Heilige römische Demokratie?-Staatsmann Papst

Benedikt&Bundestag Benedikt XVI, Joseph Ratzinger, sprach, mit des Philosophen Hans Kelsens Gedanken, im Bundestag über Demokratie. Maßstäbe, die nur eingeschränkt für die Kirche gelten.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um ein Blog aus der Freitag-Community.
Ihre Freitag-Redaktion

Demokratie ist die ewig währende, heimliche Herrschaft der Minderheiten, ohne dabei die Mehrheit wesentlich zu stören. - Ohne dieses Prinzip, gibt es keine vollgültige, keine moderne Demokratie. - Papst Benedikt bekennt sich als demokratischer Staatsmann.

I Der Ponifex als Außendemokrat

Eine schöne Rede war es, eine kluge Rede! Eine, die auch heidnischen Philosophen und Sozialethikern der Demokratie gut angestanden hätte. Weil es aber schon länger keine solchen Philosophen und Sozialethiker mehr gibt, lassen sich solche Reden nur noch philosophische Theologen aufschreiben.

Benedikt sprach eine wesentliche staatsrechtliche und philosophische Botschaft aus und bediente sich dabei der Überzeugungen Hans Kelsens. Keine schlechte Wahl, fand ich!

Die Demokratie und ihre, aus der abendländischen Geschichte (Für den Papst fallen griechische Philosopphie, Talmud, Bibel und römisches Recht zwangloser zusammen, als für den Kommentator) erwachsene Moral der freien Gesellschaft hat eine ihrer wichtigsten Bestimmungen gerade darin, trotz des heiligen Prinzips der Mehrheitsherrschaft (Wahlen, Akklamationen, direkte Demokratie), Minderheiten immer mit zu bedenken, sie gar zu ertüchtigen und zu privilegieren. - Demokratie ist also die Herrschaft der Mehrheit, die sich selbst nie ohne die Minderheit denken kann. Sonst ist die Herrschaft gar nicht demokratisch, selbst wenn ständig gewählt wird und sogar 99,8% Mehrheiten, abzüglich einiger trottelig ungültiger Stimmen sich bildeten, oder der mediale TED mit übergroßer Mehrheit ein Verlangen ausdrückt.

Minderheiten können zwar immer zu Mehrheiten werden, aber es geht dem Papst bei dieser unbedingten und würdevollen Anerkenntnis der Minderheit, auch jener Teile die politisch wenig Aussicht auf eine breite Zustimmung haben, gerade nicht um diese Chance. Das Minderheitenrecht ist ein Prinzip, dessen Ursprung nicht in der Antike, nicht im Talmud und auch nicht in der Bibel steht. Es stammt aus dem Geist der Aufklärung, aus dem Zeitalter der bürgerlichen Revolutionen. - Schön, von diesem Papst ein so eindeutiges Bekenntnis dazu zu hören!

Benedikt ist vorausschauend. Denn das Los einer Minderheit in der Mehrheit teilen die wenigen Katholiken, die mit dem Papst, seinen Bischöfen und Priestern den Glauben noch streng praktizieren. Sie bilden eine Gemeinschaft mit oftmals schwer verständlichen Prinzipien, die selbst jenen fremd vorkommen, die zwar katholisch getauft wurden, oft auch noch so heiraten und ihre Kinder taufen lassen, weil sie das für sozial konform und auch für romantisch halten, aber im Alltag schon lange nicht mehr katholisch leben.

Einige wenige Menschen beneiden die Glaubensfesten, bringen aber nicht den Mutwillen auf, sich von letzten Zweifeln zu trennen und so rigide zu werden wie diese. Der Zweifel und die Schwäche ist ein menschliches Gut. So manche Jahrhundertschandtat geht auf das Konto der ganz Sicheren und Überzeugten, und deren Entschiedenheit lässt nicht nur die Augen oft klein und die Münder sehr schmallippig werden, sondern häufig auch das Herz furchtbar eng.

Dabei macht es die heilige römische Kirche ihren Gläubigen im Prinzip recht einfach, denn selbst Gegensätze lassen sich vereinen, solange das Bekenntnis stimmt.

So manche zu Macht und Reichtum gekommene Menschenseele der ersten, zweiten und dritten Welt erleichtert der katholische Seelsorger privatissime, gerne und regelmäßig von jenem Seelenbalast, über das Elend direkt nebenan allzu tief nachgrübeln zu müssen. Die Trostspender der schmalen Oberschichten aus den letzten Jahrzehnten, sie sitzen heute, ob sie aus Afrika, Asien oder Lateinamerika kommen, auf den Erbischofssitzen und tragen sehr häufig den Kardinalspurpur.

Die Armen bekommen ebenfalls geistige Speisung, denn ihnen, den Armen im Geiste, gemeinsam mit den Kindern, ist das Himmelreich schon sicher, wie vor fünfhundert und vor tausend Jahren.

Zuverlässig spendet die Kirche jedermann Trost. Genau so ewig währt auch die Ungleichverteilung, die aber, so scheint es jedenfalls nach so langer Zeit, durchaus der göttlichen Ordnung entspricht.

Die Priester der Armen, die sich damit nicht abfinden wollten, sie sind in dieser römisch-katholischen Kirche buchstäblich nichts geworden und von einem hohen Amt in der Hierarchie weiter entfernt denn je. Sie dürfen nicht leiten und anweisen, nicht planen und strukturieren und vor allem kein Geld ausgeben. Nein, ganz im Gegenteil, sie müssen gehorchen und sich der Observanz aus Rom beugen.

Ist es ein Grauen oder eher eine Wohltat, dass die beiden christlichen Kirchen im Prinzip mit jeder weltlichen Machtordnung und mit jeder sozialen Schieflage ganz gut zurecht kommen können, solange das ihren Lebensnerv nicht durchtrennt? „Gott mit uns“ und nur mit uns, das gilt immer noch. Ganze Nationen fühlen sich auch heute noch prädestiniert, auch wenn sie nicht mehr vorwiegend katholisch, sondern zunehmend evangelikal zu denken lernen. Sogar ein modern anmutender, die Emanzipation und Freiheit in seiner Person verkörpernder Präsident im Weißen Haus, betont an jedem dritten Tag im Amt die Stärke seiner Nation aus göttlicher Bestimmung und Auswahl. - Aber das ist natürlich ein Faktum, das unmöglich nur einem christlichen Würdenträger und besonders diesem Papst angelastet und vorgerechnet werden könnte.

II Bewahrung der Schöpfung und Humanökologie

Die Bewahrung der Schöpfung, die Anerkennung des Ökologie und des ökologischen Denkens, die völlige Akzeptanz der wissenschaftsgeleiteten Vernunft, als Leitschiene zu Erkenntnis in dieser Welt, das ist der zweite große Gedanke des deutschen Papstes in seiner Bundestagsrede. - Er war dazu nicht unbedingt gezwungen, denn derzeit herrscht eine gewisse Ruhe an der Front, zwischen den Wissenschaften und dem katholischen Lehramt, einmal von ein paar Steinzeit-Darwinisten abgesehen, einmal von ein paar praktischen Problemen der Biomedizin und der Gentechnik großzügig weg geschaut.

Der theologische Philosoph Benedikt- Ratzinger war so weise, die Ökologie genau da zu erden, wo vor lauter Tierliebe und Gartenfreundlichkeit, vor lauter Affenliebe zur Natur, manches Mal in Vergessenheit gerät, wer da die Schlüsselgewalt mittlerweile in Händen trägt. Bisher herrscht auf dieser Erde nur eine einzige Spezies über die Art und Weise der Ökologie, tauscht sich dazu aus, verständigt sich und bastelt am Weltbild.

Der Mensch, der selbst einer humanen Ökologie bedarf, damit in allem Können und Wollen auch noch genügend unbehauene, nicht gestaltete und einflußreich-natürliche Materie zur ständigen Erneuerung der Schöpfung übrig bleibt, ist der ökologische Adressat der Botschaft des Papstes. Er kann erkennen, was für den Erhalt der Natur, -der göttlichen Schöpfung nach Kirchenmeinung-, notwendig ist und er anerkennt den Wert dieser Schöpfung. So jedenfalls entspricht es nun dem anerkannten Ideal, auch der Kirche aus Rom.

Das ist kein völlig unbrauchbarer, sondern eher ein kluger Ansatz. Entfernt erinnert er an Teilhard de Chardins Schöpfungs- und Geschöpflichkeitsphilosophie und natürlich an Max Schelers „Die Stellung des Menschen im Kosmos“. Der polnische Papst, Ratzingers Vorgänger leuchtet da ebenfalls ein wenig durch, denn der war ein ausgewiesener Kenner der Schelerschen Philosophie und Anthropologie.

Kurzum, diese Rede ist eine mutige Botschaft unseres Papstes, die das Herz anrührt und von päpstlichem Herzen kommt.

Allein, die Sprache des Papstes, diese gezähmte und zivilisierte, diese sehr diplomatische Sprache, signalisiert auch, dass unter Umständen die "Kirche der Überzeugten und Wenigen" auch ohne eine natürliche biologische Welt, weiter an die dann einzig verbleibenden katholischen Tiefseebohrer, Manganknollensammler, Holzfäller und Genetiker glauben wird. - Die Kirche begleitet den Menschen weiterhin auf all´seinen Wegen und Abwegen, und sie segnet ihn dafür, bei Zeiten. Vorhaltungen macht sie eher jenen, die in Fragen von Ehe und Sexualität anders denken und trotzdem teilnehmen wollen an der katholischen Gemeinschaft. Vorhaltungen, wenn auch milderer Art, werden von ihr erhoben gegen jene, die die katholische Kirche nicht mehr als Universalkirche sehen.

Christen hatten in der Geschichte oftmals wenig Respekt vor der Natur. Auch nicht vor den Geschöpfen die ihnen doch einigermaßen ähnlich sahen, aber nicht bereit waren zu glauben. Es gab sogar Kirchenmänner, die das zeitig erkannten, sich aber nicht durchsetzten. - Benedikt fängt hier wahrhaftig eine neue Tradition an, beziehungsweise, er legt eine ziemlich verschüttete Tradition des Katholizismus wieder frei.

Jedoch, sein Bestreben hat bisher keine praktische Konsequenzen gehabt, so sehr man den Ernst und Mut dieses 84-jährigen Hellsichtigen bewundern mag. Die Kirche mahnt allgemein, aber nie speziell, sie nimmt nicht ernsthaft Partei gegen den Raubbau an menschlicher und sonstiger Natur. Zu viele Christen bleiben in den Raubbau eingebunden, verdingen sich und profitieren davon.

III Der katholischen Kirche fehlt eine Aufgabenbeschreibung über den Selbsterhalt hinaus

Diese Betrachtung der Rede Benedikts führt sehr schnell zu der Erkenntnis, dass sich an den realen Problemen der deutschen katholischen Kirche gar nichts wesentlich ändern wird.

Der Papst sprach als Staatsmann und bekannte sich zu einer säkularen Demokratie. Er tat das vielleicht sogar enthusiastischer als seine letzten Vorgänger im Amt. Zwei Prinzipen schienen im dabei besonders wichtig: Der Minderheitenschutz, der in wahrhaftigen Demokratien und in der Welt-UN-Ordnung viel eher ein Minderheitenrecht und sogar eine Macht der Minderheit sein muss, andererseits die unbedingte Würde der Natur und vielmehr noch, die des ökologischen Menschen in ihr.

Benedikt meint damit eine individuelle und soziale Würde des Menschen als Teil der Natur, die kein Mehrheits- oder Machtentscheid je aufheben kann. - An diesen Stellen scheint ein wenig Weltethos auf, zu dem die katholische Kirche auch nach mehr als zweitausend Jahren durchaus noch fähig ist. Die feine Stimme des greisen Papstes gewinnt plötzlich an Glaubwürdigkeit, denn auf den Minderheiten dieser Welt liegt der göttliche Segen! Das ist tiefer Humanismus, wenn er denn aus der Rede des Papstes auf die Menschheit über ginge und die eigene Kirchenhierarchie einmal beseelte, auch im Alltag so zu handeln, mit den vielfältig ausgegrenzten, den großen Minderheiten und den Schutzbefohlenen.

Die deutsche katholische Kirche steckt in einer Krise. Sie kann die geforderte Transparenz nicht ausreichend herstellen, die nötig wäre, das tiefe Misstrauen der noch Gläubigen abzubauen, sie hätten in ihrer ureigenen Kirche, als ewige Laien, über die so wichtigen sozialen und gemeindlichen Dienstleistungsfunktionen hinaus, keinen wesentlichen Einfluß. Aufklärung bleibt, selbst für Verbrechen der Kirchenverteter, in einer Demokratie und Rechtsordnung die der Papst für seine Kirche uneingeschränkt befürwortet, eine reine Hoffnung, aber sie ist längst keine durchgängige Realität!

Haben schon die Laien in den eigentlichen Fragen des Glaubens nicht viel zu sagen, so schleppt die römisch-katholische Kirche noch eine zweites Bleigewicht mit sich, das dem eigenen Anspruch, nämlich prinzipiell Kirche aller Menschen sein zu können, fundamental widerspricht.

Frauen bleiben zweite Wahl und jene Männer, die nicht so sind, wie es sich das Dogma für sie wünscht, ebenfalls. - Nicht eine einzige Frau hat heute in der katholischen Kirche Deutschlands die Stellung und Würde, die einstmals, im tiefsten, hohen Mittelalter Hildegard von Bingen, Hrosvit von Gandersheim, Tenxwind von Andernach oder der Perlenkette der Äbtissinnen des Klosters Essen-Werden zugebilligt wurde.

Wir kennen keine bedeutende Theologin der katholischen Kirche Deutschlands, keine Würdenträgerin, die in der Bischofskonferenz säße, keine Prälatin und keine Vorsteherin einer Gemeinde, deren Ruf, Predigt und Liturgie weit hinaus in die Welt, und sei es nur die jenes heimeligen Deutschlands, drängte. - Es ist damit schlimmer und verhält sich überall stummer als in den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts, als zumindest eine Uta Ranke-Heinemann auf sich aufmerksam machte und am fernen Horizont schon die Päpstin sah. Einst saß diese Frau fast neben Benedikt im selben Seminar der Universität München. In sozialethischen Fragen wird zwar TV-medial immer wieder von einem Namensvetter des kommunistischen „Kruzimarx“ berichtet, der auch ´mal in Trier Bischof war, aber so recht klipp und klar sind dessen Botschaften nicht, eher windelweich, eher Auslegware.

Christoph Leusch

Dieser Beitrag gibt die Meinung des Autors wieder, nicht notwendigerweise die der Redaktion des Freitag.
Geschrieben von

Was ist Ihre Meinung?
Diskutieren Sie mit.

Kommentare einblenden