In der Blase: Wenn Poltergeister untereinander diskutieren

Meinungsbeton Wenn der andere und vorgeblich kritische Blick zum Dauerschielen verkommt, herrscht in Foren, so auch hier, der Kommentarton der einbetonierten eigenen Meinung. Seltsame politische Vorbilder und Gegner der Demokratie werden bewundert.

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Wenn Poltergeister nur noch mit Poltergeistern diskutieren

Die der Freitag- Community hat sich enorm weiterentwickelt. Qualität schlägt kontinuierlich um, in Qual.

Wenn man ´mal einige Wochen nicht draufschaut und einen Rückblick in vergangene Zeiten anstellt, so liegen die Phänomene dieser glorreichen Fortschrittsbewegung, hin zum selbstgerecht engen Foren- und Formenkreis der Kommentar- Kommunaden völlig offen:

Hat es mit dem y- Gen zu tun?

Männer, entlang ihrer Anmerkungskilometer alle Weltpolitiker, irgendwie besonders Linke, eigenartig Linke, teils auch irgendwie Pseudolinke, geben sich rund um die Uhr als ausgemachte Bengel die allerbeste Mühe. Sie halten sich für kritisch und sachlich, gegen „das System“ oder die westlichen „Regime“. Sind sie Übriggebliebene einer Sonderzone?

Sie lieben jedenfalls große Vorsitzende und deren Wahlvereine, in mächtigen Ländern weiter östlich, die sie für politisch geschickt, realitätsgerecht und berechtigt halten, weil diese dem hier im Forum häufig so genannten „Wertewesten“ die Zunge rausstrecken oder gar den Marsch blasen.

Seltsames Verständnis für die Absichten seltsamer Politiker

Einige können es nicht lassen, in jedem zweiten und dritten Kommentar auf „Verbrecherjagd“ im eigenen Land und überall sonst beim Klassenfeind im ureigenen, demokratischen Westen zu gehen. Einige halten sich tatsächlich für Pazifisten, wenn sie ihren diesbezüglichen Straffantasien freien Lauf lassen.

Der Aufbruch des Maidan, in der Ukraine, wird als faschistisch dominiert fehlinterpretiert, der Unabhängigkeits- und Sicherheitswunsch dieses Landes und anderer Staaten, entlang der Grenze zu Russland, verunglimpft. Die Unterdrückung von Uiguren, Tibetern und anderen ethnischen und religiösen Minderheiten in China verharmlost. Die autoritäre und unterdrückende Politik gegen die politische Opposition und die unabhängigen Medien wegkommentiert.

Ostalgie, ein chronifizierter Phantomschmerz

Ostalgie herrscht auch und dazu die verbreitete Ansicht, an dieser Dauermelancholie seien vor allem seltsame Wesen, die man da und dort „Wessis“ nennt, schuld. Weil gerade eine Pandemie herrscht, ist an der und besonders an ihrem Verlauf, ebenfalls der Kapitalismus des Westens schuld. Wenn einem die weltweiten wissenschaftlichen Gepflogenheiten der Einschätzung der pandemischen Lage und ihrer medizinisch - sozialen Bewältigung nicht passen, legt man selbstgebastelte Statistiken an und rechnet eigensinnig „richtig“.

Die Antwort liegt also für sie im Osten, einmal näher, einmal ferner. Einmal in der Erinnerung, einmal in der aktuellen Realpolitik, die von da kommt und so stark auftritt, um auch einem Forum polternder Männer ein wenig Hoffnung zu geben, es ginge mit dem Westen, dem Kapitalismus, der „diktatorischen Demokratie“ bald zu Ende.

Dort, tief im Osten, herrscht ein autoritärer politischer Erfolg, den angeblich die Volksmassen lieben, während die politischen „VerbrecherInnen“, mitsamt ihren medialen Helfershelfern, verdient in Strafkolonien, Lagern und Knästen sitzen oder im verderbten West-Exil leben müssen, weil sie in diesen Staaten für „Agenten“ gelten.

Was gerne ausgeblendet wird

Das mit der Liebe und Zuneigung des Volkes erklärt sich recht einfach. - Wenn man keine Wahl hat, weil die möglichen oppositionellen KandidatInnen vorweg gestrichen werden und bei zu viel verbaler Abweichung, recht schnell ein Schlägertrupp, eine gemütliche Zelle oder gar die Unterbringung in einem Erdmöbel wartet, sagt der angeborene Instinkt, Konformität lohnt sich, Klappe halten erhält das Leben. Wird man gar öffentlich sichtbar politisch tätig, geht es dort noch schneller ins Loch. Auch die Sippenhaft kennt man ostwärts wieder, wo jene scheinbar ganz anderen Interessen des Volkes walten und praktisch ewig an der Macht sind, in der Wohlfühlsphäre von Minsk bis Beijing.

Wie die reaktionäre Rhetorik unter irgendwie linke Foristen kommt

In den Kommentaren der dFC - Kommunaden tauchen immer wieder einmal Sätze auf, wie: „Jedes Volk bekommt die politische Führung die es verdient.“ Einige halten das gar für besonders links. Schließlich stammt der Satz vom Erzreaktionär Joseph de Maistre, der ihn allerdings selbst nicht veröffentlichen wollte, sondern nur privat versandte. Der wünschte sich nämlich ein Ancien Regime zurück und war entschiedener Feind der revolutionären Demokratie in Frankreich. So manche Wünsche der Männer hier, liegen nahe dran.

Auf ähnlichem Niveau, bewegen sich die diversen foristischen Abwandlungen dieses reaktionären und antidemokratischen Spruchs, um zum Beispiel die „Mainstreammedien“ einzuordnen oder auf die angeblich allseits gekaufte Wissenschaft zu schimpfen, und den verbliebenen, geduldig-sanftmütigen Widerspruch gegen solcherart Unsinn in dieser Foristengemeinde abzumeiern.

Mitten im „Wertewesten“ gebärdet der Forenmann sich als verbaler Widerstandskämpfer, gegen die vorgeblich verrottende, zum Tode verurteilte Demokratie, gegen die „Diktatur der Demokratie“, gegen die „Demokratur“, gegen die westlichen demokratischen „Regime“ und den allfälligen Kapitalismus, in dem der ideologisch gefestigte Mann und sein Volk, erzwungen leben muss, weil er nicht sagen dürfe was er will und nicht tun, was ihm jeden Tag in den Sinn kommt, nämlich endlich ein großes „Volks- und Strafgericht“ an politischen „Verbrechern“ und „Verrätern“ zu veranstalten.

Wenn der autoritär regierte Kapitalismus gefällt

Die Wirtschaft der östlichen Vorbildländer ist selbstverständlich sozial und brachte daher eine ganz neue Männerklasse hervor, die Mann, unter anderem, Oligarchen nennt. Sie genießen, wie sich das für Reiche und Superreiche gehört, dort ein nationales Niedrigsteuer - Privileg. Sie verfügen zudem über die internationale Freiheit ihres Anlagekapitals, zur weiteren Minimierung ihrer Abgabenlasten und zur bestverzinslichen Anlage ihrer Kapitalien und sie leben recht eigentlich gerne da, wo es schön und warm zugleich ist, neben den Hütten der westlichen Superreichen. Aber Kapitalismus ist das nicht, sondern tätige Sozialpolitik, im armen und nahen, europäischen und im asiatisch fernen Osten.

Der nahe und ferne Osten: Anti-Gender aus Prinzip

Einen großen Vorteil hat die Einfühlung in östliche und fernöstliche Interessenlagen, im Ureigenen. Der Foristenmann muss sich ums Gendern keine Gedanken machen, weil dort die Welt, auch sprachlich, noch weitgehend in Ordnung ist. - Darauf ein Wässerchen.

Christoph Leusch

Ergänzung vom 15.02.2022:

Ich habe mir erlaubt, willkürlich, gewiss nicht umfassend und auch unsystematisch, Kommentare, die andere Themen oder nicht mit dem Blogartikel zusammenfallende Sachverhalte und persönliche Streitereien beinhalten, zu "verstecken".

Um wenig Mühe damit zu haben und das tatsächlich phänomenale Spiegelbild des Kommentar-Threads, als Bestätigung einiger meiner Thesen nicht zu verdecken, blieben Erstanwürfe an den Autor, also an mich, sowie ähnliche Anwürfe der "Kommunisten" untereinander, möglichst wenigstens einmal sichtbar. Wiederholungen und Forstetzungen habe ich dann "verborgen". - Sicher habe ich weitere verbergenswerte Kommentare dabei vergessen.

Ganz ehrlich, es macht keinen Spaß und ich lasse es auch wieder, denn die Unsitten sind einerseits unausrottbar und andererseits kostete es mich einfach immer noch zu viel Zeit, obwohl ich schon arg schlampig vorging, die exemplarische "Versteckübung" fortzusetzen.

Christoph Leusch

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