederholung und Parallelführung an ähnlichen und emotional berührenden Gedanken produziert.
Ich lese einen Titel, ein Buch und schon rattert der alte Assoziationskasten und ich ertappe mich, wie ich sekundär und tertiär erneut Gelesenes in eine Primärerfahrung umwandele, sogar Bände zu meiner Leseerfahrung hinzu füge, die ich niemals auch nur in Griffweite verfügbar hatte.
Plötzlich ist mein Hirn ein großer Kosmos, bevölkert von tausenden Titeln und Inhalten, die ich unmöglich gelesen haben kann.
Die Frage ist aber, -ich gebe gerne zu, das ich in dieser Hinsicht die Brechtsche Schreibwerkstatt kritiklos bewundere, weil er es wirklich konnte, aus Abschriften, Zitateinfügungen, Übersetzungen, eine ganz eigenständige Form zu schaffen, die aber immer eine Verneigung vor den Leihgebern einschließt-, wo beginnt diese Redlichkeit im Ton und in der Sache, wo hört sie auf?
Ein literarisches Beispiel:
Als Vorwürfe gegen Günter Grass aufkamen, er habe für das "Weite Feld" bei Hans Joachim Schädlich abgeschrieben, insbesondere was die Figur "Fonti"/Fontane angeht, besorgte ich mit "Thallhover" und war von diesem Buch ebenfalls sofort so begeistert, wie vorher vom Roman "Ein weites Feld".
Aber, ein vernünftiger Vergleich der beiden Werke zeitigte stilistisch und sprachlich so große Unterschiede, dass die Vorwürfe gegen Grass mir als nicht berechtigt erschienen.
Im aktuellen Fall, Hegemanns "Axolottl Roadkill" und Airens "Strobo", geht es mir da ganz anders. Beide beschreiben die gleiche, sehr enge Szenerie, Airen mit teilweise besserem Satzbau und angemessener Verwendung von Fremdworten, Hegemann mit dem Versuch, eine Bildungshöhe aufzuweisen und Erfahrungen nieder zu schreiben, die sie nur aus Büchern, Texten und Beschreibungen anderer Leute haben konnte.
Tatsächlich sind es ja gerade die banalsten Sätze und allgmeinsten Handlungen (irgend etwas rein ziehen) aus so einem Szeneklub, die fast 1:1 nach "Axolottl" kopiert wurden.
Beide Bücher behaupten ein Übermaß an Selbsterfahrung und in beiden Werken leuchtet für mich jedoch ein Mangel daran ganz deutlich auf, was nicht weiter schlimm wäre, gestünden es die Akteure, die Schreiber, ein.
Ich richte die Frage jetzt ein wenig verspätet an Sie, weil ich Sie in diese Angelegenheit für kompetent halte.
Brecht hat oft betont, er könne überhaupt nichts ohne Horaz, Shakespeare, Goethe, Villon,....zustande bringen. Ein wenig erinnert mich das an die Vorstellung, dass jeder Leser/Schreiber, indem er sich anderen als Leser zu erkennen gibt wie ein Netzknoten, ein Durchgangsrelais funktioniert.
Vielleicht ist das ja sogar die eigentliche Aufgabe jedes Menschen, durch die Kreuzung der Parallen im Unendlichen hindurch zu gehen. So wie es Kleist in seinem Text über das "Marionettentheater" beschreibt.
Andere Leute gebrauchen das Bild vom Container, oder halten sich an Bradburys schöne "Fahrenheit"-Fabel, um zu erklären, warum es so wichtig ist ein Lesegedächtnis zu entwickeln und die Verdichtung in uns vorzunehmen, es aber nicht dabei zu belassen, sondern freimütig davon wieder her zu geben, als Schriftsteller, als Blogger, als Mensch.
Mir gefällt, was "Peter Panter" mit dem Bild des "Anhängewagens" über das Plagiat sagt (www.textlog.de/tucholsky-anhaengewagen.html ) und trotzdem
bleibt ein Rest, dem Brecht mehr zu stimmen, nämlich, dass wahre Originalität, wenn man denn schon so viel über die bewundernswerte Originalität der vielen Anderen weiß, sehr, sehr schwer fällt.
Liebe Grüße
Christoph Leusch
Mein Lateinlehrer hat uns Schülern auch mal zusammengezählt, wieviele Bücher einer im Leben so lesen kann. Erschreckend wenig, auch wenns eine größere Zahl ist.
Kurz: Der Mensch bleibt dumm, wie lange auch Leben verlängert werden kann.