Die Stadt der Frauen, mauerlose Antifeste

Weltfrauentag Mit Frauen lässt sich vortrefflich über die Geschlechterverhältnisse nachdenken, wenn nicht immer so viel Mainstreaming dabei ist. Ein paar literarische Beispiele dazu.

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Die Stadt der Frauen, mauerlose Antifeste

(Dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr ist ein Weltmenschentag. Zum Weltfrauentag, 8. März 2012)

Lieber Schloss als Burg

Chenonceaux: „Liebesschloß nennt es eine gewisse Touristikliteratur: besser angebracht wäre Schloß mondäner Berechnung und gelungener oder fehlgeschlagener finanzieller Machenschaften, Haus sorgenvoller Trauer oder einsamen Alters, Objekt von Streitigkeiten im Gefolge von Bankrotten oder des Endes einer Herrschaft,....“, schreibt Marguerite Yourcenar vom Mount Desert Island, zu jenem festen Adelshaus, das über den Wassern schwebt, das in Frankreich und um die Welt als Inbegriff der Maitressen-Romantik gilt.

Am Ende ist es ihr noch ein besonderes Anliegen, endlich die „Laterna-magica-Silhouetten der französischen Geschichte und Literatur“ hinter sich zu lassen und einen Blick auf jene zu werfen, die die Truhen polierten oder an die „Bonnen in weißen Schürzen des Grafen von Villeneuve“ zu erinnern. - Heute laufen mehr als 850.000 Besucher durch das Welterbe-Wasserbrückenschloss und seine Gärten. Die Männer, dort wohl eher in einer starken Minderheit, mehr durchgezogen als eigenwillig, während ihre Frauen genau hier die Laterna-Magica-Silhouetten suchen, nicht den Wechsel der Perspektiven.

Die Stadt der Frauen

Christine de Pizan, wohnhaft beim König von Frankreich und dessen manchmal neidischen Geschwistern zu Paris, lässt ihr Alter ego in ihrer Utopia vom besseren Leben der Frauen, „Le Livre de la Cité des Dames“ (Stadt der Frauen, 1404/1405), vornehmlich mit zwei Tugenden, der Vernunft und der Gerechtigkeit, reden. Diese beiden positiven Eigenschaften rufen ihr die großen und unterschätzten Frauen der Geschichte ins Gedächtnis. Rehabilitiert werden, neben Göttinnen und Königinnen, auch jene Hexe, die Männer in Schweine verwandeln kann, sowie die Tugenden der Antike und die drei neuen, christlichen, Glaube, Liebe, Hoffnung, die zur Zeit der Hofdame nicht allzu sehr geachtet wurden, in jenem Herbst des Mittelalters.

Das ist schon was anderes, als Thomas Morus politischer Traktat, „Utopia“, von 1515, der von einem eisernen Willen getrieben ist, den vorgeblich besseren Vernunftideen der Utopier, einen völlig rationalen und unwiderleglichen Sieg der Macht vorher zu sagen, weil sie längst nach dem Motto handeln: Nimm, was die Ineffizienten, Dummen und für dich Nutzlosen auf deiner Strecke und vor deinen Augen liegen lassen, oder eben nicht gescheit auszubeuten verstehen, ihnen endlich weg!

Das ist auch etwas anderes als der „Gottesstaat“ (irgendwann 410-430 a.d.) des Augustinus, von dem sich Christine de Pizan, die erste professionelle Schriftstellerin und Buchverlegerin der Geschichte, eine literarische Emotion ausborgt, die dem schreibenden Lordkanzler More völlig abgeht. Tiefe Herzenswärme und direkte Ansprache an das Lesepublikum sind ihr wichtig.

Christine, die traurige Witwe, weil sie zufällig glücklich verheiratet wurde, ist eine meisterhafte „Didaxe“ und eben keine Diktatorin. Der englische König hingegen, ganz im klassisch- konventionellen Machtdenken befangen, musste seines widerspenstigen Kanzlers Haupt abgeschlagen vor sich wissen, weil anders seine Furcht nicht zu besänftigen gewesen wäre. - Ein Herodes mehr.

Zur Ehrenrettung des katholischen Humanisten More: Er war ein treues Vatertier, so, wie seine Tochter, Margaret More-Roper, eine gebildete Humanistin wie er, Zeugnis für ihn ablegte. Sie hat dann seinen abgeschlagenen Kopf eingefordert und beigesetzt, der einen Monat lang der London Bridge aufgesteckt war.

Aber heute ist ja bei erwachsenen Menschen das Lernen, voneinander und untereinander, eher schon befragenswürdig, weil es immer als Bevormundung und Rangordnung missverstanden wird, obwohl es doch im Reich der Worte und Widerworte um völlig freiwillige Verträge geht, also um Angebote, die jederzeit abgelehnt werden können.

Margarete Zimmermann, die Christine de Pizans Frauenspiegel ins Deutsche übertrug, weiß wunderbar locker über sie und ihre Zeit zu schreiben. - Danke also, dieser modernen Didaxe. Die „Frau Meinung“, auch mit ihr spricht die Hofdame de Pizan, hatte auf die lange Dauer völlig Recht. Wir dürfen uns entängstigt an Christine freuen und sie loben. Sie hatte auch noch ein Männerbuch in Arbeit, aber ihre Zeit war um.

Der Krampf der Geschlechter

Woher kommt es, dass die ewigen Kriegsmetaphern zwischen Mann und Frau so kleben, sich als beständig erweisen und fortpflanzen? - Dazu etwas zu erfahren, könnten wir zum Beispiel in die Prager Straßenbahn, Linie 22, einsteigen und auf Libuše Moníkovas Lieblingsstrecke ein wenig mitfahren.

Vorbei am unheilvollen Weißen Berg, geht es ins „Tal der Wilden Šarka, wo der mythologische Mädchenkrieg einen seiner blutigen Höhepunkte fand, als die Anführerin Vlasta die schöne Šarka zwischen den Felsen anbinden ließ, als Lockvogel für den kämpferischen Ctirad. Als er sie befreien wollte, stürzten sich die Frauen aus dem Hinterhalt auf ihn und seine Begleiter, töteten alle, brachten den Edelmann auf ihre Burg und stellten ihn aufs Rad geflochten auf den Zinnen aus, den Männern zur Warnung. Das hat Přemysl, den Witwer von Libuše, seit deren Tod Frauen an Achtung und Respekt so eingebüßt hatten, daß sie den Krieg den alltäglichen Demütigungen vorzogen, so aufgebracht, daß er mit einer großen Übermacht von Männern gegen sie lospreschte und den Aufstand niederschlug; keine wurde verschont. Die Mädchenburg- Děvin- wurde dem Erdboden gleichgemacht, auf das kein Beleg existiere von der einstigen Macht und Wehrhaftigkeit der Frauen. Der Widerstand wurde ins Mythische verschoben (Libuše Moníkova, „Verklärte Nacht“).“

Machasprüche

Mann:

>>„Der Untergang der DDR interessiert dich überhaupt nicht, stimmt ´s? Das ist wirklich bemerkenswert.“<<

Frau:

>>Ich pellte mich aus dem Handtuch und begann, mich anzuziehen. „Das konnte ja gar nicht klappen mit der DDR“, sagte ich. „Die vorrangigen Primateninteressen heißen nun einmal nicht Gleichheit und Brüderlichkeit, sondern Macht und Geltung. Und letztlich werden diese Interessen in sämtlichen Staatsformen der Erde verfolgt. Mit unterschiedlichen Mitteln vielleicht, aber es sind immer dieselben Interessen.“

Mann:

>> „Ach ja, richtig - für Affen interessierst du dich ja auch noch. Aber du kannst nicht immer alles mit Affen erklären. Die sind nicht für alles zuständig, deine Affen. Wann sehe ich dich wieder?“<<

So schreibt Karen Duve in ihrem Roman „Taxi“, aus dem Jahre 2008, auf Seite Einsachtdrei.

Oh L´Amour

Schön, dass noch ab und an Zwerg und Zwergin aus der Flasche springen und die Liebe verteidigen, als ein ganz letztes, nicht von der Ökonomie aufgefressenes, widerständiges und freies Etwas. Romeo und Julia siegen. Jawohl!

Dietmar Dath und Barbara Kirchner schrieben sich jüngst gemeinsam die Finger an einem „Implex“ wund. Im entsprechenden Kapitel, der Titel steht über dem Absatz, heißt es unter Shakespeares, „Nenn´ Liebster mich, so bin ich neu getauft“:

Die Liebe ist tatsächlich und heimlich, „die größte (und tragischste) Errungenschaft des bürgerlichen Widerwillens gegen das Naturwüchsige: die Selbsternstnahme des nicht nur wünschenden, sondern auch planenden und arbeitenden Wesens. Man will als Einzelseele in ihrer haecceitas (in meiner gelebten Einmaligkeit und Einzigartigkeit, m.Einf.) geliebt werden, als genau diese, nicht irgend eine, man will das Angenommenwerden erleben als Ablehnung der Beliebigkeit des abstakten Moments >>Das Gemeinwesen verbindet alle mit allen<< erleben können (aus: „Der Implex, Sozialer Fortschritt: Geschichte und Idee“; die Lese-Idee verdanke ich einem „Freitag-Mann“, Sebastian Dörfler, www.freitag.de/kultur/1206-dietmar-dath-war-s-nicht-alleine ).“

Noch einmal Libuše Moníkova: „Er öffnet die Tür, das Gesicht gesenkt, wir sind beide wie gelähmt, stumm vor Schrecken. Ich fasse ihn an der Hand. Wir bekommen einen solchen elektrischen Schlag, daß wir zusammenzucken und dann anfangen zu lachen, da preßt er schon sein Gesicht an meinen Hals und hält mich fest,....Sie können wieder auspacken, sage ich.“(1)

Die Quintessenz lautet: Gesteht es ein, ihr liebt. Sprecht das gegenüber dem Anderen aus. Für diese Muthandlungen habt ihr ehrliche Antworten verdient. Sogar ein Scheitern macht euch nicht todunglücklich, weil es euch die Würde erhält und eine große Aussicht.

Christoph Leusch

(1) Darum sollten Liebende unbedingt auf Rubber soles daher kommen und billige Polyesterklamotten tragen.

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