Depression hinter der Cockpit-Tür

Schweigespirale Nach dem Germanwings-Absturz rufen die üblichen Verdächtigen nach neuen Gesetzen und Verordnungen. Doch die bestehende Regeln reichen, nutzt man sie nicht repressiv

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Depression hinter der Cockpit-Tür

Foto: SAUL LOEB/AFP/Getty Images

Dieses Mal, so kann mit hoher Wahrscheinlichkeit gesagt werden, hat eine psychische Erkrankung ein großes Unglück herbeigeführt. Das ist sehr selten!- Selten geworden, sind allgemein auch Flugzeugabstürze jeglicher Ursache, in der Verkehrsluftfahrt. Die permanente Medialität trügt. Selbst unter Einbezug der terroristischen Attacken vom 11.09.2001, sind Katastrophen in der Luftfahrt deutlich zurückgegangen, trotz weiter anwachender Flugleistungen (Personenkilometer/Jahr).

Depression- Das elende Geheimnis der Selbstentwertung

Depressionen sind tückisch, weil die Menschen, die unter ihnen leiden, lange Zeit wenig Krankheitsbewusstsein entwickeln. Selbst dann, wenn sie eindeutig darauf angesprochen werden, es endlich wissen und vor allem annehmen können, möchten sie nicht stigmatisiert und ausgegrenzt werden.

Der banale, aber triftige Grund ist der gleiche, nur stärker ausgeprägt, der zum Beispiel Politiker, Staatsbeamte, leitende Angestellte, Ärzte und praktisch alle Menschen in besonderen Verantwortlichkeiten, gesund oder krank, daran hindert, Fehler oder persönliche Beeinträchtigungen zugeben zu können. Unter Umständen steht die bürgerliche Existenz in der Leistungsgesellschaft auf dem Spiel, weil diese nach den Prämissen Funktionalität und Effizienz ausscheidet.

Bei depressiven Menschen tritt hinzu, dass sie sich die Symptome der seelischen Krankheit persönlich anrechnen. Depressive wollen Leistung bringen und brauchen darin Anerkennung, denn sie selbst schwächen konstant ihr Selbstbild. Das gehört zum Krankheitsbild. In dieser Hinsicht ist die Depression vielen Suchterkrankungen ähnlich, bei denen die Betroffenen ihre eigene Motivation, aufzuhören, durch ihr negatives Selbstbild fortgesetzt zerstören.

Umso notwendiger sind niederschwellige Zugänge zu seriösen und diskreten Hilfen, die unter Umständen mehrfach und immer wieder angeboten werden müssen, völlig unabhängig vom finanziellen und sozialen Hintergrund der Betroffen. Es klafft aber in der Gesundheitsversorgung gerade hier eine große Lücke, zeitig in angemessene Therapien zu gelangen. Suchtkranke haben es da schon besser, auch als Piloten der Verkehrsfliegerei!

Die meisten Depressiven tun genau das, was die Leistungsgesellschaft von ihnen verlangt: Sie leisten, lange und überdurchschnittlich, meist sehr engagiert. Dabei sind sie durchaus warmherzig und zugewandt. Allenfalls nahestehende Menschen lernen sie je auch in anderer Weise kennen. So sind sie oftmals eine leichte Beute für Vorgesetzte am Arbeitsplatz und für instinktsichere Angehörige, die ihre innere Selbstanklage und die beständige Bereitschaft, Beweise der Leistungsfähigkeit antreten zu wollen, spüren und ausnutzen.

Wie wir Gesunde, nur viel intensiver, schützen sie ihr Inneres, ihr Denken und ihre Gefühle, die nicht zu einer praktisch immer urteilende Umwelt und Öffentlichkeit dringen sollen. Nicht unbekannt ist, dass schwere Depressionen wahnhaft entgleisen können. Der Wahn folgt dann einer ganz eigenen Logik.

Manche psychische Störungen, nicht nur überschießende Trauer- und Traumareaktionen, sowie tiefe Verstimmungen, enden ausgerechnet nach einer überstandenen Krisenphase, nach durchaus erfolgreichen Therapien, nach Karenzzeiten, aus der gerade wiedergefundenen Fähigkeit zur Aktivität, mit ganzen neuen Antrieb versehen, in einem Suizid.

Jetzt erst, steht genügend Willenskraft zur Verfügung, das eigene, nicht ausreichend aufgearbeitete, zirkuläre Denken, die beständige Selbstentwertung, zu der auch gehört zu denken, man sei eigentlich ein schlechter, unfähiger, moralisch zweifelhafter, gar böser Mensch, zu einem finalen Ende zu bringen. - Warnzeichen erkennen allenfalls Spezialisten, die auch das Stadium der Entschlossenheit abschätzen können, steht ihnen ausreichend Zeit zur Verfügung und können sie ein Vertrauensverhältnis aufbauen.

Mehr als nur Depressionen

Wenn Depressive oder andere psychisch Leidende jedoch andere Menschen in ihren eigenen Tod mitnehmen, müssen zusätzliche Ursachen vorliegen. Einmal kann das ein Wahn sein, der sich verfestigt, ein anderes Mal kann eine Schizophrenie Ursache sein, die sich in ihren Anfängen nur als Depression, als ein Nachlassen von Vitalität, Spannkraft und geistiger Leistungsfähigkeit tarnt und manches Mal mit Venichtungswünschen einhergeht. Die Depression kann einen Menschen treffen, der schon vorher, seit der Kindheit und Jugend, eine Persönlichkeitsstörung entwickelte.

Gerade diese letzte Kombination wirkt sich unter Umständen besonders fatal aus, weil dann die selbsterdachten, in Gedanken kreisenden Motive und Fantasien zu einer finalen Tat eine große Rolle spielen. Z.B. jene Vorstellung, mit einer Gewalthandlung im Gedächtnis zu bleiben, in dieser Tat, ein letztes Mal das eigene Selbst als groß zu erleben.

Gar nicht mit einbezogen sind hier alle jene Situationen aus dem Leben in seinen Widersprüchen, auf die mit einer Depression oder einer unabweisbaren Verzweiflung reagiert wird: Partnerverluste, Kränkungen aller Art, Todesfälle, Traumata, schwere Schuld, auch wenn sie nur vermeintlich so in der Überzeugung der Betroffenen existiert. Alle diese Bedingungen können zeitweilig die gleichen Symptome und ähnliche Handlungsmuster herbeiführen oder als letzter Auslöser für schreckliche Taten fungieren.

Wie für die Depressiven, gilt auch für viele Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung, dass sie zwar hervorragend in vielen Berufen wirken, als sehr leistungsfähig und engagiert auffallen, ihnen aber oftmals Sensibilität für die Wirkungen ihres Verhaltens auf andere oder ausreichende Empathie für das Schicksal anderer fehlt.

Kontrollwünsche der politischen und medialen Öffentlichkeit

Viel ist zu hören und zu lesen, ob man da nicht mehr machen, besser vorbeugen und besser kontrollieren könne. Drei leicht verstehbare Argumente sprechen gegen allzu viel Aktionismus und Kontrollwahn, bezüglich psychischer Erkrankungen:

1. Psychisch Kranke sind viel seltener aktiv in Gewalthandlungen verwickelt, als Gesunde. Vielmehr gilt, dass sie praktisch weltweit häufiger Opfer physischer und pyschischer Gewalt werden. Die allermeisten Verbrechen, Kriegshandlungen, Terrorakte und Willkürhandlungen, die andere Menschen bedrohen, sie sogar töten, werden von gesunden Personen verübt.

2. Ausnahmesituationen sollten nicht die Alltagsregeln bestimmen dürfen. Wäre es anders und würde es auch noch konsequent umgesetzt, -derzeit fordern dies, wie fast schon üblich, ein paar CDU- Politiker-, entwickelte sich eine lebens- und menschenfeindliche Vorsorge-, Präventions- und Präemptiv- Haltung, die unter Umständen sogar mehr Menschenleben kostet (Beispiele: Vorsorgliche und furchtgetriebene Gewalthandlungen der Polizei in den USA, mit erschreckend hohen Zahlen an Todesopfern; Erschießung offensichtlich psychisch Kranker in Wohnheimen, in ihren Wohnungen, auf öffentlichen Plätzen, auch bei uns; ewiglange Verwahrungen, ohne Perspektive; militärisch, der sogenannte Preemptive strike).

3. Psychisch Kranke und einfühlbar Verzweifelte lassen sich von ihren Handlungsplänen häufig abbringen. Terroristen, Gesunde mit Aufträgen oder gar ideologischem Anliegen, solche mit niederen Beweggründen, hingegen selten.

Wie es die aktuelle Geschichte will, hat nun wohl das gesteigerte Sicherheitsdenken selbst, Cockpittüren müssen gesperrt sein, damit keine Terroristen, psychisch kranke Attentäter oder einfach gewalt-, rache- oder giergetriebenen Personen eindringen, in einer Verkettung unglücklicher Umstände, zur Katastrophe beigetragen. Der Pilot, der die Lage noch hätte abwenden können, kam nicht mehr an seinen Arbeitsplatz zurück.

Zwei Personen sind besser als eine

Die Konsequenz, nun grundsätzlich zwei Personen in der Flugzeugkanzel vorzuschreiben, ist angemessen und sinnvoll. Zumindest verhinderte diese, in den USA, in anderen Staaten und bei manchen Airlines auf freiwilliger Basis schon gültig Regel, dass bedrohliche und fehlerhafte Handlungen der jeweiligen Flugzeugführer, aber auch plötzlich eintretende körperliche Beeinträchtigungen, unbemerkt und unbeeinflussbar bleiben.

Sehr wahrscheinlich hätte die zweite Person im Cockpit die Chancen erhöht, die Tür rechtzeitig wieder zu entsperren oder aber, den kranken Co-Piloten von seinem Tun abzuhalten. Gerade bei einer Depression oder Pychose ist der unmittelbare, aber nicht forcierte Kontakt, die unmittelbare Ansprache, entscheidend für den Stopp einer geplanten Handlung. Sie wird damit, als vorgestellte und geistig durchgespielte Reaktion noch nicht vollends gelöscht, aber zumindest im Moment beeinflusst.

Das Klischee vom Automatenmenschen

Klischeehaft hält man öffentlich auffällige, psychisch Kranke für Automaten. Sie seien so eine Art Zombies, die nicht aufzuhalten seien, weil ein inneres Programm ablaufe. Dabei trifft diese Art Reaktionsbildung viel eher auf Gesunde zu, die in ihrem überzeugten Willen, ihrer Absicht, zum Beispiel Gewalthandlungen durchführen, wenn ihnen Mittel und Wege zur Verfügung stehen, sowie eine Überzeugung gegeben ist, nicht mehr abändern.

Die direkte Ansprache kann den Handlungsmechanismus, den inneren Plan, bei erstaunlich vielen, die aus Störungs- oder Krankheitsgründen handeln, unterbrechen. - Auf viel Kraft oder die physische Möglichkeit der Gegenreaktion (Gegengewalt, Bewaffnung), kommt es dabei gar nicht an. Im Gegenteil, sie führen nur zu einer Eskalation. Besonders Waffen, schon das Vorzeigen und Drohen, bringen ein völlig unberechenbares Element in Situationen mit psychisch Kranken ein.

Wie aber, kann man vorbereitende Gedanken erkennen? Mit der schwierigen Materie befassen sich Kriminologen und Rechtsmediziner, vor allem aber Psychiater und Psychologen. Ohne Zeit und Vertrauen, kommt meist nicht viel zusammen, um rechtzeitig und sicher zu warnen, andererseits aber auch keine, falschen Einschätzungen abzugeben. - Darunter leiden Therapeuten und Gutachter, die sich immer auch irren können.

Ein wichtiges Indiz: Die Gedanken der Kranken oder Täter kreisen um Phantasien zur Tatumsetzungen. Sie stellen sich, im Vertrauensverhältnis aufgefordert oder gar spontan mitgeteilt, Situationen vor, wie sie handeln würden. Aber diese Ansätze, es wird von Fällen berichtet, dass psychisch gestörte Täter schon in der späten Kindheit und in der Jugendzeit multiple Tötungsphantasien entwickeln und sich gegen den Sog dieser Vorstellungen nicht wehren können, lassen sich nur bei größtem Vertrauen heraushören und manches Mal erfragen.

Tatsache ist, dass Angehörige und Nachbarn, Arbeitskollegen, Ärzte und Zulassungsbehörden, bis zum Eintritt einer nicht nachvollziehbaren Tat, keine wirklich handfesten Angaben machen können. Hinterher, werden die entscheidenden Zettel gefunden, die Videos mit hinweisenden Inhalten abgespielt. Hinterher, entdeckt man Spuren auf dem Computer oder dem Smartphone. Hinterher, deutet man Verhalten aus der Vergangenheit anders. Das gilt für die sogenannten „Amok“-Täter, das gilt für viele reaktive Selbsttötungen, das gilt aber eben auch für Depressive, gerade jene auf dem Wege der Besserung.

Täuschung: Depressive, psychisch Kranke allgemein, sehen krank aus

Eine sehr weit verbreitet Täuschung bezüglich der Einschätzung depressiver Menschen besteht darin, zu glauben sie müssten im Ausdrucksverhalten als solche erkennbar sein. Das Gegenteil ist oftmals der Fall! Wir sind im Alltag nur dann in der Lage, einen depressiven Menschen zu erkennen, wenn wir ihm viel Aufmerksamkeit und Nähe schenken, oder wenn er gerade an einem Tiefpunkt dieser häufig phasisch verlaufenden Krankheit angelangt ist. Das umfasst aber nur den kleineren Zeitanteil der depressiven Störung, der Depression, der Melancholie.

Andererseits ist es ein großes Glück, dass Depressionen, wie auch andere psychische Krankeiten, heute allermeist nicht mehr unausweichlich in eine Sackgasse führen, in der am Ende der Tod, ein Residualzustand oder die völlige soziale Ausgrenzung warten. Bei aller berechtigter Kritik an der ausufernden, gar nicht ausreichend überprüften und korrigierten Verordnung von Medikamenten, bei allem Mangel, dass psychisch Kranke immer noch zu häufig, zu lange, auf die passende therapeutische Hilfe warten müssen, sind die Erfolge enorm, verglichen auch nur mit einem Zustand von vor 30 Jahren und geradezu phänomenal, schaut man zurück, auf die lange Zeit der dumpfen Ratlosigkeit, der Gewaltkur- und Verwahrmedizin, von der frühen Neuzeit bis weit ins 20. Jahrhundert hinein.

Die Schweigepflicht der Ärzte und Therapeuten, der Wert der Krankschreibung

Derzeit wird viel über die ärztliche Schweigepflicht geschrieben und ob sie nicht, angesichts solcher singulärer Taten, gelockert werden sollte. Dazu kann man aber wissen, dass die Schweigepflicht behandelnde Ärzte oder Therapeuten keinesfalls zwingt, Informationen zurückzuhalten, die schwere Verbrechen oder Fehlhandlungen mit fatalen Folgen verhindern können.

Im konkreten Fall hat der Co- Pilot ärztliche und spezifisch- fachärztliche Hilfe gesucht und gefunden, aber z.B. die Krankschreibung zerrissen, bzw. seinem Arbeitgeber gar nicht vorgelegt. Sehr wahrscheinlich hat er auch von seinen Absichten wenig oder nichts mitgeteilt.

Die Krankschreibung allein, ist zudem kein Dokument, das eine Fluguntauglichkeit sicher und rechtsgültig belegt, so wie es nicht sicher verhindert, dass ein kranker Mensch zur Arbeit geht. Krankgeschriebene können arbeiten, wenn sie es selbst verantworten und Firmen können sie ganz normal beschäftigen, mehr oder minder verantwortungslos, mehr oder minder stark getäuscht. Da gibt es keine Generalregel, die das grundsätzlich verbietet.

Ärzte erfüllen mit einer Krankschreibung auch noch nicht die Pflicht ihren Patienten gegenüber, diese auf Risiken aufmerksam zu machen, die am Arbeitsplatz aus der Krankheit selbst oder der Behandlung entstehen. Bestimmte Krankheiten, sogar bestimmte Medikamente gegen sie, können die Tauglichkeit zu Fliegen, gar ein Kraftfahrzeug zu führen, völlig aufheben oder einschränken. Dazu müssen Patienten angesprochen und dokumentiert aufgeklärt werden.

Spezielle Regeln in der Verkehrsfliegerei

Welche speziellen Regelungen gelten nun aber für Piloten in der Verkehrsfliegerei? Nach internationalen Normen, müssen sich Berufspiloten jährlich, später halbjährlich, neu um ihre Eignung „bewerben“. Neben einer langen Reihe, praktisch jedes Organsystem betreffender Ausschlussgründe, werden ausdrücklich auch psychische Krankheiten und Störungen, sowie psychosoziale Belastungen genannt.

Seit dem 8. April 2011 gelten europaweite Vorschriften. Allerdings hat der Europa- Gesetzgeber bis 8. April 2015 den Einzelstaaten zugestanden, alte Lizenzen nach den je eigenen, allerdings meist an den gleichen internationalen Abkommen orientierten Regeln, den „JAR-Vorschriften“, der Gemeinsamen Luftfahrtbehörden (Joint Aviation Authorities, JAA, vom 30. Juni 2009 (Joint Aviation Requirements)), zu erteilen. Verkehrspiloten müssen ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 vorweisen, mit dem sie berechtigt sind, eine Maschine im Notfall auch allein zu fliegen.

Geltende Bestimmungen

Auszug aus der entsprechenden EU- Verordnung, Nr. 1178/2011, der Kommission vom 3. November 2011, S. 185-186:

>>(...)MED.B.055 Psychiatrie

a) Bewerber dürfen ihrer Krankengeschichte oder klinischen Diagnose zufolge weder angeborene noch erworbene akute oder chronische psychiatrische Erkrankungen, Behinderungen, Abweichungen oder Störungen aufweisen, die die sichere Ausübung der mit der/den geltenden Lizenz(en) verbundenen Rechte beeinträchtigen können.

b) Bewerber mit psychischen Störungen oder Verhaltensstörungen, die durch Alkoholmissbrauch oder den Gebrauch bzw. Missbrauch von psychotropen Substanzen bedingt sind, sind bis zur Genesung und Einstellung des Substanzmissbrauchs und vorbehaltlich einer zufrieden stellenden psychiatrischen Beurteilung nach erfolgreicher Behandlung als untauglich zu beurteilen.

Bewerber um ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 müssen an die Genehmigungsbehörde verwiesen werden. Die Beurteilung der Tauglichkeit von Bewerbern um ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 2 muss in Konsultation mit der Genehmigungsbehörde erfolgen.

c) Bewerber mit einem psychiatrischen Leiden wie

(1) affektive Störungen;

(2) neurotische Störungen;

(3) Persönlichkeitsstörungen;

(4) psychische Störungen und Verhaltensstörungen

müssen einer zufrieden stellenden psychiatrischen Beurteilung unterzogen werden, bevor erwogen werden kann, sie als tauglich zu beurteilen.

d) Bewerber mit einmaliger oder mehrmaliger vorsätzlicher Selbstbeschädigung in der Krankengeschichte sind als untauglich zu beurteilen. Bewerber müssen einer zufrieden stellenden psychiatrischen Beurteilung unterzogen werden, bevor erwogen werden kann, sie als tauglich zu beurteilen.

e) Flugmedizinische Beurteilung

(1) Bewerber um ein Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1 müssen an die Genehmigungsbehörde überwiesen werden, wenn bei ihnen einer der unter den Buchstaben b, c oder d genannten Befunde vorliegt; (...)

f) Bewerber, die ihrer Krankengeschichte oder klinischen Diagnose zufolge an Schizophrenie erkrankt sind oder schizotype oder wahnhafte Störungen aufweisen, sind als untauglich zu beurteilen.

MED.B.060 Psychologie

a) Bewerber dürfen keine nachgewiesenen psychischen Einschränkungen aufweisen, die die sichere Ausübung der mit der/den geltenden Lizenz(en) verbundenen Rechte beeinträchtigen können.

b) Gegebenenfalls muss im Rahmen von oder ergänzend zu einer fachärztlichen psychiatrischen oder neurologischen Untersuchung eine psychologische Beurteilung vorgenommen werden. (...)<<

( http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ:L:2011:311:FULL:DE:PDF )

Die Tauglichkeitszeugnisse der Klasse 1 dürfen derzeit bundesweit von ca. 250, dazu berechtigten ÄrztInnen ausgestellt werden. Ca. 500 Ärzte besitzen die Zulassung um Dokumente der weniger scharfen Bestimmungen für Klasse 2 in der Verkehrsfliegerei (Kabinenpersonal) auszustellen. Zudem müssen bei schwerwiegendem Verdacht ausführliche fachärztliche Untersuchungen erfolgen.

Fazit

Viel sinnvoller als neue Verschärfungen und Kontrollmaßnahmen, wären regelmäßige Aufklärungen der Crews, einschließlich der Cockpitbesatzungen, wo und von wem sie bei psychischen Problemen Hilfen bekommen, ohne sie vorweg mit Arbeitsplatzverlust zu bedrohen. Die Drohung mit dem kategorischen Ausschluss führt eher in eine Schweigespirale bei den Betroffenen, die dann noch mehr Anstrengungen unternehmen, von ihrem inneren Zustand und vor allem, den gedanklich durchgespielten Handlungsmustern, nichts preiszugeben. Die oben angeführte EU- Verordnung lässt diesen Spielraum. Zumindest sollten psychisch Kranken die gleichen Zugänge zu Hilfen erhalten, wie sie auch Suchtkranken, selbst in Risikoberufen (PolizistInnen, Berufsfliegern, KraftfahrerInnen, Kranführern, Ärzten), zugestanden werden.

Allerdings ergeben sich aus dem Text der Verordnung auch Anhaltspunkte, nun zu überprüfen, wie ernst schon einmal getroffene Vermerke in den Akten in diesem Fall genommen wurden.

Christoph Leusch

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