Mit NPR ahasvern im gelobten Land

Realität und Idealität Musikalisch begleitet aus dem Land der Hoffnung und des Ruhms, lässt sich vortrefflich über das alljährliche Frühjahr als Sinnzeichen nachdenken.

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Ahasvern durchs gelobte Land

Tiger got to hunt, bird got to fly; Man got to sit and wonder, 'Why, why, why?' Tiger got to sleep, bird got to land; Man got to tell himself he understand. (Kōan Kurt Vonneguts, aus Cat´s cradle, 1963)

(Kleine Frühjahrsbetrachtung, unter anderem, mit Hilfe von NPR, dem unverzichtbaren Hoffnungsprogramm aus den Vereinigten Staaten)

Kalter April, macht was er will

April, I can hear your anger marching. (...) And the flowers will forgive your rage.... - Die Hoosier - Staters, Lily & Madeleine, „Hinterwäldlerinnen“ aus Indiana, lehren uns die Rite de passage, die uns alljährlich die Natur nach dem Osterfest vorführt. Spätestens im April geht der Winter und die zarten Blüten und Knospen, die austreibenden Blätter, vergeben so manchen Zorn gegen die Natur und gegen uns selbst. Den Frostteufel hat dort zuletzt so mancher bitter kennengelernt, angesichts gigantischer, atlantopolarer Winterkaltluft, deren milde Reste wir gerade abwettern. - Keine Angst, die Erde wird, es ist brutal, trotzdem immer wärmer, für Inder und für Rinder. - Derweil singt sich das jugendliche Duo, Lily and Madeleine Jurkiewicz, näher ans wärmende Paradies. Wir dürfen, dank Internet und NPR, dabei sein.

Weites Land und wüstes Land

Die „Hoosier“ sind recht eigentlich zusammengewürfelte Leute: Indianer, Angelsachsen und alle jene Schwarze, die nicht nach Liberia aussiedelten, in jenes arme, korrupte Land, mit Musterverfassung und Hoffnungsnamen.

Wirklich religiöse Leute leben in Indiana und der Staat ist lange schon politisch konservativ. Es gilt für sie, wie für uns alle, was Kurt Vonnegut in seinem Roman, „The Cat´s Cradle“, schon in den 1960ern als Warnung aufschrieb. Lasst uns nicht zu Sklaven von weltlichen und geistlichen „Granfalloons“, selbstbezogenen Egoisten, und ihren „false karasses“, den falschen Flunker- Stories und Versprechungen, werden. - Nur die guten Lügen machen uns menschenfreundlich. Mit den bösen Unwahrheiten richtet sich, stumm und stetig, die Hölle bei uns ein, weil wir, so veranlagt, zur Unachtsamkeit neigen.

Hope of deliverance

Wenn Bernie Sanders auch nicht der Präsident unter Mäuse und Menschen werden kann, - danach sieht es leider aus -, wenn es also nur dazu reichte, Hillary Clinton, die erste Frau Präsident der Vereinigten Staaten, ein wenig mehr sozial aufmerksam zu machen, so ist doch sein Wahlkampf ein Hoffnungszeichen in diesem Jahr 2016, dass sich junge, alte, atheistische, jüdische, muslimische Menschen, Papisten und Evangelische, progressive, freie, schwarze, hispanische, indianische und der Rest an Hellköpfigen und Hellhaarigen, doch noch auf Ideen von einer besseren Welt besinnen können. - Nur stellen die humanistischen Bürger selten irgendwo eine demokratische Mehrheit.

Ostern, es ist tautologisch, heißt ewige Hoffnung und wiederholt sich daher heidnisch und christlich. - Dazu muss man nicht glauben, sondern nur diese Wortgeschichte ein bisschen kennen. Die Hälfte der Deutschen denkt: Gott ist nicht. Zwischen Ostern und Pfingsten könnten aber auch sie nachdenken, dass Jesus, der Mensch der Evangelien, sein letztes Opfer brachte, damit nach ihm keine weiteren unter uns Menschen mehr nötig wären. Wer aber, hat diese Botschaft bisher angenommen, außer ein paar heiligmäßigen Wirrköpfen, außer Ikonenmalern?

Die seither schwer geschundene Erde, die auf ihrem Welttraumweg zum Paradies ständig ein bisschen taumelt und nun gar vielfach zu kippen droht, wurde mitnichten nach der frohen Botschaft eingerichtet. Allenfalls das Drohungselement der Himmel und Hölle Religionen hat und hatte geschichtsmächtigen Einfluss und die säkularen Religionen, klaubten genau dieses aus dem Katalog der Offenbarungen. - Wie kann das fatale Zeitsiegel aufgebrochen werden (Szene aus „Der Spiegel“, „Serkalo“, von Andrei Tarkowski, 1975)?

Jesus als Hoffnungsmensch, Jahwe als Wortsymbol für das abgelehnte Menschenopfer. Wissen von einer Instanz, die wir gar nicht gut kennen können und trotzdem viele Worte für sie bilden. Wie oft wurde das unmögliche Wissen gar nicht verstanden?

Die böse Einflüsterung und der unbedingte Glaube

She was a fool, and so am I, and so is anyone who thinks he sees what God is doing. (Kurt Vonnegut, Cat´s Cradle, 1963)

Allah ist mit den Sanftmütigen, Milden und Duldsamen. Er warnt, durch den heiligen Koran, seinen Entscheidungen und Plänen nicht vorzugreifen, das Heft (des Schwertes) nicht in seinem Namen in die Hand zu nehmen, um eine theologische, aber völlig weltliche Diktatur zu errichten und damit den Irrtum der Gewalt und des ewigen Opfers immer weiter in die Realität zu bringen.

Das abgelehnte Menschenopfer, delikat wie das Gambit im Schach, hat sich, als wahrhaft anarchische und terroristische Haltung, gegen alle üblen Zustände der Welt, noch nicht annähernd ausreichend durchgesetzt!

Hier auf Erden, soll schon das Paradies sein und nicht erst zu Sankt Nimmerlein kommen, in einem Reich von dem wenig, vielleicht gar nichts, gewusst, aber viel vermutet wird. Hier auf Erden, soll enden die Herrschaft der Täter, die ohne Weitblick und Rücksicht nur ihren eigenen Plänen und Motiven, ihren ganz persönlichen Emotionen folgen. Allenfalls kennen die noch ihre Sippe, die Familie, den Stamm und nun wieder die Nation, wie klein oder groß die auch immer sein mag.

Fanatiker glauben gar, der Lohn böser Taten, die sie für unbedingt notwendig erachten, komme in Generationen oder eben als Lohn am außerirdischen Gerichtshof, nach Har- Magedon, zum letzten Prozess aller toten Seelen, durch das imaginäre, himmlische Justizpersonal.

Diejenigen, die an einer solchen Vorstellung von Erwähltheit und Überzeugung hängen, von der sie meinen, aber unmöglich wirklich glauben können, sie hätten sie den Göttern oder dem Namen und Auftrag des einzigen Gottes, gar der Natur abgelauscht, sind derzeit wieder stärker. Ihr Populismus schlägt bedauerlicherweise jede Vernunft, ist gefährlicher Realismus. Aber ihre Werke, säkular oder sakral, wirken eher wie ein permanentes, globales Unwetter, wie eine eschatologische Drohung an unser Mutterland, die Erde.

Einsteins Gravitationswellen sind real und nun wohl bewiesen. Aber sie bringen uns nicht ein Jota näher an das Wort „Gott“ und seinen immer verborgenen Inhalt, der, wie der Schatten der sich nicht einholen lässt, weil er mit Schattengeschwindigkeit reist, wie der Regenbogen, für den das ebenfalls gilt, uns immer voraus ist, ganz ohne Richtung auskommt. Das Gegebene, die schöne Materia, die uns nicht den Atem raubt, die uns Wasser spendet, statt uns zu ersäufen, die uns nährt, statt uns Kräfte zu entziehen, hat keinen Einfluss mehr auf unsere Taten. Das ist die Hybris und fast biblisch!

Die Worte sind uns also voraus und holen uns wieder ein, nachdem sie irgendwann einmal gezeugt wurden. Sie müssen wandern, wir tun es. Gesprochen, fliegen sie, mit ein wenig Spucke und feuchtem Atem, aus unseren Mündern, viral, infektiös, heilsam. Wer weiß? Geschrieben stehen sie vor uns. Immer vorweg, mit Schallgeschwindigkeit oder sie tanzen in der Distanz des Leseabstands, bei den letzten notorischen Viel- und Querlesern.

Gavin Bryars, Konzert für Kontrabass, Männerchor und Orchester, nach Mikhail Glinkas „Auf Wiedersehen St.Petersburg“, gespielt vom virtuosen Božo Paradžik. - Die Gravitationswellen sind hier spürbare, tiefe Wellen der Seele, die fast aus der Unendlichkeit kommen. - Mikhail Glinka, „Auf Wiedersehen St. Petersburg“ (1838-1840), Russlands erster Liederzyklus, erfunden von einem Wanderer. „Zweifel“, besungen von der wunderbaren Galina Vishnevskaya.

Muslime würden wohl sagen, dass das Wort Gottes, damit es unter uns wirksam werde, besonders schön und kunstvoll ausgesprochen und geschrieben werden müsse.

Der Islam will ein einfaches, gutes, gläubiges und friedliches Leben, und das ist unbedingt schön. Aber dafür muss man sich mit dem Wort Allahs Mühe geben und es nicht als Aufforderung zu Zwang und Gewalt auslesen. Und ein Jude könnte sagen, dass die Auslegung der Schrift durch ihn, durch Dich und Uns alle, entscheidet und diese emanzipative, diese ewige Emanation, diese Ausfaltung, prinzipiell unabgeschlossen bleibt, bis der Tag, wann auch immer, einmal kommt, weil nur Menschen Träger von Auslegungen aller Art sind und es kein anderer für sie tun kann.

Jede Ansprache, ob religiös oder säkular, kann also nur dann wirken, wenn es humane Adressaten gibt, die sich nicht entziehen oder nicken, sich beugen, weil man sie zwingt und nötigt. Das aber, behaupteten und fordern auch Jacques Derrida, Roland Barthes, Michel Foucault oder Walther Benjamin, sogar der olle Mohr, Karl Marx, mögen sie auch von einem speziellen Ende gar nicht reden, weil gilt, dass das, worüber man nichts weiß, selbst beredsam, nur beschwiegen werden kann. - Die kommunistische Gesellschaft, an die kaum noch einer glaubt, die viele verspotten, ist kein Endzustand, sondern sie lebt aus der Hoffnung des Frühjahrs. - Den meisten Bürgern sind Menschen die daran glauben nichts anderes als Schwall- und Schwellköppe.

Auslegung, ist also eine, vielleicht die wichtigste, menschliche Fähigkeit, von der kaum noch jemand was wissen will. Die Ware, feingeknüpfte prospektive Worte, ist nie einfach, obwohl das viele unter uns glauben, denen die Worte nur so von den Lippen fließen und die Buchstaben dazu in die Tastaturen springen. Ausfalten, Ausbreiten, Ausführen, sind also angemessene Tätigkeiten, angesichts dieser unfassbaren Aufgabe. Menschen bleiben Deuter und viele darin eher paranoid, während andere kleinmütig und ohne jeden Funken Fantasie nur wortwörtlich lesen, schreiben und reden möchten und selbst die Mathematik mit Natur verwechseln.

Viel besser als schreiben, lässt sich das singen. Natalie Merchant war, nach schwerer Zeit, -man merkt es ihren Ansage trotz ihres nimmermüden Enthusiasmus und aller Ironie an- , am kleinen Pult im NPR- Radio zu Gast. Sie sang vom „Motherland“ und „Texas“. Ihr neues und zugleich altes Album, -alte Songs der Tigerliliy wurden neu arrangiert-, heißt „Paradise is there“. Immer schon, immer hier, immer auf der Erde.

„I am a scoundrel, she´s no pearl“, - Ich bin ein Schufterle, sie keine schöne Seele. -, so gehen zwei auf eine Wanderschaft, „drifters free“ (ziellos; „Cowboy Romance“). Am Ende singt das ganze Studio „Weeping Pilgrim“. Dieses Lied fand Natalie Merchant im Musikarchiv des Lincoln Center. Ganz nebenbei entspinnt sich ein kleines Gespräch dazu, wie sehr die USA das Land der Denominationen (Glaubensbekenntnisse) sind, die nebeneinander und miteinander existieren.

Das Radio- Minikonzert entwickelt sich so zu einer vorgezogenen, gesungenen und politischen Osterbotschaft. - Vor Ostern war diese gebildete, künstlerisch kompromisslose, engagierte und charismatische Liedermacherin in Berlin. Schade, wer sie da verpasste.

Ostern sollte eigentlich schon mehr als 2000 Jahre lang ewig sein, der Botschaft nach. Spätestens nach dem ersten Pfingsten müsste das unserem Geist doch eingängig sein. - Was nur, ist auf dem Weg durch die Geschichte geschehen, um so vom Pfad abzukommen, und warum hat es mit der Ausgießung des Geistes einfach nicht geklappt?

Irdische Frühjahrsbotschaften

Mehr Licht, wird es stets nach Ostern, mehr Morgenröte. Große Nächte und große Tage zugleich kommen. Sie sind nun von der Natur angekündigt! Wasser, Feuer, Erde und Luft verbinden sich zum Datum, für Heiden, für Christen und die unzähligen anderen Namen. Ostern könnte der Tag des Menschen sein und damit verständlich auch für die besseren Christen dieser Welt, die Heiden, jene friedlichen Lämmer und Dulder unter der Sonne, die sich nicht vorgenommen haben andere zu bekehren, sondern einfach nur zu sein, die auch nicht einer säkularen Religion oder einem Dogma verfallen.

Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ, ich bitt,

erhör mein Klagen; / verleih mir Gnad zu dieser Frist, /

laß mich doch nicht verzagen. / Den rechten Weg, o Herr,

ich mein, / den wollest du mir geben, / dir zu leben, /

mein’m Nächsten nütz zu sein, / dein Wort zu halten eben.“

(Johann Agricola)

(Bach, Choralvorspiel, f-moll, BWV 639, gepielt von Daniel Oyarzabal )

(...)Why does the earth glide by below
Like a great big rubber ball?
(It is like a rubber ball)
Why does the bird, fly through the sky
Why does the apple fall?
(We don't know, Lord)

Folks up here, ask me why
Things go so badly down below
I tell them when they ask me why
I really do not know
(But you do know, don't you Lord?)
Of course I do, sing it (...)“

(Randy Newman, How Great Our Lord, gesungen von James Taylor, aus Randy Newman´s Faust,1985)

Wie also Wort halten, in einer Welt, die sich gegenseitig zunehmend und leider mit vielen guten Gründen, misstraut?

Hochheilige Versprechen gelten wenig und Bindungen, vor allem die an Worte, erlöschen. Ein vermeintlich notwendiger Realismus des allgegenwärtigen Marketings und der „Realpolitik“, privat wie öffentlich, länger schon allgemein verinnerlicht, schafft ausschließlich Raum für kurzfristige und opportunistische Entscheidungen und Taten. Das hilft vor allem den Skrupellosen auf dem Globus, in fast jedem Gewerbe.

Christoph Leusch

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