Der Glaube, Liebe, Hoffnung-Komplex

GlaubeLiebeHoffnung Die religiösen Kardinaltugenden funktionieren auch als kommunistische Heilsbotschaft: Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Beitrag zu Maike Hanks(dF) Tugendenprojekt.

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Love, love, love- Emotion zweiter Hand, oder große Tugend?

(Kleiner Beitrag zu Maike Hanks Tugenden Projekt auf dem unendlichen und unbeschreiblichen „Faktenserver“ der dFC, „Die sieben Tugenden: Liebe“, www.freitag.de/community/blogs/maike-hank/die-sieben-tugenden-liebe )

Love, love, love,...(The Beatles, All you need is love, http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=aq9UCYC5wUQ&list=PLA9DB6E3D84A4C749)

Der GLH- Komplex, ein Diamat* des Gewissens

Mit der Liebe kommt das ethische Dauerprojekt des dF thematisch erstmals zu den drei religiösen und damit neueren Tugenden, zu Glaube, Liebe und Hoffnung. Irgendwie Linke können daraus GLH machen, was empirokritisch, reichlich endokrin und wissenschaftlich zugleich klingt.

Glaube, Liebe, Hoffnung, sind grundsätzlich und unbedingt Abkömmlinge der Tugendvorstellungen der großen monotheistischen Religionen. Die Christen Paulus und Thomas von Aquin dienten als Vordenker und Boten, nicht etwa die Evangelien. Für die körperliche Liebe, also Sexus und Eros, steht gar nur das alte, archaische, unübersehbar grausame Testament zur Verfügung.

Die Evangelisten huldigten einem Fatalismus hin zum Kreuz, bei der sich die göttliche Vaterfigur, relativ spät in der Menschheitsgeschichte, doch noch einmal zu einem Akt der Liebe entschließt und mit seinem Glaubensanhang einen erneuerten Bund eingeht. Der Vater bekommt seinen freien Willen, eine Art göttlichen Ehevertrag. - Das kann für beide Seiten nicht gut enden.

Das Moralkürzel funktioniert jedoch auch als Maßstab des reinsten Kommunismus, für den man ein ähnlich hohes Maß an Naivität, -auch das wäre wiederum biblisch ableitbar-, aufbringen muss, um an ihn zu glauben. Dann hieße die Trias Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit.

Damit hatten die dogmatischen Kirchenväter nicht gerechnet, weil es in ihrer Welt keine wirklichen Atheisten gab: GLH funktioniert ohne jegliches höheres Wesen. Für den Gedanken einer Gottesliebe mit der Menschheit muss man wirklich fest glauben, um nach all´ den vielen aufgeschriebenen Rachegedanken dieses und anderer Götter in den religiösen Texten der Welt, noch ein Fünkchen Hoffnung zu retten und das jüngste Gericht nicht als ewige Drohung aufzufassen.

Die Aufgabe ist fast übermenschlich und trotzdem betont die überwiegende Mehrheit der Weltbevölkerung, sie glaube tief und fest an den gerechten, gütigen, allmächtigen, friedlichen, usw., Gott, der sogar besondere Nationen und Personen für seinen Heilsplan auswähle. Dieser Glaube fällt ihnen bedeutend leichter, als der an sich selbst, oder an die nächsten, oder gar an die ganze Menschheit. Dem Ungläubigen wird überhaupt nicht geglaubt.

In deutscher Sprache ist keine andere, klingendere Reihenfolge der drei Tugendworte, Glaube, Liebe, Hoffnung denkbar. Die Liebe wird eingerahmt. Sie gehört, wie ein geistiges Marienbild leicht vergrößert und erhöht, in unendliches Blau gehüllt, in jenes absichtliche Dreiecksverhältnis mit dem Glauben und der Hoffnung. Ohne Glauben an die Liebe als Möglichkeit, existiert keine Hoffnung.

Cloudbusting

(„Cloudbusting“, gesungen und komponiert von Kate Bush, Video mit Donald Sutherland als Wilhelm Reich und Kate Bush als „Peter“, http://www.youtube.com/watch?v=pllRW9wETzw )

Besser ausgedrückt steht das im ersten Korintherbrief, ausgerechnet bei Paulus, von dem Fay Weldon schreibt, „It is hard to like Paul the Apostle“ (Corinthians, the epistles of paul the apostle to the, Canongate, Edinburgh,1998, vii), weil der die Liebe nur herzlich umarmt, wenn sie geradewegs in die Hände der Gottesfurcht gefallen ist und als Ausgießung des heiligen Geistes daher kommt.

Dazu ist doch die Liebe die einzige der drei religiösen Tugenden, bei dem das ganze Moralgebäude auch eine notwendige biologische und erotische Erdung erfährt! - Auch das gefällt Saint Paul überhaupt nicht. So ratschlagt er seinen urchristlichen und glaubensunsicheren Gemeinden die Enthaltsamkeit des Mannes, die Verfügbarkeit der Frau in der Ehe, die Liebe nur in und aus Gott, und behüte uns, niemals im Fleische. Es sei denn, es läge sein und damit Gottes besonderer Segen darauf. Die anderen müssen brennen, als Märtyrer des Glaubens oder aber, als Ausgestoßene, die das göttliche Gesetz und den strengen Ehebund zur Fortpflanzung im reinen Glauben nicht achten und daher weder christliche Liebe, noch das Himmelreich erlangen können. Zudem sind die Korinther, ohne des Apostels Weisungen, so predigt er es ihnen in jenem berühmten Brief, hilflose und im Alltag gefangene Kinder.

Hallelujah

( „Hallelujah“, von Leonard Cohen komponiert, gesungen von k.d.lang, www.youtube.com/watch?v=HyeJCEj0y6U&;NR=1 )

Die Tugend der Liebe ist vom Anbeginn an biologisch, psychologisch und ästhetisch verankert. Mensch sei Dank! - Sonst bliebe es ja beim Bioporno, der zwar auch interessant anzusehen ist, wenn ihn Isabella Rosselini vorstellt, der aber doch ein wenig dürftig an Weite und Tiefe, auch nicht gerade allumfassend, daher kommt. - Dafür kann man von den beiden tugendhaften Begleitkategorien nicht unbedingt behaupten, sie seien besonders körpernah.

Der Glaube, ob klein, ob groß, kommt bei uns beständig um die Ecke. Es ist schier unglaublich, was alles, auch ohne Beleg, Quittung und Beweis, glatt geglaubt wird, und was, trotz allen Beweisens, weiterhin für unglaublich oder bezweifelbar gilt.

Die Hoffnung hingegen, ist eine stark veränderliche Tugendware, die eigentlich unsichere Kandidatin im religiösen Tugenddreieck. Das liegt an dem ebenso feststehenden und sichtbaren, wie häufig verleugneten Ende des Lebens in seiner Negation. Sie braucht die Anbindung an die Liebe daher besonders dringlich, und so ist diese ihre beste, tugendhafte Partnerin.

Der Glaube bleibt eine Angelegenheit der Geistes, durch und durch. Er ist zunehmend belastet von der Tatsache, dass Menschen in Wirtschaftsgesellschaften dazu gedrängt werden, nur noch an sich selbst und an den allgemeinen Prozess zu glauben und alle anderen Dinge, menschliche und sachliche, nach diesem Zweck einzurichten. Der Mitmensch bleibt so ein Puzzleteil zur Selbstverwirklichung, die vorhandene Welt nicht viel mehr, als ein großes Spielmaterial dem keine Eigenwürde zukommt. - Solcher Glaube existiert und verbreitet sich sprunghaft. Die Meinung herrscht, es könnte global und zu einem lachenden Ende, tatsächlich aus vielen und wiederholten Lastern eine große Tugend werden. Das klappt unter Garantie nicht!

Selbst der eigene Körper, der der Gattungswesen, der der Art Sapiens sapiens, hat, außer in eher außenseiterischen Askeseformen, um ein höheres, eventuell religiöses, Bewusstsein zu erlangen, kaum eine Wirkung auf den Glauben. Die marktgerechte Weltformel lautet: Akzeptiere deinen Körper so wenig, wie den deiner Mitmenschen! Modele, kaschiere, forme, bearbeite dich selbst und die Anderen die du erreichen kannst, nach einem Glauben, und sei es auch nur entlang der Kleidergröße oder Länge der Nase, als grobe Zielvorgabe! - Das macht liebesunfähig.

Die Hoffnung steht linker Hand der Liebe, wenn sie nach ihr greift, der Glaube eher rechts. Das macht aus dieser rechtshändigen Kardinaltugend viel schneller ein Verbrechen. - Glaubensverbrechen, Verbrechen im Wahn eines tiefen ideologischen Glaubens, sind daher wahre Menschenkiller, während es die Liebe nur zu einfühlbaren, aber kläglichen, Affekttaten bringt, und die kleine Hoffnung im scheußliches Tun, meist und dann auf Dauer, enttäuscht wird. Das macht die Fanatiker und Besessenen der erotischen Liebe so enttäuschend ideologisch, hören sie nun auf Don Juan oder de Sade, oder irgendwie auf einen ganz modernen Namen dieses Glaubens. - Ihr Tun ist schon versteinert, bevor der Komtur kommt.

Die Liebe, gerade weil sie so unerträglich unbeeinflussbar und nicht über einen Geschäftsmodell erreichbar ist, wurde daher, um endlich zu Zwecken und Plänen zu kommen, umbenannt, umgelenkt, sowie mit Adjektiven und Adverbien umstellt. Christlich kommt sie als Menschenliebe daher und tarnt sich mit allerlei Humanismen. Das ist alchemistisch und chemikalisch zugleich gedacht. Ein technisches Modell, dem sich die unzähligen geschriebenen Ratgeber, wie auch die großen Konfessionen immer wieder mit viel Aufwand widmen, um es zu sichern. Die Ratgeber passen die Liebe ins Leistungsmodell ein und die Kirchen wollen sie immer noch stubenrein erziehen.

Dabei ist sie doch ein Geschenk, das durch allzu viel Strebsamkeit einerseits und grobe Fahrlässigkeit andererseits, leicht wieder verspielt wird.- In Beziehungen versuchen die meisten Partner sich für das Scheitern gegenseitig verantwortlich zu machen. Das ist menschlich, aber nicht sehr klug. In gesellschaftlichen Angelegenheiten ist es mit der humanen Liebe meist vorbei, wenn das am eigenen Status kratzt. Familiäre Beziehungen, die Verwandtschaftsverhältnisse, werden häufig als Notwendigkeit abgehandelt, aber nicht als menschliches Bedürfnis, gar als Bewährungsfeld der Liebe.

Für das Himmelreich auf Erden, die geheime Botschaft der Geschichte, lohnt es sich zu kämpfen. Allerdings nur, wenn das Verlangen ein festes Ziel zu erreichen klein bleibt. So wie die Prognosen um die Zukunft der Welt das schwächste Glied der menschlichen Verstandestätigkeit sind, so sind Glaube, Liebe, Hoffnung immer noch gute Münzen in unser aller Klingelbeutel.

Alle Abwertungen und Enttäuschungen ändern nichts an ihrem prinzipiellen Wert. Für ein solches Paradies ist vor allem die Liebe notwendig. Aber nicht die Affenliebe, die Zwecklust und das Liebesallerlei, auch wenn dazu heute das meiste Tandaradei aufgeführt wird.

Good night, and good luck

Christoph Leusch

*Diamat, das ist Dialektischer Materialismus, ein Teil der marxistisch-leninistischen Philosophie, deren unumstößliche Basis, nämlich die Anerkenntnis der Existenz der Liebe als menschlichem Urgrund, zu schwach ausgeformt wurde. Daher erstarrte diese Philosophie so sehr, dass ihre späteren politischen Hauptvertreter allesamt zu Prozessaktenfressern und humanistischen Massenmördern mutierten. Manche brüsteten sich noch im Niedergang, sie täten damit der Menschheit einen großen Gefallen.

Kleine Belohnung für jegliches Durchhalten: The Mountains&The Trees, das ist Jon Janes, "Minimum wage lovers",2010 ( http://themountainsandthetrees.bandcamp.com/track/minimum-wage-lovers ).

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