Mehr als ein Outbreak

Tödlicher Virus In Westafrika breitet sich unkontrolliert eine Ebola-Epidemie aus. Die Menschen vor Ort sind überfordert, doch aus den Industrieländern kommt keine Unterstützung

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Mitglieder der "Ärzte ohne Grenzen" tragen die Leiche eines Ebola-Opfers in der Nähe von Guéckédou, Guinea
Mitglieder der "Ärzte ohne Grenzen" tragen die Leiche eines Ebola-Opfers in der Nähe von Guéckédou, Guinea

Bild: SEYLLOU/AFP/Getty Images

Ebola, mehr als ein Outbreak - Wo bleibt die Hilfe?

Seit ein paar Tagen berichten Newsmedien und einige Qualitätszeitungen (1,2) vermehrt über die Hilferufe der Seuchenbekämpfer in Guinea, Liberia und Sierra Leone.

Die gefürchtete Ebola-Virusinfektion hat erstmals die westafrikanische Küste erreicht und breitet sich dort in dicht besiedelten Gebieten aus. Was im Dezember 2013 zunächst noch wie ein kurzes Aufflammen der tödlichen Infektionskrankheit in einem der bekannten Endemiegebiete tief im waldigen und hügeligen Landesinneren Guineas (Guinée forestière) aussah, ist nun zur länderübergreifenden Gefahr geworden.

Die US-amerikanischen CDC (Centers for Disease Control) und die WHO dokumentieren derzeit (Stand: 18. Juni 2014), ca. 350 Todesopfer in den drei Ländern. Die Dunkelziffer muss hoch sein, weil in ländlichen Regionen mögliche Betroffene einfach verlassen werden und die Toten nicht untersucht werden können. Der Wissensstand in der einheimischen Bevölkerung blieb über die Jahrzehnte niedrig, bis auf die berechtigte, aber kopflos machende Furcht vor der tödlichen Gefahr. So werden die Bestattungsrituale, die mittlerweile als gesicherter Infektionsweg während der Epidemie gelten, nicht aufgegeben.

Selbst da, wo sich Afrikas angeblich beste Nachrichten-Webseiten umhören, z.B. Africa time.com/Guinée, ist man weitestgehend auf internationale Presseagenturen, z.B. AFP oder Reuters angewiesen (3). Im März 2014 war von einer „unheimlichen Krankheit“ die Rede, die erstmals Guinea bedrohe und im Distrikt der Provinzstadt Guéckédou bereits etliche Menschen umgebracht habe. Aktuell berichtete Africa time von einhundert Toten, allein in der Regionalmetropole und deren Umland. Als einzige Kräfte, die dort aktiv gegen die Seuche vorgehen, werden die Médcins sans frontièrs (MSF) genannt, die, wie in anderen Regionen Westafrikas und Zentralafrikas, dort ein Ebola-Behandlungszentrum errichtet hatten.

Eines ist klar: Mit den tödlichen Epidemien bakterieller und viraler Art, den endemischen Tropenkrankheiten und Wurminfektionen, der HIV- Infektion und ihren Folgen, sind die afrikanischen Länder, ohne die Hilfe der WHO und der westlichen NGOs, völlig überfordert.

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Die aktuell befallenen Regionen, nach dem Fact sheet der CDC/USA

Das geheimnisvolle Bioreservoir, Zwischenwirte die nicht sterben

Das Haupt-Bioreservoir der Erreger wird in verschiedenen recht seltenen, pflanzenfressenden Fledermausarten des westafrikanischen und zentralafrikanischen Dschungels vermutet. Deren hochkontagiöse Exkremente und Kadaver gelangen dann in Kontakt mit weiteren tierischen Wirten und dem Menschen. Bisher konnte eine direkte Übertragung vor Ort nicht nachgewiesen werden, obwohl Experimente mit geeigneten Versuchstieren diesen Weg sehr plausibel machen.

Aber auch Affen, die infiziert – manche überleben, manche sterben – von Menschen gejagt und verspeist werden, gelten als Quelle für die Ausbrüche. Ebenso kommen Flughunde und Nagetiere als Ebola-Reservoire in Frage, bei denen Viren nachgewiesen wurden, beziehungsweise in Hochsicherheitslabors auf diese übertragen werden konnten. Bei Menschen die eine Ebola-Virusinfektion überstehen oder nur unspezifisch und leicht erkranken, -das gibt es-, können noch nach drei Monaten in Körperflüssigkeiten aktive Virenpartikel nachgewiesen werden. Bewiesen ist, dass infizierte, überlebende Männer noch sieben Wochen nach ihrer völligen Genesung, mit der Samenflüssigkeit Ebola übertragen.

Mortalität

Die bisher festgestellten Erkrankungen in Westafrika werden allesamt durch den besonders aggressiven Zaire-Stamm des Virus verursacht. Dessen Mortalität – das ist die Sterblichkeit an der Infektion – beträgt 60- 90%, während drei weitere humanpathogene Ebola-Stämme nur eine Mortalität von 25- 60% aufweisen.

Das Wörtchen „nur“ ist dabei eine Verharmlosung! Man mache sich klar: An einer schweren Influenza-Virusgrippe verstirbt bei uns 1 Mensch unter einer Million Erkrankter, bis maximal 38 von 100.000 Infizierten, wenn der Grippe- Erreger besonders krankmachend ist. An einer bakteriellen Hirnhautentzündung mit Meningokokken (Neisseria meningitidis), die in kleineren, sehr lokalen Epidemien auch bei uns auftreten kann, versterben jedes Jahr 7- 8 Bundesbürger. Eine derzeit in Westafrika wütende Meningokokken-Epidemie, hat bisher ca. 850 Tote, bei mindestens zehnmal so vielen Infizierten verursacht. Diese Krankheiten werden nichtdestotrotz weltweit sehr ernst genommen, weil sie sich entweder schon global ausbreiteten (Influenza), oder aber besonders Risikogruppen, im Falle der Meningitis, Kleinkinder und junge Erwachsene, sowie ältere und geschwächte Menschen stärker treffen. Ebola scheint nun auf dem Weg zur überregionalen Ausbreitung!

Wie sieht die Krankheit aus?

Das Ebola-Virus verursacht ein schweres hämorrhagisches Fieber (Fieber mit Einblutungen in die Wände der Verdauungstraktes, in die Haut und die übrigen Schleimhäute), eine massive Unterdrückung des Immunsystems (Immunsuppression), die zu sekundären, bakteriellen Infekten führt, sowie sehr oft, eine disseminierte intravasale Gerinnungsstörung, bei der massiv Blutzellen und Bestandteile des Gerinnungssystems in fast allen Körperorganen zerfallen, bzw. aufgebraucht werden. Letzteres führt über ein Multiorganversagen zum Tod der Erkrankten.

Es ist unbestritten: Viele Todesfälle sind durch die mangelnde medizinische Versorgung mitbedingt. Fehlende Flüssigkeitszufuhr, unbehandelte Sekundärinfektionen und mangelnde Kreislaufstabilisierung, unter Ebola kommt es fast regelmäßg zu schweren Blutdruckabfällen und Schocksymptomen, leiten den fatalen Ausgang des Krankheitsverlaufs ein.

Die ersten Symptome, allgemeines Schwächegefühl, Durchfall, Schmerzen vom Magen- und Darmtrakt, Gelenk- und Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Erbrechen und Appetitverlust, sind völlig unspezifisch. D.h., sie kommen so, oder so ähnlich, bei vielen Tropenkrankheiten, bei Grippe, bei Magen-Darm Infektionen, in den betroffenen Gebieten beobachtet werden. Das und die sehr variable Inkubationszeit bis zum Ausbruch massiver Symptome von 2-21 Tagen erklärt, warum sich das hochinfektiöse Ebola-Virus rasch ausbreitet, bevor es überhaupt als Krankheitsursache erkannt werden kann.

Wenig bekannt und untersucht, dafür deutlich unterschätzt, wird, dass Ebola-Infekte, wie übrigens auch eine ganze Reihe weiterer Viruserkankung und bakterieller Infektionen mit viel größerer Verbreitung in Afrika, nach glücklicher Ausheilung Residualzustände (Restsymptome) zurücklassen.

Es bleiben, vor allem unter den schlechten Ernährungs- und Hygienebedingungen, bei einem großen Teil der überlebenden Patienten chronische Schwächezustände, psychische Veränderungen und eine erhöhte Krankheitsanfälligkeit bestehen. Kinder und Jugendliche leiden unter kognitiven Entwicklungsstörungen und einem allgemeinen Antriebsverlust. Schwere Infekte, wie z.B. auch HIV, wirken dort, wie der chronische, endemische Hunger und die Fehlernährung oder mit diesen Faktoren gemeinsam, negativ auf ganze Populationen.

Das Ansteckungsrisiko

Wie ansteckend das Virus ist, zeigt ein drastischer Fall aus Guinea, bei dem vier Angehörige einen Toten zur Beerdigung aus einem Krankenhaus abholten und sich dabei ebenso ansteckten, wie sämtliche Beerdigungshelfer. Neben Familienangehörigen, tragen also vor allem Erstelfer und das medizinische Personal in den ländlichen Regionen Afrikas, ein außergewöhnlich hohes Risiko, selbst zu erkranken. Ganze Hospitäler mussten in der Vergangenheit schließen, weil das Personal verstarb oder sich in Sicherheit brachte. Ohne ausreichenden Selbstschutz kann keine Behandlung durchgeführt werden.

Schon im März und April dieses Jahres warnten die WHO, die Mediziner ohne Grenzen (MSF), Virologen und Epidemiologen und das US-CDC, dass dieses Mal der „Outbreak“ von einer anderen Bedeutung sei, weil erstmals die Haupt- und Millionenstädte, Conakry in Guinea und Monrovia in Liberia, viele neuen Ebola-Infektionsfällen meldetenund damit das Virus bis zu den dichter besiedelten Küsten Westafrikas vorgedrungen ist. Bisherige lokale Epidemien liefen hauptsächlich in abgelegenen Regionen, mit relativ geringer Bevölkerungsdichte und wenigen Verbindungen über die lokale Ebene hinaus, ab. Es erkrankten Einheimische, Helfer und auch Forscher, die in diesen Gebieten nach den tierischen Reservoiren der Erkrankung suchten. Die eingeschränkten Kontakte nach außen, führten zur Selbstlimitierung der kleinen Epidemien. Dieses Mal ist das ganz anders (4).

Hilferuf der Ärzte ohne Grenzen

Crawford Kilian, ein unermüdlicher und sehr kenntnisreicher Beobachter aller weltweiten Infektionsmeldungen, schreibt dazu in seinem mustergültigen Blog, „H5N1“ (5) , dass die Ärzte ohne Grenzen mittlerweile von mindestens 60 verschiedenen Epidemieorten in den drei Ländern ausgehen. Deren ärztlicher Leiter, Dr. Bart Janssens, hält die Epidemie für derzeit außer Kontrolle und sich und seine Teams für überfordert. Kilian zitiert: „>>The WHO, the affected countries and their neighbouring countries must deploy the resources necessary for an epidemic of this scale,<<” says Janssen. >>In particular, qualified medical staff need to be made available, training in how to treat Ebola needs to be organised and, contact tracing and awareness-raising activities among the population need to be stepped up. Ebola is no longer a public health issue limited to Guinea: it is affecting the whole of West Africa.<<” und er fasst zusammen: „I can't recall an MSF report as angry and frustrated as this one.“ Beschämend, dass es so weit kommen musste.

Ebola, das Virus

Die bisher bekannten fünf Stämme des Ebola-Virus gehören, zusammen mit dem ebenfalls für Menschen hochinfektiösen und häufig tödlichen Marburg- Virus, das 1967, nach einem spektakulären Ausbruch in Frankfurter- und Marburger Kliniklabors, sowie in Sarajewo, erstmals beschrieben wurde, zu den sogenanntenFiloviridae, den fadenförmigen Viren.

Ihr Aussehen unter dem Elektronenmikrosop ist so typisch, dass es zur Diagnose und Klassifizierung reicht: Ca. 80 Billionstel Meter (Nanometer) im Durchmesser, kann der Viruspartikelfaden bis zu 14.000 Billionstel Meter lang sein, wobei sich intakte Viruseinzeleinheiten von 800- 1000 Nanometern Länge einfach aneinander hängen. So entsteht ein Biomolekül-Wurm an der Grenze zwischen Leben und toter, organischer Materie, der immer Zwischenwirte und Zielorganismen braucht, um sich zu verbreiten und zu vermehren. Dabei lässt er viele seiner Endwirte schwer erkranken und bringt einen Teil davon, unter anderem Menschen und Menschenaffen, um.

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Dieses erstaunlich einfache Gebilde besteht aus gerade einmal sieben Genen in einem Ribonukleinsäure- Einzelstrang (ssRNA, eine Form der Vererbungsmoleküle), aus dem der Rest des Virus, mit Hilfe des Stoffwechsels der befallenen Wirtszellen abgelesen und hergestellt wird. Ein einziges, variables Glykoprotein ragt aus der Virenhülle aus gleichförmigen Proteinen und stellt mit seinen kelchförmigen Ausläufern den Erstkontakt zu den Wirtszellen her, über die das Virus am sogenannten Nieman-Pick C1 (NPC1) Cholesterol-Transporter Protein andockt, um per Endozytose ins Zellplasma zu gelangen und sich dort zu vermehren. Die übrigen viruseigenen Eiweiße, einschließlich der RNA- Replikase und Transkriptase zur Auslese der Erbinformation, bilden einen dichten Kernkomplex um die Virus-RNA (siehe Abbildung und (6)).

Ebola greift fast alle Zellen des Körpers an, hat aber, der biologische Vorteil liegt auf der Hand, diese Zellen gelangen schließlich überall im Körper hin, eine gewisse „Vorliebe“ für die Fresszellen (Phagozyten) des Immunsystems.

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Aus: Heinz Feldmann und Thomas W. Geisbert, Ebola haemorrhagic fever, in: Lancet, 2011, March 5; 377(9768): 849–862. doi:10.1016/S0140-6736(10)60667-8

Diagnose und Schutz, bevor man selbst krank wird, das ist schwierig

Eines der größten Probleme ist, dass Ebola-Infektionen regelrecht Anlauf nehmen. Manches Mal erkennt man im nachhinein die zwei Phasen einer typischen Viruserkrankung. Dabei bleiben die direkt beobachtbaren Symptome lange unspezifisch. Ärzte und Krankenhäuser müssen sich in den Endemiegebieten auf Labors und deren schnelle uns sichere Arbeit verlassen können und jederzeit, beim geringsten Verdacht Isolationen durchführen und sich selbst mit Kleidung und ständiger Desinfektion schützen. Gerade in den Tropen, ist auch eine aerosolische Übertragung (Luftweg, Tröpfchen!) des hochkontagiösen und infektiösen Virus möglich (1-10 aerolisierte Viruspartikel genügten, um in Laborversuchen Tiere zu infizieren (7)), obwohl vorwiegend Körperauscheidungen und Körperflüssigkeiten, sowie Gewebe und kontaminierte Oberflächen, sich als Überträger erwiesen haben. Wer will sich schon einer solchen großen Gefahr aussetzen, wenn erst einmal ein Ausbruch bekannt wird und nun alle Kranken mit Symptomen die das noch können, in die wenigen Krankenhäuser strömen?

Ebola-Bekämpfung, aber auch medizinische Versorgung gegen einige andere Tropenfieber, ist unter afrikanischen Bedingungen immer noch eine heroische Aufgabe.

Gerade für Ebola hat der damit verbundene, verständliche Stress für die Behandler auch dazu geführt, dass viele Fallakten, die Auskunft über die Diagnostik und die ergriffenen Behandlungsstrategien geben könnten, unvollständig blieben oder gar verbrannt wurden, weil man die Übertragung der Erreger durch das Papier der Akten befürchtete. Ebenso wurden Proben von Körperflüssigkeiten und Gewebe vollständig vernichtet. Zu groß blieb die verständliche Furcht, obwohl es mittlerweile relativ einfache Methoden gibt, mit denen die Pathogenität von infiziertem Probenmaterial aufgehoben werden kann, um dann an den Viruspartikeln und Resten zu forschen.

Das Ergebnis dieses Mangels: Trotz der langen Zeit seit der Erstentdeckung des Sudan- und des Zaire-Stammes (heute Demokratische Republik Kongo), 1976, sind gute Dokumentationen und damit Informationen zu den Erkrankungsausbrüchen, Verläufen und Behandlungen rar, wie Silja Bühler, Paul Roddy, Ellen Nolte und Matthias Borchert im Fachjournal Viruses jüngst anmerkten (Clinical Documentation and Data Transfer from Ebola and Marburg Virus Disease Wards in Outbreak Settings: Health Care Workers’ Experiences and Preferences, Viruses 2014, 6, 927-937; doi:10.3390/v6020927 ).

Moderne Datenübertragung, die eine Beurteilung von Bildmaterial und erhobenen Patientenbefunde außerhalb der Gefahrenzonen ermöglichte, fehlt in West- und Zentralafrika ebenso, wie die ausreichend sichere Versorgung der Infektionsabteilungen mit Elektrizität und eine sichere Entsorgung der Klinikabfälle. Eine kluge, auch unter Stress belastbare Einrichtung der Isolierstationen unterblieb, sofern sie nicht von internationalen Hilfsorganisationen eingerichtet wurden. Es ist klar, dass das medizinisches Personal, mitten unter sterbenden und leidenden Patienten, in schlecht ausgestatteten Einrichtungen, ganz andere Sorgen hat, als sicher und ausreichend zu dokumentieren.

Marktübliche elektronische Geräte halten die notwendige Desinfektion nicht aus oder sind nicht ausreichend hitze- und feuchtigkeitsresistent. Drahtlose Übertragung, Fax-Scanner und konsequente Aufschreibsystematiken mit einen pemanenten, erfahrenen Begleiter an der Seite, der jedoch selbst jeden Kontakt zu den Kranken meidet und nicht mitbehandeln muss, könnten in der Zukunft jedoch helfen, das mangelnde Wissen, auch darüber, was an symtomatischer Therapie überhaupt erfolgreich ist, deutlich zu verbessern. - Bisher wird die Ebola-Behandlung ohne verlässliche, einheitliche Standards durchgeführt.

Was könnte zukünftig helfen?

Obwohl die Behandlung derzeit rein symptomatisch erfolgt, gibt es erste Ansätze für eine gezielte Therapie. Monoklonale Antikörper, Anti-Viren RNA- Fragmente, neue Virostatika, Interferon, synthetische Adenosin-Analoga, u.ä., erwiesen sich in Tierversuchen als sehr gut wirksam. Impfungen gibt es bisher nicht, was auch mit den enormen Kosten für die Forschung in Hochsicherheitslabors zu tun hat, die zudem nicht ohne persönliches Risiko erfolgen kann.

Nichts von der neuen Hightech-Medizin ist bisher in die klinische Praxis gedrungen. Zudem sind die meisten Behandlungsstrategien an unseren Klinikstandards orientiert, nicht an denen der Seuchengebiete. Alle Methoden sind zudem teuer. Sehr wahrscheinlich ist allerdings, dass es für die Reisenden aus Industrieländern in die afrikanischen Endemiegebiete, eher eine Reiseprophylaxe geben wird, als je ausreichend helfende Strukturen in den betroffenen Ländern.

Woran wirklich Bedarf besteht, was vor Ort, in einem überschaubaren Zeitraum helfen könnte und das nicht nur bei den Ebola-Ausbrüchen, wäre ein systematisches, flächendeckendes, medizinisches Aufbau- und Ausbildungsprogramm für West- und Zentralafrika, nicht der weitere Wegkauf der schmalen ärztlichen, pflegerischen und wissenschaftlichen Funktionselite der Länder in den goldenen Westen.

Das Grundübel: Die heimlichen und unheimlichen Terms of Trade der Welt

Guinea, das nun hauptsächlich von Ebola betroffene Land, verkauft seine reichlichen Bodenschätze, an Bauxit zur Aluminiumherstellung, an Gold und Diamanten, an Eisenerz höchster Qualität, an Öl und Gas vor der Küste, zu Spottpreisen an westliche, russische und chinesische Investoren, die sich dazu auch nicht scheuen, windige Konsortialpartnerschaften und gar Briefkastenfirmen in Steuerparadiesen zu gründen und sich sehr einseitige, längerfristige Verträge mit festen Konditionen von den jeweils Regierenden garantieren lassen. Einige Multinationals aus Europa, den USA und Südafrika mischen kräftig mit. - Sobald die Rohstoffe und Agarprodukte das Land verlassen, steigert sich ihr Wert um ein Vielfaches!

Die Weltbank und der IMF schauen derweil, glücklich in ihrer Ideologie befangen, auf die groben Parameter: Das Wirtschaftswachstum (>5%/Jahr) , die Kreditwürdigkeit des Großschuldners Guinea, sowie auf die Inflation von nur noch 90%. Alles bestens, obwohl das pro Kopf Einkommen des Landes seit den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts um ca. 15% absank und in Guinea gehungert wird!

Die politischen Eliten des Landes lassen sich leicht korrumpieren. Direkte Gelder an die Regierungen und Behördenchefs landen auf privaten Konten und eine dünne Oberschicht freut sich über ihren schnell wachsenden, praktisch arbeitslosen Reichtum.

In fast allen sozialen und gesundheitsrelevanten Bereichen ist die Masse der Bevölkerung auf dem Stand der schwächsten Entwicklungsländer der Erde geblieben. Die Mütter- und Säuglingssterblichkeit ist hoch, es herrscht, quantitativ und qualitativ, verbreitet Hunger. Die Vielzahl ausgepowerter und schlecht ernährter Menschen, lässt jede Infektionskrankheit, selbst wenn sie nicht so tödlich ist, wie das hämorrhagische Ebola- Fieber , zu einem Lebensrisiko werden und die Arbeitsproduktivität absinken. Schüler kommen nicht zur Schule oder lernen wegen ihres körperlichen Zustands nichts. - Was bisher nirgendwo ausreichend diskutiert und beforscht wird: Der schlechte Gesundheits- und Versorgungszustand schädigt dauerhaft die Leistungsfähigkeit der Gehirne ganzer Generationen junger Afrikaner. Vielleicht will es niemand so genau wissen!

Afrika, Ziel der Ausbeutung, nicht der Entwicklung

Guinea, Ebola und die Schande, dass eine ausreichende Versorgung gegen Seuchen über Jahrzehnte nicht aufgebaut werden konnte, sind symptomatisch für die generelle Behandlung Afrikas, als Hinterhof und Müllkippe, als riesige, für uns sehr günstige Abbaugrube begehrter Rohstoffe und als Agarfläche der Welt-Luxusökonomie. Selbst im vergleichsweise reichen Südafrika verschärften sich die sozialen Gegensätze und die Wohlstands- und Einkommensunterschiede wachsen drastisch. Auch dort, wird in einigen Gebieten gehungert!

Christoph Leusch

1) http://www.bbc.com/news/world-africa-27950827

2) http://www.independent.co.uk/news/world/africa/ebola-outbreak-virus-is-totally-out-of-control-warns-doctors-without-borders-medic-9553337.html

3) http://fr.africatime.com/guinee/articles/guinee-forestiere-une-maladie-inconnue-en-guinee-tue-plusieurs-personnes-gueckedou, die Meldung aus dem März. Und nun: http://fr.africatime.com/guinee/db/le-virus-ebola-continue-de-se-propager-en-afrique-de-louest

4) http://www.cdc.gov/vhf/ebola/outbreaks/guinea/ ; regelmäßig aktualisierte, sehr übersichtliche Seite der Centers of Disease Control and Prevention, zur Situation im Epidemiegebiet und zum Grundwissen zu dieser und anderen übertragbaren Erkrankungen. - Diese Seite kann als erste Informationsquelle immer empfohlen werden.

5) Ein lesenswertes Blog zu Infektionen jeglicher Art: http://crofsblogs.typepad.com/h5n1/

Hier mit der Zusammenfassung der Stellungnahme der MSF zur Situation in Guinea, Liberia und Sierra Leone.

6) http://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMp1405314 , Heinz Feldmann, Ebola- A Growing Threat?,New England Journal of Medicine, May 7, 2014DOI: 10.1056/NEJMp1405314; ein gut verständlicher, sehr kurzer Überblick, mit der hier eingefügten Modellskizze.

7) http://www.phac-aspc.gc.ca/lab-bio/res/psds-ftss/ebola-eng.php#note21 : Es ist kein Wunder, dass dem US-CDC und verschiedenen militärischen Mikrobiologen, die mögliche Verwendbarkeit des Virus als Biowaffe sofort auffiel. Weil Ebola mit Aerosolen, vielleicht sogar mit Stäuben auf Schleimhäute übertragen werden kann, müssen die Behandler auch Schutzbrillen tragen. - Atemgeräte sind aber nicht erforderlich, es reichen Schutzmasken und die tägliche, vollständige Reinigung nach der Arbeit.

Wer die eingebetteten Grafiken genauer und lesbar vergrößert anschauen möchte und noch einige zusätzliche Informationen zum Verbreitungsgebiet und zur Geschichte der Ebola- Infektionen sucht, der kann dies auf meiner Webseite tun: http://haendlerundheldenmbh.blogspot.de/2014/06/ebola-mehr-als-ein-outbreak.html

Grundsätzlich empfehlen, für alle wirklich unermüdlichen Leser, kann ich:

1) Heinz Feldmann und Thomas W. Geisbert, Ebola haemorrhagic fever, aus:
The Lancet, 2011 March 5; 377(9768): 849–862. doi:10.1016/S0140-6736(10)60667-8; obwohl der Artikel schon ein wenig älter ist, überzeugt der Überblick zu allen Aspekten der Krankheit, durch verständliche Sprache und guten Aufbau. Angefügt sind erläuternde Grafiken. http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736%2810%2960667-8/abstract ;

Ergänzung, 26.06.2014: Hier eine frei zugängliche Quelle zu dem Lancet-Artikel: http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC3406178/

Auf der Linkseite lässt sich auch der gesamte Artikel herunterladen.

2)Vorbildlich klar und gut strukturiert, die Seiten der Centers for Disease Control and Prevention (CDC): http://www.cdc.gov/vhf/ebola/index.html

3) Kurz, knapp, fast nur Text, aber sicher präzise, die Seiten des Robert-Koch- Insituts (RKI), Berlin: http://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/E/Ebola/Uebersicht.html

4) Bernhard-Nocht-Institut, Hamburg, Prof. Stephan Günther: http://www.bnitm.de/aktuelles/mitteilungen/481-neuer-ebola-stamm-in-guinea-identifiziert/

Das tropenmedizinische Institut ist führend bei der Diagnostik der Ebola-Stämme und bietet, im europäischen Verbund, ein so dringlich notwendiges, mobiles Labor an, das trotzdem ausreichend sicher ist.

Christoph Leusch

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