Neun Tage Intensivmedizin für 425.000 Euro

Krankenhauskosten Selbst für Sportprofis werden Krankenhausaufenthalte unbezahlbar. Skistar Burke starb, die Kosten blieben. Ein globaler Trend zur Risiko-Privatisierung zeichnet sich ab.

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Neun Tage Intensivmedizin für 425.000 Euro, schöne Zukunft weltweit?

I Ein Sportunfall

Vor vier Tagen (19.01.2012) verstarb die kanadische Freestyle Schiartistin Sarah Burke, an den Folgen ihres schweren Trainingssturzes in der Halfpipe der Wintersportstadt Park City/Utah. Beim unkontrollierten Aufschlag der Athletin war eine ihrer Rückratarterien eingerissen. In der Folge trat, über die massive Blutung, den dabei entstehenden Gewebedruck und die Sauerstoff-Unterversorung, ein Atem- und Herzstillstand ein. - Die Vertebralarterien (Rückratarterien) versorgen, entgegen ihrer Bezeichnung, vor allem die hinteren und tiefer gelegenen, rückenmarksnahen Strukturen des Gehirns mit Blut. Dort liegen lebenswichtige Kontrollzentren für Atmung und Kreislauf. - Die sofortige erste Hilfe, eine anschließende Operation und viel Intensivmedizin retteten die 29jährige Ausnahmesportlerin nicht.

II „Erlauben wir uns, in Rechnung zu stellen“

Neun Tage in der Universitätsklinik Utahs, sollen nun die Angehörigen 550.000 Dollar kosten!

Für die USA war Frau Burke nicht ausreichend versichert, zumal der Sturz nicht bei einem offiziellen internationalen Wettkampf eintrat, sondern während der Vorbereitungen für einen gesponserten Schaukampf. Ihre Hinterbliebenen rufen, angesichts der exorbitanten Forderung, zu Spenden auf ( www.cbc.ca/sports/skiing/story/2012/01/19/sp-sarah-burke-obit.html?cmp=rss ), und im Falle dieses prominenten Unfallopfers dürfte das Geld bald zusammen kommen. - In Kanada wäre die junge Frau aus Vancouver wohl kostenlos behandelt worden.

Wann ist es auch bei uns so weit? Schließlich muss doch ein betriebswirtschaftlich geführtes Krankenhaus und das letztlich unbezahlbare Therapeuten-Team an der Bettkante ausreichend verdienen! Preisbildungen und Klinikstrukturen der weitgehend privat organisierten Medizin der Vereinigten Staaten setzen dazu die neuen internationalen Trends. In Brasilien wäre es Frau Burke oder ihrer Familie nicht anders ergangen, als nun im Musterland der Medizin, vorausgesetzt, man hätte überhaupt ein geeignetes Hospital für die Schwerverletzte gefunden.

Nein, diese Art Abrechnung ist nicht schön! Aber sie verweist auf eine böse globale Entwicklung, bei der es medizinische Leistungen nur noch für wirklich zahlungskräftige Kunden geben kann und geben wird. Weniger bekannte Unfallopfer hätten es aus Park City nicht einmal bis ins Uni-Hospital geschafft.

Die Höhe der Forderungen schlägt dem Fass endgültig den Boden aus. Stimmt, was auf der Familienseite der Burkes steht und so auch mehrere Medien berichten, dann arbeitete die Uniklinik im Mormonenstaat mit einem Tagessatz von ca. 47.000 Euro. Das ist selbst für High Tech-Medizin ein schwer begründbares Entgelt.

Christoph Leusch

PS: Mittlerweile (22.01.) gehen die Medien von einer geringeren Summe aus, die bereits durch die Spenden abgedeckt sei. Die verläßlichen Quellen berichten nun, die Kosten die die Universitätsklinik berechnen könne, lägen bei 200.000 Dollar. Das sind dann noch stolze 17.000 Euro je Behandlungstag (www.ottawacitizen.com/opinion/columnists/Sarah+Burke+medical+bills+nearly+covered+through+donations/6027020/story.html ).

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