Kultur oder autonome Kunst

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Kunst kommt von Können, Kunst ist widerständig, Kunst ist überhaupt,....Diese ganze Ein-Satz-Definitionskunst, geht sie nicht mittlerweile furchtbar auf den Wecker?

Regelmäßig erdet dann eine Zeitung, die ganz explizit das im Auge hat, was ausgestellte und repräsentiert wird und als Ausweis von Kunst gilt. Die „KUNSTZEITUNG“. Sie liegt aus. Jede Frau, jeder Mann kann sie gratis lesen oder bestellen. Sie kommt dann mit 10 Ausgaben im Jahr, freilich gegen eine Abogebühr, in den Briefkasten.

Zur Nummer 1/2011, der hoffnungsfrohen ersten des Jahres, streiten die Herausgeber und eigentlich auch Mitredakteure Karlheinz Schmid („Carlo“) und Gabriele Lindinger über die Sprache der Kunstzeitung, über die Sprache der Kunstvermittlung. Tatsächlich lohnt sich das, auch wenn die beiden am Ende, zärtlich verbunden, sich zwar nicht einigen, aber doch schiedlich-friedlich bleiben. Ganz nach dem Motto des gerade konsumierten Asa Larsson Krimis Gabrieles: „Bis der Zorn sich legt“.

Worum geht es? Auch in der KUNSTZEITUNG wird, ist es ein Übersprung aus dem werberisch-marktschreierischen Kunstgeschäft, geschwelgt, an so mancher Kunstproduktion Theorie und Inhalt abgehandelt, der gar nicht in den Werken enthalten ist, oder von diesen intendiert wurde, und eine Sprache gepflegt, die weit über das Ziel hinaus führt, in die weite Leere der Floskel. - Sprachlich gibt es keine Fangzäune und so rast so mancher Text, mit einem Haufen Kulinarik oder Insidergebrabbel an die Wand.

Das stört Gabriele Lindinger, während Karlheinz Schmid denkt, es seien da Sprachschätze und Geistesblitze verborgen. - Wessen Ansicht ich näher stehe, das weiß jeder der hier länger mitliest.

Nun, eine Diskussion lebt von Beispielen. Eines der furchtbaren Art liefert in dieser Ausgabe der KUNSTZEITUNG, Bazon Brock. Ich gebe zu, ich lese sonst gerne von ihm, denn klug und weise kann er gewiss auch schreiben. Dieses Mal jedoch, quält er sein imaginäres Lesepublikum, so als wolle er Frau Lindingers Position unabsichtlich mit Argumenten füttern.

Unter der Überschrift „Diesmal klappt´s“ und dem Teaser „Die Kultur erobert die Macht über die Künste und Wissenschaften zurück, glaubt Bazon Brock“ (Seite 012), spult er eine reichlich aufgeblasene und gigantische These mit allerhand pseudointelligentem Vokabular auf engstem Zeilenraum ab. Kaum ein zivilisatorisches Thema rund um die Kunst, das hier nicht in einem Nebensatz, in der Sprache der Letztgültigkeit und Entschiedenheit abgehandelt würde. - Selbst den Widerspruch nimmt Professor Brock vorweg und attestiert ihm Böses. So kann man ihm, bleibt man in seiner Logik, nicht einmal widersprechen!

Schritt für Schritt:

Bazon Brock glaubt tatsächlich, dass es eine freie Kunst gab und gibt, die als Autorenkunst als eine Errungenschaft der europäischen, der westlichen Moderne zu gelten habe. Kunst aus sich selbst, aus dem Individuum, ohne Anleitung durch Dritte.

Zunächst ist das für ihn historisch die Befreiung von der Religion und Theologie des Christentums, womit er sicherlich einen Punkt trifft. Aber, was steht an der Stelle der Ismen und sonstigen Theologien, möchte man doch sofort fragen? Ist es das Ideal des autonomen Künstlers, oder ist es nicht vielmehr und viel häufiger die Kunstproduktion auf und für einen Markt, auf dem ebenfalls wieder nur Menschen als Käufer auftreten, die ideologisch gar nicht frei sind, sondern sich an einem Wert und zwar an einem Glaubwürdigkeitswert, an einer Bewertung durch Glaubwürdigkeitsexperten der Kunst, festhalten.

Die Kunst erscheint so als ein erweitertes Bank- oder Finanzgeschäft und der Künstler wird zum Angestellten oder verselbstständigen Anbieter einer Ware, deren Wert börsennotiert erscheint. - Bazon Brock verneint den Einfluss von Clans, Bankern und sonstigen traditionellen Autoritäten gegenüber dem Kunst-Autor, dem Künstler, selbst wenn ihn dann wieder die Furcht packt, diese bestens ausgestatteten Autoritäten gewönnen, in Form der Macht und Herrschaft in der Gesellschaft, wieder an Einfluss, beherrschten erneut die Kunst.

Die Künstler und die Wissenschaftler, „echte“ will man dazu schreiben, sind nach seiner Auffassung in ihrem Selbstverständnis vom „Insistieren auf Rationalität, Faktizität und sozialem Kalkül“ geprägt, während „das Irrationale, das Kontrafaktische und das Absurde zum Machtkern der Religionen (der Primat des Kommerziellen gehört auch dazu, m.Einf.) und ihrer Kulturen“ gehört.

Nun kommt die Volte, die letztlich sprachlich und real alles möglich macht. Der wie oben definierte Künstler und Wissenschaftler (Ich habe meine Bedenken das „und“ hin zu schreiben), sei ja einer, der das Kontrafaktische selbst mit transportiere, es, weil es in der Welt sei, mit nutze und benutze, vor allem aber mit bedenken müsse. Gewähren lassen, sei das Gebot der Stunde, in der steten Ansicht des Kontrafaktischen.

So versteigt sich Brock in seinem Kurztext zu folgender Einschätzung:

„Was dem leninistischen Universalsozialismus und dem hitleristischen Nationalsozialismus durch die Intervention Amerikas verwehrt blieb, wird jetzt, nachdem Amerika selbst von jüdischen, christlichen, muslimischen Fundamentalisten erobert wurde, wahrscheinlich.“

Brock meint den endgültigen Sieg des Kontrafaktischen, gegen die „europäische Sonderbewegung von Autonomiebehauptung der Künste und Wissenschaften und dem Konzept der Demokratie wird als welthistorisches Intermezzo samtfeuilletonistischer Ornamentik zu Ende gehen - ganz wie Hegel es schon prognostizierte.“ - Abgesehen davon, dass Hegel kaum Demokratie außerhalb der griechischen Schwundform anerkannte, fällt es doch schwer, in diesem Schwulstkonglomerat eine tragende Erkenntnis zu entdecken. Stattdessen fällt der Kulturpessimismus und die Selbstgefälligkeit dieses Schreibens aus der Vogelperspektive ungeheuer auf, und es geht auf den Nerv.

Wer schon so weit sprachlich abdriftet, der braucht Unterstützung von Deutschlands Oberpolemiker, Henryk M.Broder, der ja von der Kapitulation unserer Zivilisation ebenso schreibt. - Quark, Bockmist und Unfug, wird genau so eingetütet und verkauft!

Die Quintessenz des alten Brock: „Inzwischen fordert niemand derart rücksichtslos Respekt und Anerkennung ein, wie die Fundimachos und Mafioten. Und wir gewähren sie ihnen im Pathos ökonomischer Sachzwanglogik- genannt Globalisierung. Damit stehen wir endlich auf einer Stufe mit den triumphialistischen Liquidatoren Europas und denen der altväterlichen Avantgardisten des dollargestützten Prinzips e pluribus unum.“

Es könnte allerdings auch sein, dass Euopäer und Amerikaner, mit dem gedanklichen Brillengestell einer geistigen und kulturellen Überlegenheit, einer Art Überkorrektur erlegen sind, die sie z.B. die friedlichen, menschlichen und revolutionären Ideale und Motive ganzer, im Kapitalismus schon abgeschriebener, Kulturen vergessen ließ.

Die Fundis und Machos des Westens werden gerade aus den selbst angemaßten Ämtern vertrieben und die religiösen und dogmatischen Fundis haben keine allzu große Chancen, weil sie den Völkern nichts bieten können. Ihnen bleibt nur die Drohung mit Gewalt und Schrecken, mit denen man zwar eine Zeit lang viele Leute verschrecken kann, aber nie alle und nie auf Dauer.

Christoph Leusch

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