Wir sind in einen Informationskrieg verwickelt. Tatsächlich sind private Medien, ganz besonders Kulturprogramme, oft kontraproduktiv zu dem, was wir als Amerikaner wirklich sind und was unsere Werte ausmacht.“ Hillary Clinton hielt sich 2011 vor dem Senatskomitee für Außenbeziehungen nicht zurück. Gerade sollten wieder einmal Dollarmillionen für die öffentlich-rechtlichen Sender aus dem US-Haushalt gestrichen werden. Dabei erhält NPR, National Public Radio, das öffentliche Radio der USA, gerade einmal 180 Millionen Dollar jährlich aus der Staatskasse, und das, obwohl jede Woche mindestens 35 Millionen US- Bürger, vor allem junge und gebildete, das Angebot intensiv nutzen.
Andererseits wird in den Vereinigten Staaten wie in kaum einem anderen westlichen Land die Kultur- und Mediennutzung der breiten Bevölkerung von privaten Industrien und deren Angebotsstruktur bestimmt. Die chartfähige und massentaugliche Kultur, das Infotainment, bestimmen die großen Fernseh- und Radio-Networks, Hollywood und die Musikindustrie. Blickt die restliche Welt auf die US-Medienkultur, dann glotzt sie die Serien der Networks, sieht und hört CNN, Fox News oder ABC, sieht, hört, beschreibt und sendet die allfälligen Media-Awards, von den Oscars bis zu den Grammys. Die Medien außerhalb der USA fördern damit den einseitigen Blick; das breite Publikum beschwert sich nicht – das andere Amerika bleibt unbekannt. Schade.
Zur Historie: Die US-Radio- und Fernsehlandschaft wurde erst nachträglich und zögerlich ein bisschen öffentlich-rechtlich. Sonst herrschte, wie traditionell bei der Presse des Landes, das freie Unternehmertum. 1926 gab es, neben 15.000 Amateurfunkern, bereits 536 private Radiostationen. Sie mussten sich die raren Frequenzen mit dem Schiffs- und dem technischen Funk teilen. Es fehlten freie Sendeplätze und eine geeignete Rechtsgrundlage.
Während der Ära Franklin D. Roosevelts, in den 30er Jahren, stellte sich die Systemfrage. Wie können uferlose Unterhaltung, endlos lange Werbung, viel Sport, Kriminalstorys und Gesellschaftsklatsch aus der Massenproduktion der Networks (AT & T, ABC, CBS, Fox – ehemals DuMont–, NBC) durch Bildung, Kultur und Wissen ergänzt werden? Eine breitere, gebildete Mittelschicht stellte nun Forderungen. Die Bürgerrechtsgesellschaft nutzte die neuen, billigen, überall verfügbaren Möglichkeiten, die vor allem das Radio bot. College-Radios und lokale Kleinstsender bildeten den Urkern dessen, was erst seit 1967, mittels Lyndon B. Johnsons Public Broadcasting Act, gewissen Bestandsschutz genießt und heute NPR ausmacht. Seit seiner Entstehung wird das öffentliche Programm von der privaten Medienindustrie und von konservativen Politikern angefeindet. Man hält NPR und Konsorten für homosexuell unterwandert, feministisch, antidiskriminatorisch, intellektuell – was es offenbar besonders hassenswert macht – und für allzu offen gegenüber der Wissenschaft und jeder Art fremder Künste und Kulturtechniken. Eine gute Sache also.
1.300 Stationen
Ronald Reagan startete einen letzten Versuch, dem öffentlichen Rundfunk das Licht auszublasen, und ausgerechnet der Demokrat Bill Clinton unterzeichnete 1996 jenen Telecommunications Act, der die Absicht beinahe vollendet hätte. Das neoliberale Machwerk erlaubte einem einzigen Eigentümer den Besitz mehrerer Medieneinheiten und unterschiedlicher Kommunikationskanäle. Der Telecommunications Act richtete sich klar gegen die kleinen, unabhängigen und öffentlichen Radios und das rechtliche Modell des NPR. NPR, ursprünglich ein erzieherisches und sehr sprachlastiges nationales Programm, entstand unter diesen schlechten Bedingungen. Trotzdem sammelte es, nach und nach, ein lokales Radio nach dem anderen ein. Heute sind von 1300 nichtkommerziellen, öffentlichen und unabhängigen Sendern mehr als 900 über NPR miteinander verbunden.
Ein Flickenteppich innovativer Kleinsender produziert für den nationalen Syndikus Einzelbeiträge und ganze Sendeformate und erhält im Gegenzug eine Programmauswahl der anderen Bündnispartner, die nie und nimmer vor Ort entwickelt, geschweige denn finanziert werden könnten. Wer stimmberechtigtes Mitglied der NPR- Familie werden will, der muss mindestens fünf Vollzeitmitarbeiter beschäftigen und für 18 Stunden am Tag ein Programm anbieten.
NPR sammelt akademische, wirtschaftliche und philanthropische Sponsoren und beteiligt sich selbst an großen und kleinen, alternativen Kulturereignissen. Was 1971 klein begann und 1983 knapp der Pleite entging, ist heute für Politik und Kultur ein wesentlicher Fixpunkt der anderen Vereinigten Staaten. Selbst diejenigen Netzwerke und unabhängigen Sender, die ohne die Hilfe von NPR produzieren, zum Beispiel PRI, Public Radio International, oder das famose Democracy Now! von Pacifica Radio, tauschen mittlerweile ihre Formate mit dem kleinen Riesen, der von Alaska bis New Mexico, von New York bis Mendocino Politik, Wissen und Kultur unter die Leute bringt. Es ist unmöglich, alle Sender und Programme vorzustellen. Zum Einstieg lohnt es sich, weil es leicht zugänglich ist und viel Freude bereitet, das jüngste Kind des Netzwerks, NPR Music, gegründet 2007, zu besichtigen.
Es gibt praktisch keine ideologischen Grenzen für die Moderatoren, Gastgeber und Organisatoren dieses öffentlichen Musiksenders. Einzig auf den Qualitätsanspruch wird dort niemals verzichtet. Dem Glücksfall Internet sei es gedankt. Die ganze Welt kann heute mithören, zusehen und mitlesen. Einfach npr.org/music oder auch nur „NPR music“ in die Suchmaske des eigenen Webzugangs eingeben und stöbern, oder direkt aus den Podcasts auswählen (nprpods.habilis.net/) oder die Partnersenderliste auf NPR abklappern – glauben Sie mir, ich weiß, was ich empfehle! Die anderen USA reichen vom Vergnügen, die großartige, selbstironische Bluegrass-Musikerin und Songwriterin Brandi Carlile in der Wits Game Show kennenzulernen, bis zum höchst seriösen From the Top, einem Klassikprogramm, das sich ganz der musikalischen Nachwuchsförderung verschrieben hat. World Cafe richtet, naturgemäß, den Blick auf die ganze Welt, und All Songs Considered stellt nicht nur die besten Songs und Musiker vor, sondern erklärt auch deren Hintergründe, Motive und Bezüge und hat ein Herz für die nationale Musikgeschichte.
Bob Boilen zum Beispiel
Gerade dagegen wird von kommerziellen Medienleuten immer wieder mit beißendem Spott vorgegangen: „Quatscht nicht so viel, spielt gefälligst die Charts, die hören alle, die sollen und wollen alle kaufen!“ NPR und seine Partner mit den vielen seltsamen Regionalkennzeichen und Eigennamen (KEXP, KEEP, KUSP, KCRW, PQ2-WQXR, opbmusic.org, Moca, 99percentinvisible.org, radiolab.org und so weiter) verweigern sich dieser Forderung aber beharrlich. Das nationale Radio ermutigt, fördert und sendet, vom unabhängigen Festival bis zur gewagten Kunstperformance alles, was sich nicht nach Discount und Industrieware anhört oder so aussieht. KEXP kennen Fans von Independent-Musik vielleicht schon, speziell die Full Performances, kleine Studiokonzerte, die an das Prinzip MTV unplugged oder auch an John Peel erinnern. Man kann dort Entdeckungen machen oder bekannten Acts wie Jon Spencer Blues Explosion über die Schultern schauen.
NPR Music verfügt über charismatische Moderatoren und Programmmacher. Derzeit ist vielleicht Bob Boilen der bekannteste Name aus der Riege der gut ausgebildeten und oft selbst musizierenden Redakteure und Programmverantwortlichen. Boilen ist ein öffentlich-rechtliches Urgewächs und hat die Musiksparte des Senders mit aufgebaut. Besonders seinen Tiny-Desk-Minikonzerten (9 bis 18 Minuten), bei denen hinter und manchmal auch auf seinem Redaktionsschreibtisch in einem sonst unspektakulären Großraumbüro des Hauptsenders live performt wird, merkt man an, wie sehr die Künstler sich geehrt fühlen, eingeladen zu sein. Weil es außer der minimalistischen Studioausstattung wenige Grenzen gibt, spielen dort klassische Musiker wie der Cellist Yo-Yo Ma Crossover, singt der fantastische Männerchor Cantus aus Minnesota a cappella die Werke deutscher und englischer Komponisten oder berührt die britische Soulsängerin Laura Mvula, der aktuelle Exportschlager Birminghams, mit ihren Eigenkompositionen. Hört, hört!
Kommentare 17
Schön zu wissen, dass es eine so gut organisierte mediale Gegenöffentlichkeit gibt.
Von KEXP hatte ich letztens erst auf youtube ein paar Sessions von Howe Gelb @ Pickathon 2013 gesehen.Die inoffizielle Seite der USA quasi.
NPR pflegt tatsächlich eine andere, vielleicht uns deutschen Europäern, jenen die den der Freitag und andere Medien lesen, Arte und 3sat sehen und ein paar brauchbare ö.r. Rundfunkprogramme hören, vertraute Multikultur, Paolo Leisure.
Die oben erwähnte Brandi Carlile wirbt z. B. für das Recht homosexueller Paare zur gleichberechtigten Eheschließung im US- Bundesstaat Washington auf KEXP. KEXP- Programme werden über den Syndikus NPR landesweit verbreitet. Kleine Partnerradios können sowohl das Carlile-Minikonzert, als auch ihre politische Ansichten kennenlernen ( http://www.youtube.com/watch?v=cReYlE8XHVc ).
Übrigens speist NPR auch BBC -World und News- Programme ein, die immer noch im Nachrichten und Feature- Format den Standard der Möglichkeiten setzen.
Der Kontrast zu Deutschland, das, je nach Berechnung, 7,5- 8,5 Milliarden Euro jährlich für seine öffentlich- rechtlichen Sendungen aufwendet (Weltmeister im Geldausgeben!) und damit doch weitestgehend ein staats- und regierungsfrommes, sowie Mainstream- kulturelles Programm gestaltet, fällt besonders deutlich aus.
Und es bleibt ja nicht bei der Bluegrass- und Singer- Songwriter- Kultur. NPR wagt, mit sehr bescheidenen Mitteln, sowohl kulturell als auch in den politischen Formaten, ein Kontrastprogramm mit dem mickrigen Staatsgeld und den Sponsorengeldern oder zuletzt einigen großen, privaten Schenkungen.
Dass das absolute Gegenformat "Democracy Now" so weit verbreitetet wird, das ist auch das Verdienst dieses öffentlichen Netzwerks.
NPR unterstützt, wie der grandiose WDR- Hörfunk und die BBC, neue und experimentelle Musik. Man kann dazu in den Staaten gar eine Promotion schreiben:
http://academiccommons.columbia.edu/catalog/ac%3A147608
Das geschieht sogar schon viel länger, als es das hier vorgestellte, eigenständige Musikprogramm des US-Senders gibt.
Europäer werden sich heimisch fühlen und begreifen, wie sehr auch in den USA eine starke Gegenkultur und Gegenöffentlichkeit entwickelt ist und sich kulturell, wie politisch, einbringt.
Derzeit haben aber, wie bei uns, die anderen, die großkoalitionär Denkenden und Einheitsbrei meinenenden Leute, die, die als große und absolute Mehrheit gelten, das Sagen.
Darunter leiden aber die klugen Leute drüben, wie wir hierzulande. Wenigstens das lässt doch hoffen?
Beste Grüße
Christoph Leusch
Die sind wahrlich gut sortiert und geschickt, weil sich viele kleine und sehr kleine Sender gegenseitig helfen. - Ich konnte ja hier nur die Musik- Sparte ein wenig beleuchten. Aber vielleicht helften ja noch ein paar Hinweise zu anderen Bereichen?
Da gibt es z. B. die extrem witzige und kluge 99% Invisible, die erfrischend andere Seite des Designs und der materiellen Kreativität, mit Roman Mars. Radioexcursionen und Bildmaterial zu Arts and Crafts, vom Faustkeil bis IKEA.
http://99percentinvisible.org/,
Oder das Radio- Wissenschaftsmagazin mit NPR- Anschluss, radiolab.org.:
Was passiert z.B., wenn ein New Yorker Philosophie Professor ein völlig erfolgloses Buch über philosophischen Nihilismus schreibt und der „Dust of the planet“ dann überall im Film und in der Mode auftaucht (http://www.radiolab.org/story/dust-planet/ ).
Usw.
Ich hoffe, auch Ch.Paffen und Jörn Giest entdecken da noch ein wenig mehr vom anderen Geist, der auch jenseits des Atlantiks kreative und starke Geister vorzuweisen hat, die, man höre und staune, vom öffentlich- rechtlichen Kanal gefördert und verbreitet werden.
Jörn Giest (s.u.) ist vielleicht ein wenig zu streng in seiner Pauschalkritik. Denn NPR und seine Partner werden massiv von konservativen und Mainstream- Kreisen angefeindet, weil dort eben Chomsky und Co. diskutiert werden und nicht als Extremisten gelten.
Vielleicht hat er auch meine Ansicht, die sich zunächst einmal auf das Musikprogramm von NPR bezog, zu sehr verallgemeinert.
Es bleibe die Gegenfrage, ob nicht bei uns Kommunist und Sozialist mittlerweile Nischen- und auch Unworte geworden sind? Die Entdifferenzierung wird vom höchsten Staatsamt und der mächtigsten Politikerin der Welt in diesem, unseren Christenlande, gehegt und gepflegt und artig von 955 der Presse nachgekaut, als seien es die neuen 10 Gebote aus dem Munde unseres höheren Wesens, das wir (ich nicht) verehren.
Beste Grüße und Dank an alle, für die medial bedingten Trockenblumen
Christoph Leusch
95% der Presse. C.L.
Das klingt ermutigend, ich hoffe, dass diese Störsender die Schlagkraft entwickelt, um das neoliberale Medienkartel in den USA anzugreifen.
Momentan scheinen mit die USA eher das Musterbeispiel zu sein, wie ein Land trotz Meinungsfreiheit zu einer postdemokratischen Plutokratie degeneriert.
Thnx a lot. Sehr schöner Beitrag. Ich höre oft RadioParadise from California, die haben auch ein Forum, wo es 2013 längere Diskussionen gab wie "liberal" NPR sei. Interessant, dass 2010 die Witwe von der Bullettenbude Mackie, 205 Millionen Dollar spendete, die größte Zuwendung an Medien in den USA. Deckte den Bedarf auch nur für zwei Jahre, aber wurde sicher gut verwendet. 2008 stand die ganze Chose NPR kurz vor der Pleite und dem Zusammenbruch und wurde mit einer breiten Spendenkampagne und auch öffentlichen Mitteln gerettet.
Mit dem Internet kommen auch Bilder über den großen Teich.
Die Sendung Last Week Tonight with John Oliver: Civil Forfeiture (HBO) zum Beispiel zeigt wie der amerikanische Staat Geld einsammelt, dass normale Menschen bei sich tragen, aber es wird einfach beschlagnahmt, bis sie bewiesen haben, wo es herkommt. Ein Tip von Fefe, der auf diese Sendungen eines privaten Anbieters hinwies, der sonst nichts kostenfrei zeigt.
private Zuwendung an Medien
Wichtig ist die Wahrnehmung dieser vollkommen anderen kritischen und unabhängigen Berichterstattung, die sich weitestgehend durch Unterstützung ihrer Höhrerinnen / Zuschauerinnen ... finanziert. Neben den unterschiedlichen regional ausgerichteten National Public Radio (NPR) findet sich dieser Ansatz auch im tv wieder. Nicht zu vergessen "Democracy Now!" , das im livestream auch für uns einen extrem hohen Informationswert hat - sowohl us-amerikanisch innenpolitisch als auch im internationalen Kontext.
Diese Form unabhängiger kritischer Berichterstattung wäre im übrigen für uns ein absolutes highlight, das die öffentlich-rechtlichen leider nicht - oder nur
zu selten - zu bieten in der Lage sind (->http://www.democracynow.org)
Da haben Sie nun Recht. Die Systemfrage kann aber weder das bescheiden ausgestattete ö.-r. Medium in den USA beantworten, noch finden derzeit Kommunisten auf dieser Welt noch allzu viel Gehör. Vor allem wenn man darunter versteht, gewaltfrei, ohne Zwang, mit dem "besseren" Argument und einer klugen Taktik Politik zu machen.
Ich würde auch ungern das Kind mit dem Bade ausschütten wollen und der deutschen oder europäischen Linken "vulgären Antikapitalismus" seit Ende des 2. WK unterstellen wollen. Gerade der Eurokommunismus hatte immer auch sehr kapitalbewusste Ansichten vertreten, war jedoch immer an der Schwelle zur Verantwortung abgefangen oder verhindert worden.
Etatismus ist zwar bei vielen linken Strömungen verbreitet, aber doch nicht deren Hauptmerkmal.
Eine viel tragfähigere und auch mit Vorurteilen aufladbare Form ist der Antietatismus in Europa und in den USA, der sich den Staat letztlich nur in zwei Formen stark vorstellen kann: Als Ordnungs- und Sicherheitsstaat zum Schutze des Eigentums und Kapitals und als militärisch starker Staat, der die "Interessen" der eigenen Kapitalbesitzerschicht auch exterritorial durchsetzen und schützen kann.
Ich mag Ihnen nicht folgen, was die "Umerziehung" nach dem 2.WK angeht.
Die fand nämlich, im Gegensatz zur realen Entwicklung, hauptsächlich entlang der idealistischen und fortschrittlichen Motive der Grundrechte, der Kulturentwicklung, des Wissen, der Presse- und Meinungsfreiheit, usw. statt. - Die "Reeducation" war gedacht, als Wiedereingliederung Deutschlands in die Welt der zivilisierten Nationen.
Hier in Mainz, meiner Heimat, zeugt noch die Gründungsgeschichte der Wissenschafts- und Literaturakademie vom damaligen ideeellen Ansatz.
Die "Wieder- oder Neuerzieher", darunter viele "Commies", dachten in der großen Mehrheit eher links und eher antikapitalistisch. Erst nach Jahren setzte sich der vereinte Widerwille des allgemeinen Volkes und damit die kapitalistische Maxime, entscheidend ist, was hinten an Profit herauskommt, flächendeckend durch.
Gerade für die Medien, Presse und Rundfunk gilt, dass sie in fast allen westlichen Gesellschaften lange Rückzugsräume für eher linke Ansichten blieben (Mega- Beispiel BBC), bevor sich die konservativen Säuberer auf die Jagd in den Funkhäusern begaben. - Die Geschichte des Rundfunks ist lange Jahre eine linke Geschichte.
Erst Mitte der 80er Jahre war Schluss und die einzige kulturelle Wende, die die Kohl CDU/CSU und die mediokre SPD gemeinsam schafften, war die Kontrolle der ö.r. Anstalten, in denen sie weitestgehend, mit dem Prinzip der sogenannten "Ausgewogenheit" eine jeweils Regierungs- und Parteienpolitik- konfome Medienlandschaft gestalten konnten.
Selbst die kleinsten Posten in den Landesmedienanstalten wurden nach Parteienproporz besetzt und unabhängige, kritische Journalisten aus der Programmverantwortung gedrängt. Die durften weiterhin als Fußvolk in der Produktion schuften, aber sie hatten nichts mehr zu sagen.
Umso erstaunlicher, dass ausgerechnet der finanziell ewig schwächelnde NPR- und Independent- Rundfunk der USA, sich mehr Anspruch und mehr Kritik im Tagesprogramm leistet, als jede solche "Anstalt" hierzulande! - Dort wirkt das Prinzip Pressefreiheit und Meinungsfreiheit noch erstaunlich gut, entlang jener hehren Ideale, die die englischen, amerikanischen und aus dem Exil zurückgekehrten Mitbegründer des Nachkriegsrundfunks hier wieder "einpflanzen" wollten.
Nun kommt der große Sprung:
Deutsche, wir, so mein Eindruck, kommen mit Autorität besser klar und haben leider auch an unsere Medien durchaus nicht mehrheitlich antiautoritäre Ansprüche.
Wir wollen zwar Meinungen, aber die sollen bitteschön harmonisch zusammenfallen und Kritik, "ernsthafte" Kritik, nicht die Freiraum Kritik des "Überbrettls", verstört gemeine Bürger sehr.
Nicht anders ist die Kluft zu erklären, dass unter intelligenten und gebildeten Menschen linkes Denken durchaus noch überproportional zu finden ist, aber in den anderen Schichten ein bemerkenswert entpolitisiertes und unbarmherzig- voluntaristisches Denken um sich greift, das extrem gut zum uneingeschränkten, nicht eingehegten Kapitalismus passt.
Beste Grüße
Christoph Leusch
PS: Nur einmal ein aktueller Fall von zu sehr ausgeprägtem Voluntarismus aus der dFC, bezogen auf den dF.
Gerade wird wieder eine Forderung gestellt, die ausgerechnet vom kleinen Blatt schwer zu erfüllen ist: Schreibt Nachrufe und diese möglichst auch noch besonders inhaltsreich!
Abgesehen davon, dass dies ein Randgeschäft ist, dazu auch verlangte, ein Nachrufer (m/w) kennte sich aus und die kleine Redaktion besäße da die nötige Frauen -und Männerpower, ist das in allen Presseorganen Deutschlands eher eine schlecht ausgefüllte Aufgabe. Die eigentliche Tradition dazu ist britisch.
Ja, von Radio Paradise aus gesehen, ist NPR nicht der Gipfel des kritischen Denkens in den USA. Aber, NPR verbreitet die "Radikalen", diskutiert sie, moderiert sie an und verweist. - Ein Vergleich mit dem selbstverliebten und zigmal besser ausgestatteten ö.r. Rundfunk hierzulande, die eigentlich nur sich selbst und den Schrott der Privaten fördern, belegt unser Elend.
Gefälligkeitsradio und wenig TV oder Podcasting mit Videoinhalten gibt es bei den meisten der 1300 Public radios nicht. Das aber, ist hier bei uns der Hauptstrang.
NPR und Co. produzieren auch ansehnliche Bilder, die über das Netz verbreitet werden. Sehr witzig z.B. die Wits- Show mit John Moe. Oder Konzertmitschnitte und Experimente: So Percussion und Eli Keszler (Komponist und "Trommler") hören die Manhattan Bridge ab. NPR kommissionierte und unterstützte mit der Ausstrahlung Q2 music des WQXR aus New York ("Q2 Music is WQXR’s online music station devoted to dynamic contemporary classical music, trailblazing ensembles and vibrant, live performances from New York City's leading new-music venues), http://www.npr.org/event/music/201174683/eli-keszler-so-percussion-making-the-manhattan-bridge-roar-and-sing
Noch eine gute Karte, die die Verbreitung des Public radios zeigt:
>>Map: The Nation's Public Radio Stations A rainbow network of broadcasts fills America's cities and frontiers.<< aus: The Atlantic, mit einem kleinen Erklärtext von Robinson Meyer.
http://www.theatlantic.com/technology/archive/2013/11/map-the-nations-public-radio-stations/281716/
Es gibt natürlich mehr als nur NPR und Co. und auch private Kommerzielle können gute Programme machen. Aber die Wage schlägt da eben meist anders aus.
Gutes WE
Christoph Leusch
That´s the way it should be! Thanks. Christoph Leusch
Ich teile ihre Einschätzung.
Die USA sind der Dreh- und Angelpunkt fast aller politischen Ausrichtungen, die von unseren Volksvertetern und Regierenden in einer übergroßen GroKo, sie reicht weit über das Regierungslager hinaus, getroffen werden.
Das gilt seit Jahrzehnten, mit nur wenigen Ausnahmen.
Sogar, ob es mehr soziale Verantwortung oder weniger, mehr oder weniger Privatisierung, mehr oder weniger Herrschaft des sogenannten freien Finanz- und Wirtschaftshandels gibt, stammt als Welle, Mode, angeblich wissenschaftliche Leitschiene, die viel eher eine Ideologie ist,- immer mit ein wenig zeitlichem Versatz-, aus dem weitgehend geheimen Land der deutschen Träume, in dem so viel ganz offen zutage tritt.
Gleiches gilt für alle industriealisierbaren Künste und Gewerke.
Dafür ist das kulturelle Image des mächtigsten Landes der Erde und sind die Ansichten über dessen Bürger extrem undifferenziert und einseitig. - Die Independent/Public- Radios, aber auch viele nonkonforme und bürgernahe Webseiten, Publikationen und Insitutionen die ein anderes Bild liefern könnten, werden von unseren Massenmedien nicht aufgegriffen und nicht vorgestellt. Dank dem WWW, besteht zumindest eine Möglichkeit, mehr davon kennenzulernen.
Ich schrieb schon mehrfach, dass die USA einerseits wohl die blutigsten und ungerechtesten Kriege nach dem 2. Weltkrieg führten, aber eben auch die Widerstände dagegen vor allem aus dem Land selbst kamen.
Dass die Diskriminierung und Ungerechtigkeit in den USA eine Tatsache ist, aber auch ein breiter Strom an Bürgern dagegen angeht. Dass zuletzt die Krake der Geheimdienste und die Herrschaft der größten privaten Datensammelmaschinen uns beunruhigen müsste, aber die tatkräftigsten und bekanntesten Gegenspieler, einschließlich der Wistleblower und Journalisten, aus den Staaten selbst kommen oder aus den angelsächsischen Ländern, die sich für die treue Gefolgschaft mit den USA lange schon entschieden haben.
Selbst die ganze EU schielt nach Amerika. Praktisch nichts wird eigenständig, selbstbewusst und mit einer eigenen Planung in die Wege geleitet.
Bookcrossing ist eine tolle Sache. Ich werde mir nun einmal meine Bücher anschauen und überlegen, was davon auf eine Reise um die Welt gehen könnte. - Vor einiger Zeit gab es hier in der dFC recht viel Diskussion um die Aufgaben von Herausgebern und Verlegern. Damals fiel mir der Begriff des "Hergebers" ein. Viele soziale und politische Aktivitäten im Web spiegeln solche privaten Hergeberschaften.
Die andere Medaille, auch hierin bin ich mit Ihnen einig, ist das Verhältnis zu Russland und die Einschätzung der Menschen dort.- Vielmehr das Nicht- Verhältnis, entgegen der üblichen Floskeln der Freundschaft und Aufgeschlossenheit, selbst in den Zeiten, in denen keine Konflikte besonders hinderlich auf den offiziellen Beziehungen lasteten, fällt doch sofort auf. Was wissen wir von unserem größten euro- asiatischen Nachbarland? Zu wenig!
Auch kulturell hat das verheerende Auswirkungen, weil es die die angesammelten Kenntnisse und dass Wissen von Millionen deutscher Bürger, besonders im ehemaligen Osten, entwertet. Wann sehen wir z.B. russische und andere osteuropäische Filme (das ist vielleicht nur in Berlin kein Problem)? Was erfahren wir von den Wissenschaften und Künsten in diesen Ländern wirklich? Wer lässt Russen und andere Osteuropäer zu uns sprechen? - Die Riege der Moderatoren der Anstalten, die sich selbst mit Russland- Reisen, über die sie dann im TV berichten, belohnen, macht das ebenso wenig, wie der Pressejournalismus, der sich mit aufwendigen und vor allem, zunächts einmal schlicht beobachtenden und begleitenden Reportagen, sehr, sehr schwer tut und lieber in den gestanzten Formeln des Meinungsjournalismus dahin tippt und redet. - So muss der "irre Iwan" wie der kulturell "dumme" Amerikaner (m/w/nn) seit langem die Vorurteile bestätigen.
Das läuft leider ohne viel Widerspruch. - Das alles geschieht, im Volk der Dichter und Denker, der Chemiker und Maschinenbauer, der angeblich bestgebildeten Nation der westlichen Welt. Das alles geschieht im Lande der Wirtschafts-, Kultureinrichtungs- und Fußball- Weltmeister. (;-))
Schönen Sonntag
Christoph Leusch
Ja, an der vermaledeiten Babylon- Strafe der Menschheit leide ich, TLacuache.
Umso wichtiger sind Übersetzer von Gnaden.
Meine Spanischkenntnisse reichen aus, ein paar Überschriften zu verstehen und mit Mühe den Inhalt von sachlichen und wissenschaftlichen Artikeln aufzufassen.
In Mexiko bahnt sich Schlimmes an. Der Polizei- und Gangster- Massenmord an den Lehrerstudenten deutet auf den Staatsverfall dort hin.
Wenn das nun keine Zäsur darstellt und die Zivilgesellschaft landesweit endlich mobilisiert, droht dem Land der Zustand eines gescheiterten Staates.
Die Macherin von "Aristegui" wird doch von CNN unterstützt und versendet?- Man sieht, auch in den Filialen von Weltkonzernen des Nachrichtenwesens gibt es noch ein paar Freiräume.
Ansonsten, vielen Dank für die digitalen Blumen.
In der Hoffnung, Sie leisten weiterhin und bei Gelegenheit ein wenig Übersetzerhilfe, indem Sie einfach berichten
Ihr
Christoph Leusch
Solche Hinweise braucht es dann. Es gibt eben auch ein anderes Mexiko. - Ulkig, dabei fallen mir immer Eisenstein, Kisch, die Seghers und Don Carlos Fuentes, selig, ein, obwohl das Schnee von uralter Qualität ist.
Genau! Weiter, weiter
Christoph Leusch
Ich wollte auch nur auf die Diskussion hinweisen die in den USA über diesen Bereich NPR aufkam. Radio Paradise ist mit Sicherheit nicht so politisch aufgestellt, sie sind aber stark auf ihre Zuhörerschaft eingestellt, sind werbefrei und sind sehr aktiv, wenn die Gebührenschrauben der Content-Mafia ihnen die Luft abdrücken.
Danke sehr für die Tips.
Danke für den beitrag. ich bin eine große Anhängerin von "Democracy Now". Die rufen ja auch auf , Stationen außerhalb der USA zu betreiben.
Ohne solche Formate hätten die Grünen oder Grassroot-Bewegungen kaum Chancen auf mediale Öffentlichkeit.