Keine Frage: Crystal Meth ist ein lang bekanntes, illegales und gesundheitsgefährdendes Suchtmittel. Allerdings bleiben die Zahlen der gesundheitlich und psychisch chronisch Geschädigten, allemal die der verursachten Todesfälle, meilenweit zurück hinter denen für die Volkssüchte: Alkohol und Rauchen. Trotzdem schlägt die öffentliche Erregung Wellen, werden prominente Fälle oder eindrückliche Einzelschicksale von Crystal-Meth-Konsumenten bekannt. Jetzt wird über den Grünen-Politiker Volker Beck diskutiert, bei dem angeblich 0,6 Gramm der Droge gefunden wurden.
Crystal Meth ist billig im Vergleich zu anderen Drogen und wird von Bürgern aller sozialen Schichten konsumiert. Der toxische Stoff kursiert unter Sexdienstleistern, unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf der Suche nach Selbstsicherheit in endloser Amüsierfähigkeit. Auch leistungsorientierte und beruflich gestresste Menschen suchen danach. Sie glauben an die stoffgebundene Lockerung ihrer rigiden Pläne und Selbstverpflichtungen. Sie wollen, selbst in ihrer Freizeit, unbedingt erfolgreich sein, niemals versagen. Für die meisten Nutzer und für ihre Umgebung erscheint die Droge subjektiv nicht als leistungsmindernd, und sie verspricht die bewusst gesuchte Entgrenzung und Erregung. So gesehen ist Crystal Meth die Modedroge der Jetztzeit. Äußerst selten dient der Stoff auch als Notnagel in der ärztlichen Therapie, etwa bei krankhaften Schlafattacken oder beim Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom.
Die Horrorbilder im Internet und in den Medien verzerren die Wahrnehmung. Man starte zum Vergleich einmal die Bildsuche zu den Stichworten „Crystal Meth“ und „Schnaps“ in einer Suchmaschine. Ja, solche Fälle des Meth-Konsums gehören zur Wahrheit – genauso wie die Leberzirrhose zum Alkoholismus, wie der Lungenkrebs zum Rauchen.
Vorrang der Rehabilitation
Überraschend ist der unbedingte Bestrafungs- und Ausgrenzungswille der medialen Öffentlichkeit gegenüber Personen, die beim Kauf oder Konsum illegaler Drogen ertappt wurden. Vor dem Gesetz herrscht mittlerweile mehr Gnade. Eingeleitete Verfahren werden oft wegen Geringfügigkeit eingestellt (teilweise mit Auflagen oder Geldbußen), die Grenze liegt seit den 80er Jahren bei fünf bis zehn Gramm. Schließlich gelten Sucht und Drogenmissbrauch offiziell als Krankheiten oder krankhafte Störungen. So steht es im deutschen Sozialgesetzbuch, im Katalog der Weltgesundheitsorganisation und der UN-Behindertenrechtskonvention.
Das Sozialgesetzbuch betont ausdrücklich den Vorrang der Rehabilitation und die Pflicht aller Institutionen, auf die Erhaltung und Verbesserung des sozialen Status sowie aller bürgerlichen Mitwirkungs- und Beteiligungsrechte der Betroffenen hinzuwirken. Strafrechtlich wird das längst berücksichtigt. Nur die Öffentlichkeit will davon nichts wissen. Abhängige werden abgeurteilt. Die Nutzer illegaler Drogen gelten nicht als Täter geringfügiger Delikte, die sich vor allem selbst schädigen. Man hält sie vielmehr für ungeeignet, ihren Beruf auszuüben und gar ihre Bürgerrechte wahrzunehmen, erklärt sie voreilig ihrer Sachkompetenz und Intelligenz verlustig.
Bei Wiederholungstätern und bei größeren Mengen droht Gefängnis. Die Strafen reichen bis zu fünf Jahren Haft, möglich ist auch der Maßregelvollzug, die sogenannte Therapie statt Strafe. Meist trifft es Konsumenten und nur sehr selten die Profi-Dealer, die Profite statt Persönlichkeitsveränderungen anstreben und die leicht greifbaren Endglieder ihre Verteilerzweige mit willigen Abhängigen besetzen.
Eine strengere Haltung gegenüber Drogenabhängigen wäre kontraproduktiv. Für Alkohol- und Medikamentensüchtige wurde, zum Glück vieler Betroffener, über Jahrzehnte eine eng verzahnte Hilfestruktur aus niederschwelligen Angeboten aufgebaut. Es gibt voraussetzungslos zugängliche Einrichtungen, Ambulanzen, Kliniken. Oft haben Arbeitgeber und Sozialversicherungsträger beim Aufbau mitgeholfen. Sie verpflichtet nicht nur das Gesetz, sondern auch ein gehöriges Eigeninteresse. Nach den Sozialgesetzbüchern und dem bisherigen Sachstand der Suchttherapie zielen alle erfolgreichen Bemühungen darauf ab, die berufliche und soziale Existenz der Betroffenen zu erhalten und sie nicht durch staatliche, juristische und gesundheitsfürsorgerische Eingriffe, schon gar nicht durch die Öffentlichkeit, weiter zu gefährden. Warum gelingt das nicht in gleichem Maß bei illegalen Drogen, obwohl auch dafür ein beachtliches und vorbildliches Hilfenetz entstanden ist?
Meth-Abhängige haben weder schlechtere Gesundheitsprognosen noch schlechtere Rehabilitationschancen als Alkoholkranke. Ihr Image in der Bevölkerung hängt vielmehr zusammen mit der Kriminalisierung, dem Zwielicht des Beschaffungsumfeldes und seiner Darstellung in den Medien. Die öffentliche Meinung passt weder zu den medizinischen Fakten noch zu den ethischen Ansprüchen unserer Gesellschaft.
Kommentare 15
Der toxische Stoff kursiert unter Sexdienstleistern, unter Jugendlichen und jungen Erwachsenen auf der Suche nach Selbstsicherheit in endloser Amüsierfähigkeit. Auch leistungsorientierte und beruflich gestresste Menschen suchen danach. Sie glauben an die stoffgebundene Lockerung ihrer rigiden Pläne und Selbstverpflichtungen. Sie wollen, selbst in ihrer Freizeit, unbedingt erfolgreich sein, niemals versagen.
Aus meiner Sicht wird hiermit das Totalversagen sowohl der Urteilsfähigkeit als auch der Eigenwahrnehmung beschrieben. Daher mag die Aussage
Meth-Abhängige haben weder schlechtere Gesundheitsprognosen noch schlechtere Rehabilitationschancen als Alkoholkranke.
zwar stimmen. Aber die Droge ist angesichts des ersten Zitats nicht das Problem, oder zumindest nur das vordergründige Problem, hinter dem grundlegend die Unfertigkeit vieler junger bis sehr junger Menschen lauert.
Ganz grundsätzlich stimme ich aber darin zu, dass die Kriminalisierung von Drogenkonsumenten nichts taugt.
Auch die Dämonisierung von Drogen taugt nicht. Ein Ansatz, der mich überzeugen würde, wäre die Erlernung angemessener Weisen des Drogenkonsums, und warum nicht schon in der Schule? Man kann eine Droge voller Gier und in unkontrollierten Mengen herunterschlingen. Man kann auch einen spirituellen, und das heißt im Kontext: einen kontrollierten Akt daraus machen.
Was nicht funktionieren wird: Verbieten. Das Verlangen nach dem Rausch steckt im Genom. Es wird immer seine Mittel und Wege finden. Beeinflussen können wir nur die Weise des Umgangs damit. Und nicht jeder ist mit dem Rausch von lauter Rock- oder Technomusik, oder dem sexuellen Rausch, oder dem Rausch des grenzenlosen Konsums zufrieden.
Die Diskussion um Drogen wird stets noch etwas verlogener, wenn es einmal einen Prominenten trifft. Der „arme“ Herr Beck, wir sollten ihm umgehend einen Therapeuten zur Seite stellen (wie wäre es mit Crowdfunding), der ihm im Ausschuss die Hand hält und ich beruhigt, wenn ihn das Abstimmen im Parlament mal wieder zu sehr aufregt. Vom biochemischen Standpunkt her mag der alkoholabhängige Politiker, der volltrunken sein Mandat ausübt, genauso ungeeignet für diese Aufgabe sein, wie der Junkie, der zitternd auf Entzug dasselbe zu tun versucht. Wollen Sie tatsächlich Beck mit dem Hinweis auf Boris Jelzin rechtfertigen?
Es ist schwer genug, Kinder und Jugendliche von Drogen abzuhalten, wenn die kiffenden, spritzenden, schnupfenden und schluckenden Idole auf Bühnen und Leinwänden die Mär von Erfolg und Drogenkonsum allenthalben zelebrieren. Allein, der Sänger, der eine Tournee absagt und sich in Therapie begibt, schadet seinem eigenen wirtschaftlichen Erfolg, zerstört dabei möglicherweise seine Karriere, versetzt den Fans damit bisweilen einen heilsamen Schock. Herr Beck aber bietet nicht nur dasselbe schlechte Vorbild wie der Künstler, bricht nebenbei die Gesetze, die er selbst mitverantwortet (und die für jeden Nicht-Prominenten ohne Wenn und Aber Anwendung finden), nein, für Herr Beck soll es nun unzumutbar sein, dass er während seiner Rehabilitierung/Therapie von seiner politischen Tätigkeit Abstand nimmt? Verstehe ich Sie da richtig, Herr Leusch? Soll der Herr Beck nun quasi für illegalen Drogenkonsum auch noch belohnt werden, den Junkie-Bonus bei der nächsten Wahl genießen?
Wenn ich mich recht entsinne, befürworteten Sie an dieser Stelle auch schon drakonische Strafen für Dopingsünder und waren mit einem Berufsverbot für diese Athleten mehr als einverstanden. Wie sieht es mit diesen Personen aus, die Ihnen offensichtlich weniger am Herzen liegen, als der Politiker Beck? Ist Doping im Hochleistungssport angesichts des realen Leistungsdrucks nicht viel eher verständlich und verzeihlich als Drogenmissbrauch bei einem Politiker, der sich, ohne Not, meint, enthemmen zu müssen?
Tut mir leid, aber Ihre Empathie versprühen Sie an falscher Stelle.
tut mir leid. von mir kein mit-leid.
in zeiten, in denen, aus gutem grund, mehr aufklärung über inhalts-stoffe von nahrungs-mitteln gefordert wird, ist mir der elitär-libertäre umgang mit unsicheren selbst-optimierungs-mitteln keine träne wert. das verschaffen von wettbewerbs-vorteilen in sexueller und/oder politischer konkurrenz erscheint mir weder prämierens- noch tolerierens-wert.
daß extase-geeignete mittel systematisch seit den anfängen der menschheit zum ertragen des lebens beigetragen haben, sagt zum aktuellen fall nicht viel, die relativierung an anderen sucht-eskapismen auch nicht.
wer als politiker die kleinen fluchten propagiert(will ich hier nicht unterstellen), empfiehlt sich nicht gerade für gesellschaftliche aufbrüche. oder?
Einige Gedanken zum Thema.
***** Vielen Dank für diesen Beitrag.
...und auch für diesen Link: ***** Danke!
*****
Soll ich jetzt noch einen kleinen Roman über die "erfolgreiche" Kriminalisierung schreiben? Mit ein paar 10000 Toten?
Gruss
TL
wünsche trotz ablebens eines vitalen froschs: erfolgreiche eier-suche.
Nur um mal die Optik wieder gerade zu rücken.
"Das Bundesinstitut BfArM teilte in Bonn mit, dass im vergangenen Jahr 1803 Kilogramm des Ritalin-Wirkstoffs Methylphenidat verbraucht wurden."
Wenn man das in die übliche 10 mgr. Dosen aufteilt kann man den legalen Markt die Menge der Nutzer für ein Derivat des Methamphetamin recht gut übersehen. Deutsche Volkskrankheit Nr. 1 AHDS!
Wäre Beck also mit ner 20ger Schachtel Ritalin und nicht mit einen Minimenge Crystal erwischt worden, hätte der "AHDS Patient" wohl keinen Stress bekommen.
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Mit nur ein wenig Überblick was gerade an den UNIs usw. so an "sich selbst medikamentierenden (unerkannten) AHDS Patienten" rumläuft ;-(( kann man diesen Berliner "Stunt" nur noch peinlich finden.
Von der Hausfrauenparline, über Panzerschokolade, dem Medikament zur Leistungsdoping, Anpassung für Kinder & Erwachsene, zum Karierekiller.... ein netter Weg für eine Droge.
Ist schon ein Unterschied ob man/Frau den "Kick" in der Apotheke oder auf dem "freien Markt" kauft. Nachteile des "Freihandels" mal ein wenig anders gesehen:-))
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Gruss
Sikasuu
Sehe ich ähnlich.
Noch zwei links dazu: Der und der.
Und auch das ist nur die Spitze des Eisbergs. Wen wir überlegen, der sich fit spritzen lässt um nur ja nicht im Job zu fehlen. Das könnte man auch noch vertiefen, denn als man die Daumenschrauben angezogen hat, meldeten sich erst mal weniger Menschen krank und man hätte auf die Idee kommen können, dass die alle nur blau gemacht hätten.
Doch Jahre später rächte sich das. Die chronische Überforderung führte zu depressiven Erschöpfungen und vielen langwierigen und pscyhosomatischen Erkrankungen. Das ist unterm Strich vermutlich teurer, als die Mischung aus Ausbeutung und Selbstausbeutung. Aber wir werden nur widerstrebend klug.
Danke für die Links. Die kannte ich noch nicht. Interessant und aussagekräftig!
Gruss Sikasuu
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Ps. Wenn ich so in meinem Umfeld die psychischen/ psychosomatischen Erkrankungen zusammenzähle, incl. der Herzinfarkte und dabei die Therapie (fast auschliesslich Psychopharmaka "Pille rein und gut is" als Langzeittherapie beobachte) frage ich mich auch wie lange das noch laufen soll:-((
Solange, bis wir die Prioritäten wieder verändern.
Da kann man nur Mut zur Reflexion wünschen und man muss vermutlich wieder bei Kant beginnen.
Ich weiß nicht, was uns so mutlos macht, warum wir uns jende Scheiß kritiklos erzählen lassen, glauben und verinnerlichen. Vermutlich ein Bündel von Gründen. Aber solange ganz oben steht, lieber irgendeine Arbeit zu haben als keine und die Qualität mit purer Anwesenheit gleich zu setzen, wird das wohl erst mal nichts.
Für manche ist Krankheit ein Weg, für manche kurioserweise nicht einmal mehr das. Da bringen wir uns für fragwürdige Ideale um und wundern uns, was Selbstmordattentäter so motiviert. Das ist schon strange, auch wenn da sicher noch ne Lücke klafft, wir wollen ja nur uns selbst töten. ;-)
oder die Doku anschauen ;)
Ich hab schon vor 20 Jahren im Taxi Leute als Kunden gehabt die sich 4000 Mark in Steinen die Birne weggeraucht haben, in einer Nacht wohlgemerkt, glaubst du mit Verboten bekommst du das in den Griff?
;-)
Vorweg: Entschuldigung, dass nun einige, sehr bedenkenswerte Kommentare so lange keine Antwort erhielten. Das hatte persönliche Gründe und gar nichts mit dem Forum hier zu tun!
Lethe 23.03.2016 | 09:44
Ja, die "modernen" oder modischen Drogenkonsumvorstellungen haben zumindest eine neue Komponente. Von den Suchtmitteln wird zunehmend verlangt, sie sollten die Alltagsleistung und Befindlichkeit in Beruf, Schule, Ausbildung und Freizeit möglichst nicht beeinträchtigen, ja, diese noch steigern. So verrückt und falsch alle Konsumtheorien und Begründungen für Suchtmittel auch sein mögen, darf es eben nicht einmal ohne fremden Druck Leistungseinbußen geben. Das ist relativ neu und tritt neben die Komponenten Abstand, Rückzug, Eigenwelt, Entlastung, Beruhigung, Fantasieanregung, Abstumpfung, pp.
Die übrigen Nutzungsgründe und die dazu passenden Stoffe sind aber nicht verschwunden, sondern werden ebenso weiterhin genutzt. Das Regal wurde voller und komplexer und bei vielen Abhängigen besteht eine Polytoxikomanie und missbräuchlich ein polyvalenter Gebrauch nach Situation!
Einzig der spirituelle Gebrauch von Drogen ist weitgehend entkoppelt, selbst in jenen Gesellschaften (Südamerika, Mittelamerika, Afrika), die noch solche Bezüge kennen und auf dem Rückzug.
Waren junge Menschen je vorbereitet und fertig, um mit dem Suchtmittelangebot umzugehen? Nein! Die Zeiten der Beer street und der Gin lane, so wie sie William Hogarth schon im 18. Jahrhundert abbildete, diese hoffnungslos altmodischen Zeiten der Suchtmittelbenutzung, sind nicht vorbei, aber medial eher viel weniger interessant, um sie negativ auszustellen, obwohl deren Anteil an persönlichen und gesellschaftlichen Schäden, auch heute, in ganz anderen, viel größeren Dimensionen liegt.
Das fällt uns News- und Promi- News- Lesern weniger auf. Das ist Teil der medialen Verzerrung.
Die meisten Nutzer illegaler Drogen werden aber, neben den Schäden aus ihrer spezifischen Sucht, vor allem durch die soziale Ausgrenzung und Entwertung und eine deutliche Schlechterbehandlung, im Vergleich mit Alkohol- und Medikamentensüchtigen, zusätzlich geschädigt.
Auf der Ebene der Süchtigen sollte es nach Möglichkeit keinen zusätzlichen repressiven Druck geben, sondern eben immer sozial erhaltende Angebote. Sie schreiben klar, dass Strafen da eher schaden und zudem gar nicht zu einer Wende beitragen.
"Das Verlangen nach dem Rausch steckt im Genom." - Das ist mir dann doch etwas zu eindeutig formuliert. Wir beide haben ja erkannt, dass Anforderungen (Beruf, Freizeit als Beruf oder Leistungsanforderung), durchaus auch modische und (jugend)kulturelle Anforderungen, also eher soziale und psychologische Motive, eine sehr große Rolle spielen.
Wenn Sie mit der Bermerkung andeuten wollen, dass eben Rezeptoren für die Drogenwirkung im Gehirn und Nervensystem vorhanden sind, dann stimmt das natürlich. Auch höhere Tiere können sich zufällig berauschen (vergorene Früchte) und erinnern sich dann an den Effekt. - Aber Rauschzustände bilden in der Wildnis eher ein hohes Risiko, zur Beute zu werden.
Ob es je wieder gelingen könnte, den Suchtmittelgebrauch in einer Konsum- und Bedürfnisbefriedigungsgesellschaft, angsichts des Voluntarimus als wesentliches Freiheitsideal, an feste kulturelle und spirituelle Verhaltensweisen zu binden, bezweifele ich.
Magister 23.03.2016 | 09:46
"...für Herr(n) Beck soll es nun unzumutbar sein, dass er während seiner Rehabilitierung/Therapie von seiner politischen Tätigkeit Abstand nimmt? Verstehe ich Sie da richtig, Herr Leusch? Soll der Herr Beck nun quasi für illegalen Drogenkonsum auch noch belohnt werden, den Junkie-Bonus bei der nächsten Wahl genießen?" - Nein, niemand soll für seinen Drogen/Suchtmittelgebrauch belohnt werden! Aber umgekehrt sollte auch nicht mit Strafe und sozialer Strafe gearbeitet werden, weil das sachlich nichts bringt, außer vielleicht Ihnen, mir und anderen vielleicht ein gutes Gefühl von Gerechtigkeit zu verschaffen.
Weil wir mit Sucht und Drogen keine Probleme haben, nicht erwischt werden, nicht betroffen sind, aber irgendwie in uns das Gefühl entsteht, es sei doch irgendwie ungerecht, dass die so "glücklichen" Drogen-Nutzer, neben einem, von uns so vorgestellten, positiven Erleben im Rausch, den wir uns aus Verantwortung, Emotion und Bewusstheit verkneifen oder ihm nicht verfallen, sollen sie nicht ohne Bedrohung durch Polizei, Strafrecht und Arbeitgeber bleiben, damit unsere Fantasie, unsere Gerechtigkeitsfantasie, esse nicht von verbotenen Früchten, im Lot bleibt? Abgesehen davon, dass die positive Fantasie schon falsch ist, ist das doch ein bedenkenswertes Motiv.
Wenn Sie genau hinschauen, erzeugt aber gerade diese Strafmoral nicht nur mehr schwergeschädigte Abhängige, sondern auch noch diese praktisch unendliche Korona an schmerzlichen Folgen aus der Kriminalisierung. Am Gebrauch ändert sich dabei kaum etwas, selbst in Gesellschaften, die noch viel massivere Strafmaße kennen und anwenden.
Im Falle Becks wäre es doch gut und beispielhaft, wenn öffentlich bekannt würde, wie nun geschehen, dass er Schritte gegen sein Problem einleitet. Aber der Drogen-Konsum macht Beck als Politiker und Bürger nicht inkompetent (vielleicht zeitweise unfähig ein Kfz zu führen oder einen Überflieger zu steuern, bzw. an anderer Stelle gefahrengeneigt zu arbeiten). Das gilt selbstverständlich auch für weniger prominente Süchtige.
Probieren Sie aber ruhig einmal aus was passiert, wenn sie beim größten Websucher der Erde "Schnaps" in der Bildsuche eingeben. Schnaps ist da weitgehend ein schönes, buntes Bild. Dann machen Sie das mit "Crystal Meth": Der Horror beherrscht die Szene.
denkzone8 23.03.2016 | 11:52
Ich finde, Sie überschätzen die "Vorteile" und "Erfolge" des Drogenkonsums. Das ist allerdings weit verbreitet. "Warum soll ich nachsichtig sein, wenn einer gefährliche Glücksmomente erlebt und sich berauscht? Sein Missbrauch, seine Sucht, sollen nicht belohnt werden."
Die Leistungssteigerung, die Fantasieanregung und die emotionale Stabilisierung, sie sind alle weitestgehend als persönliche und durchaus auch gesellschaftlich weitverbreitete Trugschlüsse entlarvt.
Seltsames Glück, wenn wir Nicht- Süchtige uns positiv vorstellen, an welchen Stellen und zu welchen Bedingungen sich Süchtige bedienen müssen und wollen! Oder etwa nicht? Wollen wir da Strafe, weil wir uns die Sucht und den Missbrauch irgendwie schön, angenehm und wünschenswert vorstellen?
Das gilt , schaut man genau, für den aktuellen Fall des Politikers Beck, als auch ganz allgemein.
Fred123 27.03.2016 | 11:48
Tatsächlich reicht das Thema weit über Legalität und Illegalität hinaus. Da haben Sie völlig Recht.
AD(H)S Dosierungen liegen oft bei 30mg- 60 mg /die. Das ist schon eine ganze Menge Stoff. Von der multimodalen Therapie, die nach den Richtlinien geboten ist, sieht man häufig wenig, ganz abgesehen von allen Problemen, überhaupt saubere Diagnosen des Syndroms zu stellen! - In Europa fällt aber die Modewelle noch immer zurückhaltender aus, als derzeit in den USA.
Leider ist die Heilkunde sehr unter das Ökonomie- Diktat geraten und leidet unter den Auswüchsen, die sich aus der unbedingten Marktgerechtigkeit aller Tätigkeiten ergibt. - Das ging aber nicht, ohne die breite Zustimmung aus Wahlen, für Politiker die genau das so wollten und immer noch von der Daseinsvorsorge als Dienstleistung faseln.
Beste Grüße an alle
Christoph Leusch