Anne Will-Lobbyisten talken heimlich mit

Anonym und Akronym Die Drohnenplage herrscht bald am Rüstungshimmel, vorher landen Lobbydrohnen, unerkannt und ungenannt, auf den Talksesseln der Republik

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Anne Will-Lobbyisten talken heimlich mit

Foto: Marcel Mettelsiefen / AFP / Getty Images

Anne Will- Die Rüstungsindustrie talkt heimlich mit

Von geheimen Talk-Drohnen will Anne Will nichts wissen

Unergiebige Diskussionsrunden im deutschen TV werden meist durch uninformierte und rechercheunwillige Moderatoren und Redakteure noch befördert. Wer sich standhaft weigert, die Tätigkeitsprofile seiner Gesprächspartner offen zu legen, die doch mit den abgehandelten Themen meist etwas zu tun haben, fördert den stillen, aber effizienten Lobbyismus. Im Verteidiungshaushalt kostet der Primat der Anbieter regelmäßig Milliarden Euro extra, den teuer eingekauften, politischen Talk-Journalismus kostet es nur ein wenig Reputation. - Beides scheint weder die Bürger, noch die Politiker, noch die öffentlich- rechtlichen Anstalten sonderlich zu stören.

Moderation als Firmen-Marke

Eine jener Gespensterveranstaltungen produzierte diese Woche die Anne Will-Media GmbH. Jene, durch das öffentlich-rechtliche Fernsehen einst aufgebaute und geförderte Premium-Moderatorinnen-Marke, die nun, mit voller Zustimmung der Intendanzen, von privat angekauft wird.

Frau Will wirkt nett, adrett, sehr symphatisch und fast immer kompetent. Ihr Talk-Format gilt als einigermaßen seriös in der Sparte der Plauderrunden. Zur Verblüffung der meist routiniert gelangweilten Talkgäste, die sich spätabends auch einmal in den Sesseln lümmeln, stellt sie durchaus aufdeckende Fragen und produziert manche Anmerkung mit Hintersinn.

Ihre gewinnende Medien-Persönlichkeit, der man privat und beruflich bestimmt nie Böses unterstellen möchte und nur das Allerbeste wünscht, täuscht aber kaum darüber hinweg, dass die 75 Sendeminuten, die von der Will-Media GmbH mit 14 RedakteurInnen für 45 Termine im Jahr produziert werden, angesichts des Aufwands, besser vorbereitet und sehr viel transparenter organisiert sein müssten.

Zudem fragt man sich doch, warum die größten und ökonomisch bestausgestatteten, öffentlichen Sendeanstalten dieser Welt, einfache Moderationsleistungen nicht mit eigenen, festangestellten Mitarbeitern aus den jeweiligen Fachgebieten erbringen können, sondern sich gezwungen sehen, teure „Moderatoren-Marken“ einzukaufen.

Liefern die Hauptinhalte einer Sendung die eingeladenen Gesprächspartner, dann muss deren Interessenhintergrund dem Publikum mitgeteilt werden, denn sonst entstehen massive Verzerrungen. Bei Anne Will durfte nun bei entscheidenden Rüstungsfragen ein Lobbyist mit in die Runde, ohne dass auf die neuen Funktionen des „alten Schlachtrosses“ nach seiner Pensionierung zum "General a.D" hingewiesen wurde.

Drohnen am Himmel, weltweit, allzeit

In der Ausgabe des Talks vom 05.06.2013, drehte sich alles um Drohnen. Jene die aufklären und jene die töten. Eine irgendwie zusammengewürfelte Runde fahndete nach den letzten verbliebenen Resten der Ministerverantwortung im Verteidiungsministerium, oder aber, und das lag erstaunlicherweise im Interesse der Mehrheit der Teilnehmer, sie gab sich Mühe, die schlichte Ansicht ins dahindämmernde Abendpublikum zu tragen, dass für Minister gelten müsse, was der Volksmund im Sprichwort als allgemeine Lebensweisheit für sich reklamiert: Wer gar nichts weiß, kann auch nicht verantwortlich sein, und „Was ich nicht weiß, das macht mich nicht heiß!“

Es ging um den jüngsten Beschaffungsskandal der Bundeswehr. Die Mehrkosten oder fälligen Abschreibungen könnten für sich genommen als Petitesse durchgehen, denn derartige Verluste aus Rüstungsprojekten gelten weithin als „Peanuts“, frei nach Jürgen Koppers berüchtigtem Banker-Diktum. Fehlausgaben im Hundertmillionen-Euro-Bereich lieferten zwar den Anlass des aktuellen politischen Zwists, aber diese niedrige Summe wird allgemein als Abschlagszahlung und Lehrgeld in der Abwicklung von Milliardenprojekten verbucht.

So beschwerte sich folgerichtig der derzeitige Spitzenkandidat der Grünen, Jürgen Trittin (Minister a.D.), vornehmlich darüber, dass er als Abgeordneter nicht ausreichend eingebunden worden war, und der ehemalige Lehrer und CDU- Abgeordnete Andreas Schockenhoff, erwies sich als völlig kritikloser Heiler der „Veilchen“ seines Ministers de Maizière und bekennender Anhänger der mauschelnden Allparteien-Verteidigungspolitik, seit den Jahren unserer ersten verteidigungspolitischen Globalpolitiker der Nachkriegszeit, Schröder und Fischer.

Grundsätzlich und mehrheitlich, sind sich die Männer und Frauen des Deutschen Bundestages einig, die großen Aufklärungsdrohnen anschaffen zu wollen. Mit der zusätzlichen EU-EADS-Ausstattung, jenem System SIGINT, zur Überwachung der gesamten Telekommunikation in jedem denkbaren Einsatzgebiet oder ohne ein solches Spezialsystem, wenn es für die NATO um die Erfassung von Bodenzielen mittels Radar, Infrarot und Luftbild geht. Die Truppe will sie angeblich, die Truppe braucht die Drohnen, so heißt es. Selbst Grüne erfüllen da, wenn auch mit etwas Bauchgrummeln, ihre besondere Fürsorgepflicht.

Ein bisschen Streit, -wer weiß, ob er nur für den Wahlkampf inszeniert wurde-, gab es noch bezüglich des Ankaufs von Kampfdrohnen. Aber die Theorie dazu, nämlich in Zukunft Kriege und Militäraktionen asymetrisch und schon weit über fremden Territorien, fern der EU-Außengrenzen zu führen, teilt eine übergroße Zweidrittel-Mehrheit in der deutschen Politik und praktisch jeder industrie- und bundeswehrnahe Experte, der zu diesem Thema befragt wird.

Die Rüstungsindustrie erzeugt ihre Nachfrage selbst und bestimmt die Endpreise der Verkäufe

Durch die Parlamente praktisch unkontrolliert, stiegen die Kosten beim EADS-Militärtransporter A 400 um 7-12 Millarden Euro. Die teuren, neuen Korvetten der Marine erweisen sich nach dem Kauf als reparaturanfällig und die Besatzungen werden durch Formaldeyd-Ausgasungen mehr gefährdet, als durch ihre Einsätze. Der Fehlkauf des neuen Sturmgewehrs G 36, es kann Bundeswehrsoldaten im Einsatz nicht wirkungsvoll vor den großkalibrigen Schnellfeuerwaffen der asymetrisch kämpfenden Gegner schützen, weil seine Munition auf größere Distanz nicht genügend Durchschlagskraft entwickelt und die Waffe im Gebrauch überhitzt und unpräzise wird, bereicherten zuletzt die lange Liste der unkontrolliert teuren Rüstungsgeschäfte. - Das Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung steht nun, wegen der Sturmgewehre, zum wiederholten Mal unter Korruptionsverdacht. - Alle diese kleineren und größeren Debakel, lassen das Drohnendesaster tatsächlich klein erscheinen und den Mangel an Kontrolle als parteiübergreifend und notorisch.

Derweil schießen die Gegner am Hindukusch und in anderen, fernen Welten, in denen bekanntlich Deutschland und der Westen, Männin gegen Männin (1) zu verteidigen ist, lieber weiter mit der bewährten Kalaschnikow, mit dem alten, großkalibrigen G3 aus deutscher oder lizenzierter Produktion, sowie mit allen möglichen anderen Weltmarkt-Kleinwaffen die über einen ausreichenden Wumms verfügen.

Die Lobby - Am liebsten überall stillschweigend dabei

Die Auswahl der Einladungsgäste zu solchen Themen, sie verwundert kaum noch, weil es ganz offenbar für alle Talk-Moderatoren und ihre zuarbeitenden Redaktionen, zu allen möglichen Themen, nur eine sehr begrenzte Anzahl an befähigten Personen gibt, die medial bei ihnen auftreten dürfen. Komisch, dass bei allen Talk-Shows, mit der Ausnahme der Betroffenengeschichten, mit der Zeit nur noch bekannte Gesichter auftauchen und in Zyklen durch die Sendenächte kreiseln.

Umso trauriger, dass weder die Mitwirkung der Gäste aus Organsisationen mit Eigeninteressen, hier zum Beispiel, aus dem industriell-militärisch-administrativen Komplex, noch deren Wirken in unklaren Mischfunktionen (politischer Berater und Journalist, Michael Spreng), je in den Sendungen thematisiert wird. - So lud sich Anne Will, nein, die Marke Anne Will, Harald Kujat, den ehemaligen Generalinspekteur der Bundewehr und Ex-Vorsitzenden des NATO-Militärausschusses ein. Immer wieder flackerte das Banner „General a.D.“ unter dem Fernsehbild.

Was leider weder von der Moderatorin, noch von der Redaktion, auch nicht auf den Webseiten zur Sendung, bekannt gegeben wurde, aber gerade in diesem Zusammenhang sehr wichtig gewesen wäre: Harald Kujat arbeitet seit seiner Pensionierung im Jahre 2005 für genau die Rüstungsindustrien, die die großen Drohnensysteme und überhaupt sehr viel computerisierte Waffen- und militärische Kontrolltechnik zu den Nationen und deren Soldaten bringen möchten. Er ist der Chairman (Vorsitzende) des Beratergremiums des NCOIC.

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Die aufklärerischen Absichten des NCOIC, nach seiner Selbstdarstellung im Web. Hier mit General a.D. Harald Kujat, Zweiter von rechts.

Um sich ein wenig zu tarnen, firmieren Ex-Militärs, hochrangige ehemalige Vertreter der öffentlichen Verwaltung und der Politik, Beamte und Minister amtierender Regierungen, ganze Behörden und die zuständigen leitenden Konzernmitarbeiter der Partnerfirmen, als Mitglieder in diesem, so genannten „Not-for- profit“- Verein, Network Centric Operations Industry Consortium (NCOIC). Dort bündeln sie die Lobbyarbeit für ca. 50 der bedeutensten Rüstungsbetriebe dieser Welt, die so die Vernetzung zur Politik und zu den Medien sicherstellen möchten und die Politiker zur künftigen Militärstrategie und Ankaufpolitik bearbeiten (https://www.ncoic.org/about/roster/ ). Gerade die Drohnenproduzenten (Northrop und Raytheon), aber auch europäische Konsortien, wie EADS und Thales, sind dort besonders aktiv. Geht es um Überzeugungsarbeit und Landschaftspflege im politischen Raum, dann arbeiten die Firmen auch „non-kompetitiv“ und global zusammen.

Berater die dort wirken, sollen an entscheidender Stelle ihre politischen und administrativen Vorerfahrungen nutzen und den Lobbyismus auf feinere Art betreiben (Das ist das Schröder, Fischer, Schily, von Klaeden, Wissmann-Prinzip).

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Planungsalgorithmus des NCOIC-Netzwerks: Beraten, Beteiligen, Annehmen, Nutzen

So ist auf den Webseiten des Netzwerks selten von Waffen und Einsätzen oder detaillierten Kampfszenarien die Rede, sondern die offenen Geheimnisse verbergen sich hinter einer eigenartigen Techno-Rhetorik und viel Logistik-Jargon. Auch die Zielsetzung und Aufgabenbeschreibung klingt völlig undurchsichtig, möglichst unmilitärisch. Der Eindruck, es ginge da ums Eingemachte der Verteidigung, stellt sich zunächst gar nicht ein (https://www.ncoic.org/about/mission_vision/ ). Man glaubt, es werde eine Art klinisch reine, „schreibtischfilzgrüne“ und daher nachhaltige Sicherheits- und Netzwerk Führungstechnik vorgedacht und angeboten. - Gefühlt nie wieder Krieg, durch ein Allzeithoch für moderne Rüstungstechnik und das passende IT-Netzwerk, angepriesen in einer bewusst vernebelnden Verkaufssprache!

>>“From NCOIC members and senior government advisors, we continue to learn how to improve the world we know today. And we are overwhelmed with opportunities to see the way network-centric operations can shape the future.” USAF Lt.Gen. (Ret.) Harry Raduege, Chairman of the Deloitte Center for Cyber Innovation.<< - Fortgesetzt lernen wir die Welt verbessern, die wir heute kennen. Wir haben überwältigende Möglichkeiten, mit Network-centric operations die Zukunft zu gestalten. - Das klingt freundlich und harmlos zugleich, das klingt nach Humanität von höchster ethischer Qualität, das ist, allerdings in einem ganz anderen Sinne, die reine Wahrheit.

Was die Rüstungsindustrie will, ist auch Politik der USA

Trotzdem geht es dabei um nichts weniger, als im Sinne des US- State Departements und des Department of Homeland Security der USA, beide sind mit Unterorganisationen auch Mitglieder im exquisiten Konsortium, den „Network-centric warfare“ (Netzgestützte Kriegsführung) möglich zu machen.

Dem liegt der aktuell gültige Strategieplan des US- Verteidigungsministeriums für den IT- und aufklärungstechnisch völlig vernetzten Krieg und die umfassende militärische Kontrolle der Sicherheit im In- und Ausland, zu Kriegs-, Krisen- und Friedenszeiten zugrunde.

Mit etwas Abstand zu den allgegenwärtigen Euphemismen in dieser eigenartigen Fachsprachwelt, ergibt sich: Wir sind längst in einer permanenten, von der Anbieterseite getriebenen, Hoch- und Weiterrüstung. Die dort geforderten „Standardisierungen“, z.B. einer gemeinsamen Geschäfts- und Operativsprache, die für Außenstehende nicht sofort nachvollziehbar ist, legen die Strategie und die Taktik der Weiterentwicklung der IT-Rüstung in die Hände eines eng vernetzten, nicht demokratisch gewählten und extrem industrienahen Gremiums, das auf allen Ebenen längst über den direkten Zugang zu den politischen und militärischen Entscheidern verfügt.

Die dort engagierten Firmen wirken über ihre Berater, die ihr Insiderwissen nutzen, um die schnell wechselnden, entscheidenden Regierungsvertreter und die unwissenden parlamenrarischen Verteidigungspolitiker zu manipulieren und die enge Vernetzung von Militär, Politik und Industrie sicher zu stellen. - So, wie es 2010 im Bericht der Weise- Kommission stand, plant es nun auch der gegenwärtige Verteidigungsminister.

Rüstungsindustrie, militärnahe Forschung, ehemalige Militärs, aktive Soldaten und Regierungsvertreter bilden ein gemeinsames, enges Netzwerk der Wissenden und der Entscheidungsträger, deren aktives Handeln von der Industrie koordiniert wird. Gegenseitige Kontrolle der Instanzen ist da nahezu ausgeschlossen.

Unter anderem wirbt das Konsortium für eine militärisch kontrollierte, rund um die Uhr- Erfassung der Telekommunikation von Ländern und Regionen in Kriegs- und in Friedenszeiten (!), ganz nach Bedarf und Lage. Es setzt sich für die Standardisierung der militärtechnischen Produkte nach US-Vorbild im Rahmen der NATO ein, um die Interoperabilität (die System- und grenzüberschreitende Einsatzfähigkeit in allen nur denkbaren Szenarien) zu sichern. Die Lobbyisten bereiten die Einführung weiterer hochtechnologischer Systeme mit langer Entwicklungszeit und hohen Entwicklungskosten vor, mit denen die Überwachungen und Waffeneinsätze jederzeit und an allen denkbaren Orten möglich werden.

Eine effiziente Kontrolle der Kosten und der Notwendigkeiten neuer Rüstungen, das wurde aus den Statements der parlamentarischen Verteidigungspolitiker und des Lobbyisten Kujat deutlich, wird es mit keiner Partei im Deutschen Bundestag geben, die reale Aussichten auf Regierungsverantwortung hat.

Christoph Leusch

(1) Vereinbar mit dem neuen „Dude(n)“-Uni-Leipzig Deutsch

Überblick zu den NCOIC-Aktivitäten und Strukturen:

http://www.ndia.org/Divisions/Divisions/SystemsEngineering/Documents/Past%20Meetings/Division%20Meeting%20-%20June%202010/NCOIC_General_Presentation_04June2010r1.pdf

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