Adam und Eva ziehen aus

Ewig oder frei Die Vertreibung aus dem Paradies, gedacht als Geburtsstunde des freien Menschen. Eva schiebt ihren Adam durch die Edenpforte hinaus. Der strafende Gott bleibt zurück.

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Adam und Eva ziehen aus

Der Bodenseemensch, Wahlsalzburger und Bildhauer Toni Schneider-Manzell (1911-1996), schuf in dreieinhalb Jahren die Bronzetüren zum Westportal des Speyrer Domes. Dort liegen sie seit 1971 in den Angeln, zwischenzeitlich einmal restauriert, weil selbst massive Bronze an Stadtluft und Wetter leidet.

Heilsgeschichte in Bronze

Solche bronzenen Türen beziehen sich auf eine lange Tradition im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Europa. Sie sind tonnenschwer und immer teuer. Man denke nur an die Türen des Florentiner Baptisteriums, geschaffen von Lorenzo Ghiberti und seinem Vorgänger Andrea da Pontedera, gen. Pisano oder an die Bronzereliefs der Bernwardstür zu Hildesheim aus dem 10. Jahrhundert, oder an die Türen des Augsburger Domes, bei dem man die nach innen versetzten, romanischen Türblätter aus dem 11.Jh. gleich mit dem neuen, äußeren Werk Max Fallers aus dem Jahr 2000 vergleichen kann.

Noch immer ist es eine große Ehre, solch ein Portaltür gestalten zu dürfen und zugleich eine schwierige Augabe, weil die Tradition der Heilsgeschichte die Grenzen für die Interpretation setzt.

Schneider-Manzells Speyrer Türen heben sich ab. Sie sind nicht flach und filigran, auch nicht statuarisch. Es handelt sich nicht um in Blöcke und Rahmen zusammengefasste Miniaturen, die wie die elfenbeinernen Einbanddeckel der Bildhandschriften oder wie Hausaltäre des Mittelalters aus dem hellen Horn wirken. Die Figuren beherrschen die Quadratflächen und haben eine starke eigene Körperlichkeit. Andererseits treten sie nicht, wie das z.B. bei manchen antiken, römischen Reliefs der Fall ist, vollplastisch vor den Reliefgrund.

Sehr lebendig sind sie, diese Tafeln des Toni Schneider aus Manzell bei Friedrichshafen. Die Abstraktion und Vereinfachung, eine Notwendigkeit für diese Aufgabe, geht nicht so weit, die Figuren erstarren zu lassen oder sie zu reinen bildsymbolischen Fomeln zu reduzieren. Adam ist kein Drahtstift mit Penis und Eva kein ergonomisch geformter Zahnbürstenstiel.

Heilsgeschichte als menschliche, vor allem weibliche, Emanzipation vom Übergott

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Gott erschuf den Menschen, Mann und Frau, Gen 1, 27, Bronzerelief des Westportals des Speyrer Domes, von Toni Schneider-Manzell, 1971

Was aber noch mehr fasziniert, ist der erdverbundene Humor in den Tafelfeldern dieser Genesisgeschichte. Besonders gelungen in dieser Hinsicht, so sehe ich es jedenfalls, ist das bei den klassischen Motiven „Gott erschafft Adam und Eva“ und der „Austreibung“ aus dem Paradies.

Vor allem Eva steht selbstbewusst im Feld, die Linke in die Hüfte eingestemmt, während Adam ziemlich unschuldig, aber auch eher kurzsichtig, drein schaut. Sie hält den Apfel beiläufig in der Rechten. Ein wirklicher Sündapfel ist es nicht. - Fast wirkt es so, als spräche sie, über das Folgende schon lange Bescheid wissend, zu ihrem Adam: „Komm´ schon, wenn wir schon abfallen, dann aber aufrecht und mit nicht allzu viel Reue."

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Gott schickt Adam und Eva aus dem Garten Eden weg, Gen 3, 23

Die Vertreibungsszene bestätigt diesen Eindruck noch. Eher symbolisch weist die Hand Gottes den Weg aus dem Paradies. Die Schlange liegt direkt darunter ruhig im Geäst. Das ist schon der ganze, konventionelle Bildteil, der die Wiedererkennbarkeit der christlichen Ikonografie sichert.

Aber Eva legt dem Adam, der eher geschlagen wirkt und sich seitwärts fortdrückt, die Linke auf die gebeugte Schulter und schiebt ihn zum Gartentor hinaus. Sie blickt halb zurück, schnippisch, sehr selbstbewusst, den linken Arm zur Abwehr vor dem Gesicht, wie zum Zeichen, nun sei es aber Genug der Mores: „Das hast du nun davon, Herr, du ungeduldiger Gärtner, wenn du den avancierten Abkömmlingen der Biomasse allzu viele Moral predigst! Wir gehen jetzt ´mal und sind dann lange, lange, bis zum jüngsten Tag, weg.“

Nicht einmal eine Blogverwarnung gab es damals, weil das Urpaar die ewige Edeniquette verletzte, und, oh grausamer, unerbittlicher Gesetzgeber, nicht einmal ein Three strikes-Gesetz hattest du eingeführt! - Wäre Gott nur so grausam wie die Staaten Texas, Kalifornien und Washington heute, dann hätte es unter Umständen sogar für Nachwuchs im Paradies gereicht.

Herzliche Weihnachtsgrüße an die Community, die sich den „Rehab“ der besinnlichen Tage ruhig und gelassen gönnen sollte. Wer dazu immer „No, no, no“, singt, hat es, auch wenn er gut bei Stimme ist, letztlich schwer. Alles Gute für die tapfere Moderation und die Redaktion des dF, allesamt Abgefallene des Stammes Einweg, auf ganz neuen Pfaden wandelnd.

Christoph Leusch

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