Beachtliche Naturen-Für Mäuse und Menschen I

Mäuse und Menschen Osterspaziergang mit Robert Burns: Der Freigeist und Nationaldichter kommt in "To a Mouse", für die Sozialunion Mensch-Natur, ohne Gott und Schöpferkrone aus.

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Beachtliche Naturen, „To a Mouse“ (Robert Burns)

(Of mice and men)

Es naht die Zeit der Osterspaziergänge. Das Eis gab nun schon länger die Bäche wieder frei. Noch kleben ein paar Firnreste in Schattenreichen, nordwärts.

Das Frühjahr liefert, neben der jährlichen Erntezeit, das passende Datum um über die Natur, die des Menschen eingeschlossen, und das Natürliche nachzudenken. Wie ein Naturmensch zivilisiert Kulturmensch wird, es sein und bleiben kann, das lebte Robbie (Rabbie) Burns vor und schrieb es auf, einschließlich Rauferei, der Kabalen und Lieben und des Widerspruchsgeistes.

Der Nationaldichter Schottlands erschloss Kreise, die heute erst einmal wieder gefunden werden müssen.

Wer bei dem folgenden Gedicht an John Steinbeck, „Of mice and men“ (1932), an Sidney Sheldons, „The best laid plans“ (1997; das ist der TV-Drehbuchautor der „Bezaubernden Jeannie“) und Bertolt Brecht, „Das Lied von der Unzulänglichkeit des Strebens“ ( („Ja, mach´ nur eine Plan,...“, www.youtube.com/watch?v=WENkquBHchM ) aus der Dreigroschenoper denkt, liegt garantiert nicht falsch mit Bezügen und Vergleichen.

In Brechts Lied spielen auch Läuse ein Rolle. Für ein Exemplar, das auf dem Hut einer feinen Dame tanzt und nach deren Blut wie nach dem der armen Kirchgänger lechzt, schrieb Robert Burns sein ebenso berühmtes Gedicht, „To a Louse“.

Die Jamben Burns kosteten mich tagelange Freizeitmühe, müsste ich sie passend ins Deutsche bringen. Daher Verzeihung, wenn es hier bei einer prosaischen Übersetzung bleiben musste. An einigen Stellen weicht mein Versuch auch semantisch ein wenig von der Standard-English-Übersetzung ab, um hoffentlich noch ein wenig besser an das zu gleichen Teilen von der schottischen Aufklärung, wie von der Frühromantik geprägte Naturverständnis des Dichters heran zu kommen. - Das Gedicht ist durchaus programmatisch aktuell, und wider so einige, ganz einfache Naturlehren, die sich in sprichwörtlicher Wurstigkeit links und rechts des Kudamms Bahn brechen.

Robert Burns

"To a Mouse, on Turning Her Up in Her Nest with the Plough"

(1795)

Wee, sleekit, cow'rin, tim'rous beastie,
O, what a panic's in thy breastie!
Thou need na start awa sae hasty
Wi bickering brattle!
I wad be laith to rin an' chase thee,
Wi' murdering pattle.

I'm truly sorry man's dominion
Has broken Nature's social union,
An' justifies that ill opinion
Which makes thee startle
At me, thy poor, earth born companion
An' fellow mortal!

I doubt na, whyles, but thou may thieve;
What then? poor beastie, thou maun live!
A daimen icker in a thrave
'S a sma' request;
I'll get a blessin wi' the lave,
An' never miss't.

Thy wee-bit housie, too, in ruin!
It's silly wa's the win's are strewin!
An' naething, now, to big a new ane,
O' foggage green!
An' bleak December's win's ensuin,
Baith snell an' keen!

Thou saw the fields laid bare an' waste,
An' weary winter comin fast,
An' cozie here, beneath the blast,
Thou thought to dwell,
Till crash! the cruel coulter past
Out thro' thy cell.

That wee bit heap o' leaves an' stibble,
Has cost thee monie a weary nibble!
Now thou's turned out, for a' thy trouble,
But house or hald,
To thole the winter's sleety dribble,
An' cranreuch cauld.

But Mousie, thou art no thy lane,
In proving foresight may be vain:
The best-laid schemes o' mice an' men
Gang aft agley,
An' lea'e us nought but grief an' pain,
For promis'd joy!

Still thou are blest, compared wi' me!
The present only toucheth thee:
But och! I backward cast my e'e,
On prospects drear!
An' forward, tho' I canna see,
I guess an' fear!

(www.worldburnsclub.com/poems/translations/554.htm )

Kleines, geschicktes, furchtsam kauerndes Biestchen,

Ach, welcher Schrecken ist in deiner Brust!

Du musst nicht gleich hasten und rennen

Mit berechtigten Klagen!

Ich wär´ gemein, dir nachzulaufen, dich zu jagen

Mit jenem mörderischen Pflugbeil.

Ich bedauere wahrlich, des Menschen Herrschaft

Hat der Natur Einheit zerbrochen,

Und diese kranke Ansicht rechtfertigt,

Dass du über mich staunst,

Über mich, deinen armen, erdgeborenen Begleiter

Und sterblichen Gefährten.

Ich zweifle nicht, gelegentlich, auch du klaust ´mal;

Was sonst? Armes Tierchen, du musst leben!

Magere Körnchen aus gezählten Ährenbündeln,

Sind eine kleine Rückzahlung;

Mir dankt man, für das was übrig bleibt,

Nie werd´ ich was liegen lassen.

Dein Winzhäuschen, ebenso zerstört!

Seine schiefen Wände verstreu´n die Winde!

Nichts bleibt nun, es neu zu bauen,

Als sterbendes Nacherntegrün!

Und die bleichen Dezemberwinde kommen,

schneidend und unerbittlich.

Du sahst die Felder wüst und kahl gelegt,

Und den harten Winter der bald kommt,

Und gemütlich hier, unter Trümmern,

Dachtest du zu leben,

Bis Rumms! Der schreckliche Pflug zog

Aus, durch dein Zimmerchen.

Dieses winzige Häuflein Blätter und Stoppeln,

Hat dich viel mühsame Nagerei gekostet!

Nun bist du hinaus geworfen, trotz all´ deiner Mühen,

Ohne Haus und Habe,

Um des Winters geforenen Regen auszuhalten,

Und reifstarre Kälte.

Aber Mäuschen, du bist nicht allein,

Voraussicht beweisen, könnte nutzlos sein:

Die besten Pläne der Mäuse und Menschen

Geraten oft scheußlich,

Und lassen uns nichts als Trauer und Tränen,

Anstatt versprochener Freude!

Doch du bist gesegnet, verglichen mit mir!

Nur Gegenwärtiges geht dich an:

Aber ach! Ich lenke mein Auge rückwärts,

Zu trostlosen Aussichten!

Und vorwärts, wiewohl ich nichts schauen kann,

Ich rate und fürchte.

Nach einer biografischen Legende arbeitete Burns mit seinem Knecht auf dem Feld. Der lief einer aufgescheuchten Maus hinterher, um sie zu erschlagen. Burns hielt ihn fluchend ab, war den ganzen Tag seltsam und schrieb noch am gleichen Abend eines seiner berühmtesten Gedichte.

Mit der Agrikultur tat sich Burns immer schwer und kam auf keinen grünen Zweig. Anders als heutzutage, bot ihm eine aufnahmebereite Schicht gebildeter Leser an, sich mit seinen Gedichten ein zweites Standbein fürs wirtschaftliche Überleben zu schaffen. Der Autodidakt glaubte kaum an sich, sondern wollte weiter die schottische Erde wenden. Ausgerechnet dazu hatte er nur wenig Talent!

„To a Mouse“ besticht durch die feine, sehr realistische Beobachtung der Mäuse und Menschen Schottlands auf dem Land. Im karstigen Boden blieb die Landwirtschaft ein hartes Brot, und die Existenz der meisten Bauern hing von jenen Leuten ab, die die eigentliche Ernte, den Erlös aus der Arbeit, einheimsten, während die Bauern als Pächter oder Kleinbesitzer perspektivlos in der ewigen Schuldenfalle saßen. Ein Schicksal, das der Dichter aus eigenem Erleben kannte. In diesem Zustand sind Mäuse natürliche Konkurrenten um das spärliche Korn und zugleich ewige Kumpane des wirtschaftenden Menschen.

Andererseits fällt die Einfühlung auf, mit der Burns Mensch und Tier auf der gleichen Scholle sieht. Als einer der ersten Schriftsteller überhaupt, entwickelte er einen nicht religiösen und nicht rein funktionalen Naturbegriff. - Ob Burns frühere Vorlagen kannte, die das Leben von Stadtmaus und Landmaus in Beziehung zum Leben der Menschen setzten, weiß ich jetzt nicht.

„Der Barde“, wie er in Schottland oft genannt wird, erwies sich als überzeugter Anhänger der französischen Revolution, des radikalen Republikanismus und der Emanzipation Schottlands vom Königreich England. Seine Kritik richtete sich aber auch gegen die verquaste Sexualmoral der Kirche und des Staates, gegen die Zensur und die Ausbeutung der Landleute durch eine kleine, schnell reich werdende Oberschicht. Zum Ende von „To a Mouse“ geht es um die menschliche Hoffnungslosigkeit angesichts der Verhältnisse, die sich, als seien sie Naturgesetze, weder im Rückblick, noch in der Voraussicht, je änderten. Diese scheinbare Unausweichlichkeit der Sachverhalte und der gesellschaftlichen Einrichtungen, schafft Gegenwartsmenschen, viele „Mousies“.

Burns starb 1796, im Alter von nur 37 Jahren, an einem rheumatischen Fieber. Sehr wahrscheinlich war das die Spätfolge einer Zahnwurzelextraktion, über die Streptokokken in die Blutbahn, damit an die Herzwände, Klappen und in den Herzmuskel gelangen konnten. Mit sich selbst nicht gerade zimperlich, hatte Robbie Burns noch ein Gedicht über den vermaledeiten wehen Zahn verfasst („Address To The Tooth-Ache“).

Christoph Leusch

Im zweiten Teil, der hoffentlich bald folgen kann, soll es dann um den Liederdichter, Liedsammler und Volksmusikanten Burns gehen. Im Mittelpunkt steht die Musik. Was wurde aus einem der berühmten Liebeslieder des zwölffachen Vaters und anerkannten Frauenlieblings, „ Green Grow The Rashes“?

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