Nietzsche, schon wieder letzter Europäer

Übereuropa Beim Übermenschen steht zu lesen, was Europa gefährdet. Was hindert uns am Wiederholungszwang? Demokratische Prinzipien allein sichern die Demokratie nicht ausreichend

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Übermann ist böse
Übermann ist böse

Foto: aitoff/Pixabay (CC o.0)

Friedrich Nietzsche, schon wieder letzter Europäer

Das Jahrhundert schreibt sich Warn- und Wahnzettel

Friedrich Nietzsche, unser Allvernichter aller Werte, jener ausgesprochen böswillig formulierende Verächter religiöser Sklavenmoral, der inkarnierte Jesus unter den Antichristen aller Zeiten, der sich lieber selbst an sein individuelles Kreuz nagelte, liebte Europa. Er ahnte, was aus den nationalistischen und kollektiven Ideologemen des 19. Jahrhunderts wohl werden würde, wenn sie sich in einen positiven und zugleich positivistischen, festen Glauben verwandeln. Er hatte realistische Visionen und war gewiss kein Nostradamus.

Es lohnt, beim Feuilleton- Philosophen nachzulesen, der die hartnäckigsten Eigentümlichkeiten seiner Zeit mit allen Sinnen erfasste und sich das kommende 20. Jahrhundert vorstellen konnte. Es lohnt Nietzsche zu lesen, weil seine Diskussionsstoffe wieder aktuell sind und zunehmend antisoziale Sprengkräfte in Europa entfalten.

Es lohnt, alles um 1900 zu bedenken, weil selbst bei den Einkommen und Vermögen, beim Verhältnis von Arm und Reich, bei den gesellschaftlich und kollektiv wirksamen Vorurteilen, in der internationalen Ordnung und im Umgang der Staaten untereinander, gerade wieder ganz alte Zeiten anbrechen und einige alte Kameraden, allerdings nun oftmals mit persönlichem Vermögen ausgestattet, die Regierungen übernommen haben. Die Bürgermassen verhalten sich, Nietzsche war keine Physikochemiker, aber hellsichtig, wie Moleküle unter der Einwirkung starker Feldkräfte und richten sich – auch das ein ewiges Wiederholungsspiel – national, manchmal gar regional- national, aus, auch wenn sie davon wenig bis nichts haben.

Wenn vieles dunkel und für unsere, ganz anders zivilisierten, Hirne verstellt klingt, was uns der Überphilosoph hinterließ, so war er sich mit drei Sachen, selbst auf den letzten Turiner Wahnzetteln, ganz sicher: Die Deutschen würden versuchen, Europa zu erledigen, um es zu ihrem Germanien zu machen, von dem sie eigentlich gar nichts wissen konnten, außer dem, was die Eingebildeten unter ihnen bei Tacitus, Caesar und Ausonius dazu fanden, wenn sie überhaupt noch etwas lasen, außer der Zeitung. Die europäische Misere läge an der Dreifaltigkeit aus deutschem Kaiser, Papst und Antisemiten. Aus diesem Grunde gehörten der Erstere erschossen, der Pontifex eingesperrt und die Antisemiten an die Wand gestellt. Ein wenig früher, weniger wahnwitzig, schrieb er, man solle Letztere ausweisen, wohin auch immer, um die Demokratie und Europa zu retten.

>>Wir Kinder der Zukunft, wie vermöchten wir in diesem Heute zu Hause zu sein!<<

Deutschland ist ja bis heute ein Reich der Glaubenswahrheiten in Sprichworten und Stammtischweisheiten. Unter den liebsten Sentenzen sticht hervor, dass in Wein, Wahn und Kindermund auch größte Wahrheit läge. Ob man nun kindisch, sich kindliche Gewalttäter singend an die Macht wünscht, ob man nun der Trinkerlegende erliegt, ob man die real fließende Grenze zwischen Wahn und Wirklichkeit anerkennt, es bleiben diese Körnchen an Wahrheit.

>>(...) Wir »guten Europäer«: auch wir haben Stunden, wo wir uns eine herzhafte Vaterländerei, einen Plumps und Rückfall in alte Lieben und Engen gestatten – ich gab eben eine Probe davon –, Stunden nationaler Wallungen, patriotischer Beklemmungen und allerhand anderer altertümlicher Gefühls-Überschwemmungen. Schwerfälligere Geister, als wir sind, mögen mit dem, was sich bei uns auf Stunden beschränkt und in Stunden zu Ende spielt, erst in längeren Zeiträumen fertig werden, in halben Jahren die einen, in halben Menschenleben die andern, je nach der Schnelligkeit und Kraft, mit der sie verdauen und ihre »Stoffe wechseln«. Ja, ich könnte mir dumpfe zögernde Rassen denken, welche auch in unserm geschwinden Europa halbe Jahrhunderte nötig hätten, um solche atavistische Anfälle von Vaterländerei und Schollenkleberei zu überwinden und wieder zur Vernunft, will sagen zum »guten Europäertum« zurückzukehren. Und indem ich über diese Möglichkeit ausschweife, begegnet mir's, daß ich Ohrenzeuge eines Gesprächs von zwei alten »Patrioten« werde – sie hörten beide offenbar schlecht und sprachen darum um so lauter. (...)<< (Jenseits von Gut und Böse, Achtes Hauptstück, Völker und Vaterländer, 241)

Die Wiederkehr der Volks- Krankheiten

Wie stark wohl der derzeit modische "Plumps" ausfallen wird? Ich weiß es nicht. Nur dass es schon Zeitlupen gibt, in denen es allzu kräftig aufspritzt, bei den jüngsten nationalen Stolperern, das ist gewiss. Zu den alten Herren gesellen sich nämlich zunehmend junge und stramme Burschen vom Kommers und Kommerz, im Vaterland, auf deutscher oder auch polnischer Scholle. Manche, weiter östlich, sprechen dazu sogar wieder christliche Gebete, deren innerster Kern zutiefst unsittlich, ausgrenzend und brutal ist. Da wird ein imaginiertes Antieuropa der identitiären Einfalten sichtbar. Es geht ganz schnell.

Die mütterliche Sprache bleibt davon nicht uninfiziert. Gehirngrippe, Economo und Ecce Homo, dastehen und angeblich nicht anders können, trübt die Sprache und den Geist. Die lutherische Unbedingtheit der biederen Bekenntnisse lässt schaudern, wie zu Nietzsches Zeiten.

Die Couleurs ziehen wieder zunehmend selbstbewusster durch Mainz, Marburg, Heidelberg und Tübingen. Wein auf Bier, das rat´ ich dir. Sie studieren vorzugsweise auf Jus und Wirtschaft oder für ein Amt, das Lehramt im besonderen, sowie für eine ganz andere, alte, nationale und abgestandene Geschichte und ihre eher traurig ausschließende Folklore. Europäische Geschichte studieren sie aus Prinzip nicht. Das halbe Jahrhundert für den Wandel der Unwandelbaren ist ja auch schon mehr als abgelaufen. Die nationale Steinzeit revoltiert auf ihrer historischen Umlaufbahn.

>>Dank der krankhaften Entfremdung, welche der Nationalitäts-Wahnsinn zwischen die Völker Europas gelegt hat und noch legt, dank ebenfalls den Politikern des kurzen Blicks und der raschen Hand, die heute mit seiner Hilfe obenauf sind und gar nicht ahnen, wie sehr die auseinanderlösende Politik, welche sie treiben, notwendig nur Zwischenakts-Politik sein kann – dank alledem und manchem heute ganz Unaussprechbaren werden jetzt die unzweideutigsten Anzeichen übersehn oder willkürlich und lügenhaft umgedeutet, in denen sich ausspricht, daß Europa eins werden will. Bei allen tieferen und umfänglicheren Menschen dieses Jahrhunderts war es die eigentliche Gesamt-Richtung in der geheimnisvollen Arbeit ihrer Seele, den Weg zu jener neuen Synthesis vorzubereiten und versuchsweise den Europäer der Zukunft vorwegzunehmen: nur mit ihren Vordergründen, oder in schwächeren Stunden, etwa im Alter, gehörten sie zu den »Vaterländern« – sie ruhten sich nur von sich selber aus, wenn sie »Patrioten« wurden.(...)<< (Jenseits von Gut und Böse, Achtes Hauptstück, Völker und Vaterländer, 256)

Wir guten Europäer, wir Nationalwahnsinnige

>>Der F r i e d e r i c h , der Friederich,
Das war ein arger Wüterich !
Er fing die Fliegen in dem Haus
Und riß ihnen die Flügel aus.
Er schlug die Stühl' und Vögel tot,
Die Katzen litten große Not.
Und höre nur, wie bös er war:
Er peitschte, ach, sein Gretchen gar !<<

(Heinrich Hoffmann, Struwwelpeter)

Was am wütenden Friedrich Nietzsche so fasziniert, ist sein hemmungsloser Individualismus. Eine Freiheit, für die er bereit ist seinen Preis zu zahlen, für die aber andere nicht büßen müssen. Das unterscheidet ihn von Heinrich Hoffmanns bösem Buben, der in Wahrheit ein faustischer Mann ist, ein willensmächtiger Bürger mit beständigen Missbrauchsfantasien, die er auch auslebt.

So kann dieser Mensch Nietzsche, als "Übermensch", mit vielen aggressiven Gefühlen und Ansichten, die sein Werk eindeutig prägen, der beste deutsche Pazifist sein. Selbst seine Vorurteile sezierte der kranke Mann. Das gelingt heute Politikern, Medialisten und der Masse an alltäglichen Bewertungsfetischisten selten oder nie.

Nach den ökonomisch Asozialen, kommen die Nationalbrutalen

In der fröhlichen Wissenschaft schreibt der einsame, furchtlose und heimatlose Überphilosoph zu weiteren einsamen Super-Philosophen, den Europäern Hegel, Kant und Schopenhauer, und er erklärt auch, was nach der von ihm erwarteten, kompletten Niederlage der Sozialismus-Sozialisten, er mag sie nicht, weil sie zu gut täten und zu gut sein wollten, daher >>hölzerne Eisen<< blieben, in Europa, besonders aber in Deutschland, aufwächst. Der Nationalismus.

Der Nationalist muss sich ständig versichern, wer er ist, was ihn ausmacht, was ihn größer macht und wo die Feinde zu finden sind. Er ist ein gesellschaftlich anerkannter Paranoiker, ein klassischer Innen- und Sicherheitspolitiker, real oder nur beim Bier, beim Kampf um die Lufthoheit an realen und virtuellen Stammtischen, dazu stets zur Tat vorgespannt. Ihm entgeht das Kleinliche und Kleine, das Bösartige, das er dafür täglich exekutieren muss, wie manchem ängstlich Religiösen. Ihm fehlt jedes Verständnis für die hemmende Enge seiner identitären Kultur. Ihm fehlt ein Gewissen für die damit einhergehende Brutalisierung. Letztere erscheint dem Patrioten als notwendiges Beiwerk im Konkurrenzkampf, der, mit Machiavelli gedacht – ihn bespricht Nietzsche im Zusammenhang mit Bismarck – immer auf Krieg hinausläuft, allenfalls zeitweise einmal aufgeschoben, durch vertragliche Zwischenzeiten mit jederzeitigem Kündigungsrecht, aber nie endgültig zu verhindern. Der nationale Friede bricht erst aus, wenn es gar kein "Anti-" mehr gibt, wenn eine Totalität herrscht.

Diese Ansicht von der einzig möglichen Realpolitik, hat dann, für Deutschland, Carl Schmitt noch ein bisschen wasserdichter ausformuliert.

Die modernen Anhänger des Nationalismus verhehlen gar nicht, wie einst, vor dem ersten großen Krieg, ihre ebenso gelangweilten und daher auch schon sprachlich militarisierten Vorfahren, dass damit für sie Lustgefühle und große Wunscherfüllungen, zünftig und zukünftig, einhergehen, weil die angestaute Aggressivität sich endlich Bahn brechen kann, sei es auch nur in der ewigen Forensuada asozialer Netzwerke; weil sich alles Weltgeschehen einfach zu befolgenden Ordnungsregeln einfügt, die sogar wieder Ziele und Endlösungen kennt. Das mindert Furcht- und Angstgefühle. Welche Erlösung für wütende Silberlocken und junge Silberrücken, welche Wohltat für so manche Babbelschnute!

Gute Europäer schauen rückwärts, um vorwärtsgehen zu können

Dass Schopenhauers >>(...) entsetzter Blick in eine entgöttlichte, dumm, blind, verrückt und fragwürdig gewordene Welt, sein ehrliches Entsetzen... nicht nur ein Ausnahme-Fall unter Deutschen, sondern ein deutsches Ereignis gewesen ist: während alles, was sonst im Vordergrunde steht, unsre tapfre Politik, unsre fröhliche Vaterländerei, welche entschlossen genug alle Dinge auf ein wenig philosophisches Prinzip hin (»Deutschland, Deutschland über alles«) betrachtet, also sub specie speciei, nämlich der deutschen species, mit großer Deutlichkeit das Gegenteil bezeugt. Nein! die Deutschen von heute sind keine Pessimisten! Und Schopenhauer war Pessimist, nochmals gesagt, als guter Europäer und nicht als Deutscher.<< (Die fröhliche Wissenschaft, Fünftes Buch, Wir Furchtlosen, Zum alten Problem:>>was ist deutsch?<<, 357)

>>Nein, wir lieben die Menschheit nicht; andererseits sind wir aber auch lange nicht »deutsch« genug, wie heute das Wort »deutsch« gang und gäbe ist, um dem Nationalismus und dem Rassenhaß das Wort zu reden, um an der nationalen Herzenskrätze und Blutvergiftung Freude haben zu können, derenthalben sich jetzt in Europa Volk gegen Volk wie mit Quarantänen abgrenzt, absperrt. Dazu sind wir zu unbefangen, zu boshaft, zu verwöhnt, auch zu gut unterrichtet, zu »gereist«: wir ziehen es bei weitem vor, auf Bergen zu leben, abseits, »unzeitgemäß«, in vergangnen oder kommenden Jahrhunderten, nur damit wir uns die stille Wut ersparen, zu der wir uns verurteilt wüßten als Augenzeugen einer Politik, die den deutschen Geist öde macht, indem sie ihn eitel macht, und kleine Politik außerdem ist – hat sie nicht nötig, damit ihre eigene Schöpfung nicht sofort wieder auseinanderfällt, sie zwischen zwei Todhasse zu pflanzen? muß sie nicht die Verewigung der Kleinstaaterei Europas wollen?... Wir Heimatlosen, wir sind der Rasse und Abkunft nach zu vielfach und gemischt, als »moderne Menschen«, und folglich wenig versucht, an jener verlognen Rassen-Selbstbewunderung und Unzucht teilzunehmen, welche sich heute in Deutschland als Zeichen deutscher Gesinnung zur Schau trägt und die bei dem Volke des »historischen Sinns« zwiefach falsch und unanständig anmutet. Wir sind, mit einem Worte – und es soll unser Ehrenwort sein! –gute Europäer, die Erben Europas, die reichen, überhäuften, aber auch überreich verpflichteten Erben von Jahrtausenden des europäischen Geistes: als solche auch dem Christentum entwachsen und abhold, und gerade, weil wir aus ihm gewachsen sind, weil unsre Vorfahren Christen von rücksichtsloser Rechtschaffenheit des Christentums waren, die ihrem Glauben willig Gut und Blut, Stand und Vaterland zum Opfer gebracht haben. Wir – tun desgleichen. Wofür doch? Für unsern Unglauben? Für jede Art Unglauben? Nein, das wißt ihr besser, meine Freunde! Das verborgne Ja in euch ist stärker als alle Neins und Vielleichts, an denen ihr mit eurer Zeit krank seid; und wenn ihr aufs Meer müßt, ihr Auswanderer, zwingt dazu auch euch – ein Glaube!...<< (La gaia scienza, Fünftes Buch, Wir Furchtlosen, Wir Heimatlosen, 377)

Die prekäre Demokratie

Was entsteht aus der neuen Universalkonkurrenz, die wieder Freund und Feind sauber trennt und lehrt, es gäbe, außer den Eigenen, nur Feinde?

Die erneuerte Konkurrenzschlacht der Nationen, verkleidet mit dem alten nationalistischen Dekor des 19. Jahrhunderts, den Flaggen, Hymnen und Schrifttypen, den Vorschriften zum Gruß und zum täglichen Bekenntnis in der Schule, dem Farben- und Talarunwesen an den öffentlichen und privaten Hochschulen, mit allen jenen wiederentdeckten und bestens restaurierten Nationaldenkmalen, sie führt zum Fußballkrieg, mit halben Milliarden, zur Ernteschlacht, mit Multimilliarden, zum internationalen Steuersenkungskrieg, mit Billionen, zur Spekulation als staatlich erlaubter und geförderter, unproduktiver Bereicherung, mit Multibillionen und am Ende zu neuen Kriegen, weil die Entscheidung irgendwann her muss, wie die Rechnungen beglichen werden.

Zunächst jedoch wird das goldene Zeitalter für private Raubkunstsammler der werthaltigsten Güter dieser Welt fortgesetzt, wie einst zum Ende des 19. Jahrhunderts. Deren stiller Internationalismus wird nicht gehemmt, allenfalls noch in seiner Wirkung verstärkt. Trotz bester Geschäfte drücken sie noch den Lohn der Museumswächter ihrer gesammelten Schätze, indem sie es ihnen regelmäßig als Ehre und Privileg ausmalen, überhaupt so viel Wertgeschätztes in einer Vertrauensstellung bewachen zu dürfen. Damit es alle aushalten, gibt es Murti- Bing- Pillen*, Rosamacher, Leistungsförderer und Schmerzhemmer ad libitum wie nie zuvor in der Weltgeschichte. Das wusste Nietzsche noch nicht. Ihm galten die Religionen als letztes und letztlich untaugliches Remedium, um mit dem Rest an Schuldgefühlen klarzukommen.

>>Nenne man es nun »Zivilisation« oder »Vermenschlichung« oder »Fortschritt«, worin jetzt die Auszeichnung der Europäer gesucht wird; nenne man es einfach, ohne zu loben und zu tadeln, mit einer politischen Formel die demokratische Bewegung Europas: hinter all den moralischen und politischen Vordergründen, auf welche mit solchen Formeln hingewiesen wird, vollzieht sich ein ungeheurer physiologischer Prozeß, der immer mehr in Fluß gerät – der Prozeß einer Anähnlichung der Europäer, ihre wachsende Loslösung von den Bedingungen, unter denen klimatisch und ständisch gebundene Rassen entstehen, ihre zunehmende Unabhängigkeit von jedem bestimmten Milieu, das jahrhundertelang sich mit gleichen Forderungen in Seele und Leib einschreiben möchte – also die langsame Heraufkunft einer wesentlich übernationalen und nomadischen Art Mensch, welche, physiologisch geredet, ein Maximum von Anpassungskunst und -kraft als ihre typische Auszeichnung besitzt(...). (Jenseits von Gut und Böse,Völker und Vaterländer, 242)

In dem weitgehend abgeschlossenen, europäischen Demokratisierungsprozess wächst aber auch die Sehnsucht nach der Herde, die ihren Leittieren folgt, >>weil sie des Herrn, des Befehlenden bedürfen wie des täglichen Brotes;....<< >>(...) Ich wollte sagen: die Demokratisierung Europas ist zugleich eine unfreiwillige Veranstaltung zur Züchtung von Tyrannen – das Wort in jedem Sinne verstanden, auch im geistigsten.<< (Jenseits von Gut und Böse,Völker und Vaterländer, 242)

Christoph Leusch

Die notwendig ausführlichen Zitate stammen aus den leicht zugänglichen, offenen digitalen Quellen von Zeno.org und Projekt-Gutenberg.

*Murti- Bing- Pillen: Man lese bei Stanisław Ignacy Witkiewicz (Witkacy), in >>Nienasycenie<<( Insatiability, Unersättlichkeit) und dann bei Czesław Miłosz, >>Verführtes Denken<<, nach. In Polen wäre das derzeit wieder dringlich. Die Murti- Bing- Pillen wirken vielfältig. Vor allem aber, machen sie das Unerträgliche verträglich und die erträglichen Bürger unerträglich.

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