Mäßigung, britisch - It started with a kiss

Kusslänge Maß für Maß. Der heimliche Royalismus, der wirklich zählt. Wie die Geschichten um Kate und Williams Hochzeitstag auch gedeutet werden könnten.

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Mäßigung, britisch - It started with a kiss

(Kleiner Beitrag zu einer tugendhaften, pfingst-österlichen Serie, angeregt durch Maike Hanks (dF) Idee)

Ich gebe es zu. Heimlich bin ich Anhänger des Royalismus und zugleich geneigter Liebhaber des britischen Königshauses, insbesondere der Windsors. Meine größte Zuneigung gilt unter den lebenden Royals allerdings einem eher unpopulären, weil medial schwerer verkäuflichen Mitglied, dem am längsten wartenden Prinzen, Charles von Wales.

Er erzeugt wenig Glam; er ist nicht über die Maßen hübsch; er musste und wollte standesgemäß, mit Aussicht auf dynastische Erben, heiraten. - Später tat er es dann, ganz nach Herzenslust, aber sicher nicht, ohne durch die Schwierigkeiten die das mit sich brachte, ein wenig Krakelee, innerlich wie äußerlich, davongetragen zu haben.

Indiskretionen brachten über ihn und selbst die, die mit ihm nur telefonierten, an den Tag, dass alles ziemlich gewöhnlich und menschlich ist bei Charles und seinen auserwählten edlen Telefonpartnern, so, wie es sich für Sterbliche eben gehört.

Der Prince of Wales interessiert sich, sonst politisch und kulturell eher funktionslos, also nicht notwendig in einer staatstragenden Funktion, vielmehr auf diese in demütiger und dauerhafter Erwartung hinlebend, tatsächlich für ein paar wichtige Dinge auf diesem Planeten und verfügt über ein ausreichendes Portfeuille, einige kleine und feine Vorzeigeprojekte anzugehen.

Er tritt in Fettnäpfchen und ringt manches Mal um Worte. - Das ist aber in Großbritannien sowohl Ausweis von höchstem Adel, als auch filmreif und preiswürdig, sowie Resultat einer alten und elitären Bildung, die mit Kunstpausen und überspielten Eigenheiten noch etwas anfangen kann. Er aquarelliert und liebt konstant das Gärtnern und Ackern, wiewohl er bei letzterer Tätigkeit wohl eher Pläne hat, als selbst je tätig zu werden ( http://www.georgetown.edu/story/princecharlessustainability.html ).

Warum erzähle ich das? Ganz einfach, weil es doch, Maß um Maß, genau darum geht ein solches zu finden und die Frage nach der Tugend der Mäßigung so schön zum aktuellen Großereignis passt.

Sein ältester Sohn heiratete nun die Campusliebe aus dem fortgeschrittenen Jugendalter, in das in Mitteleuropa im Schnitt dreißig Prozent eines Jahrgangs geraten. In skandinavischen Ländern gelingt das sogar mehr als der Hälfte der Familienkinder und erstaunlich vielen, wie es sich derzeit erweist, in den Ländern des Morgenlandes, die unter manchen Deutschen dummdreist als nicht bildbar und nicht erziehbar gelten.

„It started with a kiss“ (https://www.youtube.com/watch?v=laozKcIz5Y8 ), hoffen wir einmal, und es möge so schmalzig-schön weitergehen, wie es Hot Chocolate zu besingen vermochte.

Wir Linke und Linkische müssen die royalen Kusslängen nicht extra ausmessen und empirokritisch in einer Wertetabelle abgleichen, um zu wissen, dass diese Hochzeit ein Traum und die Romantik pur ist. Wir hängen ja selbst an solchen Träumen und glauben daher noch an Ideale, wie der Papa des Bräutigams, Prince Charles, ganz offensichtlich auch.

Die Unterschiede in diesen Idealen begründen das Linkssein, wie die Zuneigung zu einem Anachronismus, der gar nicht alt werden kann, wenn an einem anderen, ganz friedlichen Crispin das Haus der Waliser Anlass zur nationalen und internationalen Freude liefert. Mir ist ein weiser und gütiger, ein vergebender Lord Escalus lieber, als jede populäre Natter, „Some rise by sin, and some by virtue fall."

Christoph Leusch

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