Benevolent or evil empire?- Die Tötung Osama bin Ladens

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Rechtsstaatlichkeit und Völkerrecht

Benevolent or evil empire

Nicht nur viele Medien erliegen der Versuchung, die Tötung Osama bin Ladens durch die Spezialeinheiten der USA als Jagdausflug, Hinrichtung, Mord, zumindest aber als Bruch des Völkerrechts, auszulegen. - Bei uns, so ein bekannter Juraprofessor aus Thüringen, wäre das Verfassungsbruch, ein Verstoß gegen das Grundgesetz. -Selbstverständlich, bei uns! - Viele treffliche und gute Argumente versammelt Heribert Prantl in seinem Kommentar über „Das Töten des Feindes“ (www.sueddeutsche.de/politik/us-kommandoaktion-gegen-osama-bin-laden-das-toeten-eines-feindes-1.1092300 ) auch wenn „Feindstrafrecht“ ein dafür nicht passender Begriff ist und „Exekution“, die Tötung eines Wehrlosen, eine Vokabel des reinen Vorwurfs bleibt. Hier, beim „der Freitag“, schrieb Lutz Herden ( www.freitag.de/politik/1117-die-stunde-der-jaeger ) und auch eine beträchtliche Anzahl an Kommentatoren äußerten sich in diesem Sinne.

Strafe, auch die Todesstrafe, die in den USA erlaubt ist, aber von immer mehr Menschen als unrechtmäßig abgelehnt wird, verlangt einen fair geführten Prozess und ein Gerichtsurteil. Keine Frage, die US-Regierungen der letzten Jahrzehnte verstoßen in Kontinuität und wiederholt gegen Prinzipien ihrer eigenen Verfassung und gegen allgemeine Prinzipien des Völker- und Menschenrechts. Das faire Verfahren vor einem unabhängigen Gericht, die strikte Einhaltung des Habeas Corpus-Prinzips, waren einmal das Markenzeichen der angelsächsischen Demokratien und derer, die sich später daran ein Vorbild nahmen.

Die Einrichtung und der Betrieb Guantánamos bleiben ein großer Schandfleck; die „Renditions“ dort hin, sogar aus befreundeten Rechtsstaaten und handelnd gegen Staatsbürger derselben, sind ein solche Schande; Erpressung von Geständnissen durch Folter und Depravation oder das Ausfliegen von Gefangenen in Folterstaaten, sind schandhaft, übel und unerträglich!

Zu diesen bösen Zwecken und noch zu einigen mehr, logen und betrogen, in Verein mit den je willigen, politischen und exekutiven Partnern (manchmal verbündete sich Amerika nur mit exekutiven Teilen in anderen Staaten), Präsidenten, Außenminister und andere Verantwortliche, dass sich die Balken nur so bogen, vor den Augen der gesamten Weltgemeinschaft (Irakkrieg).

Auch klar ist, dass die USA bisher eine Beurteilung dieser Taten durch ein internationales Gericht ablehnen, dass es gegen ihr gesetzloses Handeln weder eine Klagechance vor höchsten US-Gerichten, noch eine judikative Macht darüber gibt. - Das ist schlechte Übermacht und sie fällt nach geraumer Zeit immer auf die Knie und dann in den Staub, wenn sie sich nicht zur Rechtlichkeit zurück bewegt. - Genau das aber, die Rückkehr zu den Prinzipien des Völkerrechts und der Rechtsstaatlichkeit, waren große Versprechen des Präsidenten Obama an die Weltgemeinschaft. Er hat sie bisher nur sehr kleinschrittig und kaum in der erwarteten Breite zu verwirklichen gesucht.

Auch wenn das Haupthemmnis leicht benennbar ist, warum es dem Empire nicht gelingt wieder benevolent zu sein, die Wirtschafts- und Finanzkrise und ein Rechtsruck in den politischen Machtverhältnissen in deren Folge blockieren, so wirft doch das fortgesetzte, unrechtmäßige Vorgehen einen langen und dunklen Schatten auch auf diese Präsidentschaft, und darüber hinaus, auf den immer wieder deklarierten Willen der USA, eine Nation des Rechts, der Gerechtigkeit und Fairness, eine Nation des Völkerrechts zu sein.

Im Umgang mit der Enthüllungsplattform Wikileaks und dem beschuldigten Whistleblower aus der US-Army, Bradley Manning, enthüllt sich auch, dass weite Teile der Exekutive, zu der gehören das Militär und die Geheimdienste, nicht Willens sind faire Regeln einzuhalten. Der Gefreite Manning oder andere Soldaten, Diplomaten und Angestellte des Staates USA verrieten sehr wohl Sachverhalte die der Regierung unangenehm sind, aber sie taten das nicht gegen ihr Land, sondern gegen diejenigen, die Unrecht nicht aufklären, nicht einräumen und vor allem nicht für alle sichtbar machen wollen, obwohl doch genau das, in einer zivilisierten und rechtsstaatlichen Nation, eine Grundpflicht jedes Teils der Exekutive eines Landes sein muss.

Wer ungesetzliche Tötungen und Hinrichtungen, auch im Kriege, duldet, anstatt die Täter entschieden zur Rechenschaft zu ziehen, der macht sich mit schuldig und kann nicht nachher die Aufdecker solcher Handlungen mit niedrigem Recht angehen. Wer dafür Geheimnisverrat begeht, dass dies nicht unentdeckt bleibt, der hat zwar auch Rechte und Verordnungen gebrochen, aber einem höheren Recht zum Sieg verholfen.

Viele Maßnahmen im „Krieg gegen den Terror“ (z.B. die Hinnahme von sehr vielen Kollateralschäden, der Einsatz von Drohnen, die auch bei eindeutiger Identifikation der Ziele, viele Zivilisten töten oder gefährden, die vielen Angriffe auf und über den Territorien fremder Staaten) sind nicht nur illegal, sondern auch wirr, unproduktiv und unsinnig, mit Bezug auf die öffentlich erklärten Ziele der Operationen. - Auch hier wollte die Obama-Regierung eine Änderung herbei führen, nämlich, die eher destabilisierenden und immer mit Verbrechen verbundenen Auslandskriege schnell beenden.

Gerechtigkeit und Recht an Orten, die diese Frage kaum noch kennen

Warum schreibe ich das? Ganz einfach. Im Falle der Aktion gegen Bin Laden sieht es nämlich ganz so aus, dass Rechtsgüter gegeneinander abgewogen werden mussten, und in diesem Falle sehr viel für das Vorgehen der Vereinigten Staaten und die Entscheidung ihres Präsidenten spricht.

Osama bin Laden konnte sich an seinem Wohnsitz, bis zum Zugriff der USA sicher fühlen. - In Pakistan gibt es für bestimmte Kreise aus Militär, Geheimdiensten und Politik, wie auch für bestimmte Wirtschaftskreise und Clans in Stammesgebieten, keine Judikative oder Exekutive des Zentralstaates mehr, die die Einhaltung von Recht oder Gesetz durchsetzen könnte, die einen internationalen Haftbefehl, -der ja im Falle Bin Ladens ein paar mehr belegbare Beschuldigungen enthält, als der aufgeblusterte, aber trotzdem mit aller Macht betriebene Haftbefehl zur Einvernahme Julian Assanges-, ernsthaft entgegen nähme.

Geheimdienste und Militärs machen was sie wollen und können, zu ihrem Vorteil, und zu dem ihrer ausgewählten Schützlinge und Lieblinge. Islamistische Parteien und Organisationen, selbst jene, die Teil des legislativen Staates dort sind, tun was ihnen gefällt und heuern Killer, wenn sie sie gerade brauchen. Staatliche Organisationen halten es ebenso! Stämme der Paschtunen, mittlerweile mit den Taliban verbunden, schaffen sich eigene Territorien und regieren nach eigener Vollmacht. Die Grenztruppen Pakistans sind oftmals nicht Hüter des Rechts und der Integrität des Landes, sondern Teilhaber am illegalen und ebenfalls tödlichen Geschäft mit Waffen, Drogen und Schmuggelware.

Teile des Ganzen führen Kriege und Fehden gegeneinander, sie schüren sogar Kriege außerhalb ihres Staatsgebiets und verhindern, sabotieren und boykottieren Schritte, z.B. in Afghanistan, eine Aussöhnung der Paschtunen mit den anderen Minderheiten, eine Aussöhnung und Beteiligung der vertriebenen Taliban-Stämme zu verwirklichen! - Die jetzige Staatsführung Pakistans ist im Amt, weil die aussichtsreichste Kandidatin „zur Sicherheit“ erschossen und gleichzeitig fast weggesprengt wurde.

Tätige Amtshilfe zu Ergreifung Bin Ladens konnte von dieser Regierung nicht erwartet werden. -Im Gegenteil, wenn man die Stabilität dieses Landes auch nur einen Augenblick für wichtig erachtet, wurde sie zum Glück nicht vollständig und nicht lange vorher über die Aktion informiert und möglichst nicht aktiv eingebunden. Das Todesurteil für den jetzigen Präsidenten und seinen Premierminister tönte jetzt auf allen Streams im Netz oder spielte bald auf den dort immer noch üblichen Videocassetten und DVDs eine ganz große Rolle, und sogar TV- Sender in Pakistan sendeten unaufhörlich die Botschaft, „Rache für unseren Märtyrer“. - Bei einer solchen, pakistanischen Polizeiaktion, hätte im Übrigen der Tod des Osama bin Laden mit Sicherheit auf der Agenda gestanden. Das gängige Vorgehen vor Ort in solchen Fällen ist vielfach dokumentiert.

Zu viele Informationen an das pakistanische Militär, die Polizei oder gar den Geheimdiesnst ISI, hätten mit großer Wahrscheinlichkeit dazu geführt, die Pläne gegen den Al Qaida-Führer an ihn zu verraten.

Wenn also keine Hilfe, keine aussichtsreich erfolgreiche Hilfe, in Aussicht stand, davon gehe ich aus, dann hatten die USA alles Recht der Welt, diesen Mann zu stellen, tot oder lebendig. Die USA mussten handeln und sie haben in diesem Falle auch ein Recht, sich des Menschheitsverbrechers, des Verbrechers gegen ihre Nation und ihre Staatsbürger endlich zu versichern.

Die Hoffnung bleibt, dass Amerika und sein Präsident, gestärkt durch sein entschiedenes Handeln, nicht ohne Risiko, mit dieser Botschaft an die Welt, nun auch den anderen Weg, vom Evil der geerbten Vergangenheit zur Benevolence in der Zukunft, machtvoll beschreitet. Einer Gerechtigkeit wurde genüge getan, sagte er, jedoch die Ungerechtigkeiten, die viel wichtigeren Fragen, harren weiterhin einer Lösung.

Christoph Leusch

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