Positiv strahlende Verlautbarungen, derweil bleibt Fukushima kritisch

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Auf Besserung deutende Nachrichten aus Fukushima täuschen (24.03.2011, 17:00 Uhr)

Die „Schrottreaktoren“ Japans müssen mit äußerster Vorsicht weiter heruntergekühlt werden. Derzeit funktioniert das bei den Reaktoren 1,2,3 in Fukushima nicht. Weiterhin tritt Radioaktivität aus, weil regelmäßig das so genannte „Venting“, also das geplante Ablassen von Wasserdampf zur Druckentlastung, durchgeführt werden muss, oder das verdampftes Wasser, hoffentlich nicht auch wieder Wasserstoffgas und ganz andere radioaktive Dämpfe, sich selbsttätig Wege ins Freie suchen.

Viele Indizien deuten auf eine schon beschädigte, innere Reaktorhülle an Block 2 oder 3, vielleicht sogar an beiden Reaktoren. Auch an Block 1 stieg zuletzt wieder der Druck, was auf Zerfallsprozesse an den nicht ausreichend gekühlten Brennstäben hindeutet, und ganz aktuell wurde dort erstmals weißer Rauch über dem Block gesichtet. - Die offiziellen Erklärungen dazu bleiben blass.

Derzeit erklären die Behörden und der Betreiber, sie könnten die Austrittsorte und die Ursache der sehr hohen Strahlung nicht genau lokalisieren. - Ist das eine Ausrede und Notlüge, oder eine Verweigerung, der Realität ins Auge zu blicken?

Schwache Lichtpunkte am Ende des Tunnels und ein Haufen Höllenzeichen

Am 22. und 23.03.2011, mischten sich wenige positive und ein Haufen negative Meldungen, die allerdings selten treffend von der internationalen Presse eingeschätzt wurden.

Der Newswert, es mag zynisch klingen, ist nun einmal rapide gesunken, obwohl sich gleich mehrere Blöcke des Kraftwerks Fukushima I weiter auf die ultimative Katastrophe zu bewegen. Der Krisenherd Libyen, mit Bürgerkriegstoten, Luftangriffen westlicher Länder und getöteten Journalisten, verdrängte sogar die Live-Ticker zum Unort, die bisher in den Online-Medien geschaltet waren.

Das liegt aber auch am erkennbaren Mangel an wissenschaftlich-technisch geschulten Journalisten, sowie am Abzug vieler ausländischer Medienarbeiter und Korrespondenten, weg von der Gefahrenzone. Die strikte Kontrolle der Informationslage, die bezüglich der Zustände um das Kraftwerk selbst und in den amtlichen Sicherheitszonen, weitgehend von der Tepco, dem Energiekonzern und Kraftwerksbetreiber, und dann von der japanischen Regierung bestimmt wird, trägt dazu bei und weckt kaum Vertrauen.

Es gelang den Technikern zwar Notstromleitungen für Starkstrom an die zerstörten und beschädigten Reaktoren heran zu führen, allerdings reichte das bisher nur dazu, die Beleuchtung der Leitstände wieder in Gang zu setzen. Da blinkt allenfalls ein Funzellicht am Ende des Tunnels.

Kein verantwortlicher Mensch weiß derzeit, oder aber, will dazu sein Wissen offenbaren, ob sich die Pumpen noch anschließen lassen, ob sie dann laufen und ob damit noch irgend eine Kühlflüssigkeit, an die richtigen Orte gelangen kann.

Unmittelbar oberhalb der fatal havarierten Reaktoren lagern ausgebrannte Brennstäbe in Abklingbecken. Die Gesamtmenge des an einem Ort versammelten Urans und Plutoniums ist schon an sich bedrohlich, aber die Nähe zu den dahinheizenden Reaktoren und die ausgefallen Kühlung der lagernden Brennstäbe, potenzieren das Risiko.

Etwas besser steht es mit den Reaktoren 5 und 6, die ein wenig nördlich, abseits der eigentlichen Havarieanlage stehen. Sie sind weitgehend unter Kontrolle, nachdem nun eine Notkühlung mit einem großen Dieselaggregat ausreichend sicher funktioniert, so lange der GAU an den übrigen havarierten Reaktoren eine beständige Wartung dort zulässt. - Sehr wahrscheinlich stammt der Generator aus der Hilfslieferung der USA, die transportable Dieselgeneratoren dieser Leistungsstärke lufttransportfähig vorhalten. - Die beiden Meiler waren aber vorher nicht im Lastbetrieb und in den großen Abklingbecken sind die Brennstäbe nicht trocken gefallenen. Nach der Beben-Katastrophe traten dort nur vergleichsweise geringe Temperaturerhöhungen auf.

Kaum Chancen für das zarte Pflänzchen Optimismus

Beunruhigend ist allerdings, hier zeigen sich die Analogien zu Tschernobyl, wie die nun deutlich steigende Strahlenbelastung von Trinkwasser, Böden (Stäube!), Nahrungsmitteln und Meer herunter gespielt wird. Gestern mussten die Behörden einräumen, es fände sich im Trinkwassersystem Tokyos, in den nordöstlichen Stadteilen radioaktive Aktivität, die Kleinkindern und Babys gefährlich werden könnte. In Gemüsen und Salaten aus der weiteren Region im Norden und südöstlich des Havariereaktors Fukushima I, entdeckte man höhere und vor allem die japanischen Grenzwerte mehrfach überschreitende Mengen an Strahlung und auch die Milch der Region ist mittlerweile deutlich belastet.

Jede Strahlendosis zählt

Völlig blödsinnig sind die wiederholten Verlautbarungen, die Strahlungsmengen hätten keine gesundheitsgefährdende Größe und könne eine Zeit lang toleriert werden. So blödsinnig, wie die beständig in Pressemedien kursierenden Vergleiche mit der effektiven Strahlendosis einer Röntgenaufnahme.

Warum? Weil die Menschen in den betroffenen Gebieten potentielle Strahlendosen einsparen (vermeiden) müssen! Im bevölkerungsreichen Japan gibt es keine ausreichenden Fluchträume für die Millionen, die sich eventuell in Sicherheit bringen möchten, sollten weitere radioaktive Freisetzungen eintreten. Die Strahlenbelastung addiert sich und jeder Tag mit geringer oder keiner Aufnahme, erhält den Puffer an Sicherheit, der auf längere Sicht (es geht dabei auch um die Nachfolgegeneration) noch von Nutzen sein kann. Es gilt, was auch bei beruflich Strahlenexponierten als goldene Regel gepredigt wird: „Fülle niemals leichtfertig dein Lebensdosiskonto, wer weiß, wofür du eine tolerierbare Belastungsreserve noch einmal brauchen wirst!“

Nach weiteren Temperaturanstiegen trat erneut Dampf aus Reaktor 3 aus. Das ist der Block mit den MOX (Mischoxid)-Brennstäben (Wer erinnert sich noch an Hanau?), die, neben Uran, sehr viel Plutonium enthalten. An Reaktor 2 kann derzeit nicht kontinuierlich gearbeitet werden, weil dort die Strahlung Werte bis zu 500 mSv/Stunde erreicht. 5-6 Stunden Aufenthalt in Reichweite dieser Strahlung, -es steht zu vermuten, es handelt sich dabei hauptsächlich um Gammastrahlung-, töten kurz und mittelfristig ca. 50% der ihr ausgesetzten Arbeiter!

Tepco und der Regierungssprecher

Fast alle Angaben zu den Strahlungsmessungen um die Reaktorruinen stammen von der Betreiberfirma, die auch sämtliche Bulletins zum Stand der Arbeiten filtert. Ein Skandal, angesichts der bisher schon aufgedeckten und erwiesenen Schlampereien, der Lügenhaftigkeit und Unbelehrbarkeit des Managements bei Tepco. - Die hatten sogar den selbstsicheren Mut, sich vorgestern direkt bei den evakuierten Landsleuten wegen der „Unannehmlichkeiten“ zu entschuldigen. Auch unter Anrechnung des Mentalitätsunterschieds, der so etwa vielleicht für japanische Ohren besser klingen lässt, erstaunt doch die Chuzpe dieses Auftritts. - So, wie die Dinge sich derzeit darstellen, kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Ausfall der Notstrom- und Kühlsysteme mangelnder Wartung der Anlage geschuldet war und nur mittelbar mit dem Beben und dem folgenden Tsunami zu tun hatte.

Fest steht auch, dass die Kraftwerke nicht nach dem Stand der Technik gebaut und weiter ausgerüstet wurden, sondern, -mehrfach, über die Jahrzehnte ihrer Laufzeit, wiederholte sich das Verfahren-, eine Übereinkunft zwischen Politik und Energiekonzern getroffen wurde, dies zu verhindern.

Risiken, nämlich die Riesenwelle und ein Beben größer 8,2 nach Richter, sowie bekannte Mängel in der Sicherheitsausrüstung, wurden bewusst hingenommen. Das gilt auch für die unterlassenen Nachrüstungen am Notfallsystem und den Notkühlaggregaten. Der GAU war also klassisch und tragisch in das Unternehmen Kernkraft am Meer eingepreist.

Keinesfalls verblüffend, bei so viel gegenseitiger Rücksichtnahme: Es gibt ganz offensichtlich gar kein umfangreiches, engmaschiges und standardisiertes Meßregime für die Strahlungsmessung an den Havariereaktoren, in den möglichen Ausbreitungswegen der Strahlung und an jeder denkbaren Stelle, an denen die Einwohner mit Radioaktivität in Kontakt kommen könnten. Erst nach und nach wird punktuell geprüft und die Becquerel-Werte (Zahl der Zerfälle/Sekunde) für Trinkwasser, Gemüse, Salat und Obst steigen derzeit von Tag zu Tag.

Mit der Änderung der Windrichtung, wurde jetzt auch im Raum Tokyo deutlich erhöhte Strahlung festgestellt. - Leider gibt es keine Abkehr von der amtlichen Salami-Taktik, sondern eher noch eine Ausdehnung. So ist bisher jegliche genauere Abschätzung der tatsächlichen, radioaktiven Flächenbelastung unmöglich.

Messung radioaktiver Strahlung:

Der Geiger-Zähler

Seit Tschernobyl kennen auch Menschen ohne jegliches physikalisches Wissen den Geiger-Zähler. -Korrekt heißt es, Geiger-Müller Zählrohr.

Mit diesem Gerät lassen sich aber nur radioaktive Zerfälle allgemein messen. Die Einheit Becquerel passt gut dazu, denn ein Becquerel ist gleich 1 Zerfall/Sekunde (1Bq = 1 /s). Mit anderen Worten, das Becquerel beschreibt die Zerfallsfrequenz und ist daher in den Dimensionen identisch mit den Einheiten für die Frequenz aus der Mechanik (Drehzahl/Umdrehungszahl=1/min oder s) oder der Elektro- und Lichttechnik, dem Hertz (1 Hz=1/s), generell also, Ereignis pro Zeiteinheit.

Das Maß Becquerel, wie auch das Meßgerät Geigerzähler, liefern aber keine Abschätzung der Strahlungsenergie und der Strahlungsart, die doch, wir erinnern uns, in Gray oder Sievert (Joule/kg) für einen bestimmten Zeitraum gemessen und bewertet wird. Zudem gibt es auch keine Proportionalität zwischen der gemessenen Zählereignissen und der vom Gerät absorbierten Strahlungsenergie.

Der Run auf Geigerzähler ist also nur bedingt eine gute Idee. Wer ein Zählrohr hat, der kann nur grob abschätzen, in welchem Maß die Zerfallsaktivität von der Grundaktivität, der wir immer ausgesetzt sind, an die wir angepasst sind, abweicht. Vorausgesetzt, er kennt die „natürliche“ Vorbelastung am Ort. Aus diesem Grund ließ die Stadt Paris vor ein paar Tagen ihr Gebiet flächendeckend messen. Nur aktuelle und flächendeckende Vorwerte liefern den passenden Maßstab.

Zudem sagt die Geiger-Zählerei über die biologisch wirksame Effektivdosis nur wenig, denn weder ist die auslösende Strahlungsart (Alpha, Beta, Gamma, Neutronen), noch die Strahlungsquelle damit ausreichend bestimmt. Ob es sich um kleine und mobile strahlende Partikel handelt, die leicht in den Körper gelangen, oder ob die Strahlung nicht-teilchengebunden, bzw. relativ ortsfest, von ortsgebundenen Materialien als Quelle ausgeht, ist außerordentlich wichtig.

Solche und andere, sinnvolle Messungen müssen jedoch mit anderen Geräten durchgeführt werden, die genauer messen, die Strahlungsarten anzeigen und unterschiedliche Medien erfassen.

Was wirklich gemessen werden muss und mit welchen Geräten das geschieht

Es gibt drei Hauptstrahlungsarten (Alpha, Beta, Gamma). Diese haben je nach Einwirkort und Aufnahme in den Organismus, je nach Energieleistung der Strahlung, unterschiedliche Bedeutung. Dazu kommt noch die Neutronenstrahlung, die als Gefahr auf der Erde überhaupt nur aus technischen Prozessen, besonders aus der Kernenergie-Erzeugung, stammt.

Alpha-Strahler sind Teilchen (Helium-Atomkerne). Sie können schwere Schäden an sensiblen Geweben anrichten, weil sie viel Energie transportieren. Sie dürfen also niemals in den Körper gelangen und auch nicht länger auf die Hautoberfläche oder die Augen einwirken. Allerdings lässt sich Alpha- Strahlung gut abschirmen, schon ein papierner Schutz genügt und die Teilchen lassen sich gut abspülen.

Beta-Strahlung ist eine Elektronenstrahlung, deren biologische Wirkung von der Energiemenge bestimmt wird, die die vergleichsweise leichten Elektronen aus dem radioaktiven Zerfall mitbekommen. Elektronenstrahlung ist schwerer aufzuhalten (Plexiglas, Metallverkleidungen mit Schwermetalldotierung oder dünner Filmschicht) und sie dringt tiefer in die Gewebe. Da erzeugt sie aber, im Vergleich zur Alpha-Strahlung, bei gleicher Menge nur ein Zwanzigstel der Schäden.

Die Strahlung selbst stammt, im Zusammenhang mit der Kernenergie und der Freisetzung von Radioaktivität, immer aus einer Kontamination der lebenswichtigen Medien (Luft, Wasser, Nahrung) mit mindestens einem radioaktiven Isotop (meist Jod-131, Caesium-137, Strontium-90), welches diese Strahlung über längere und sehr lange Zeiträume abgeben kann. - So strahlt Wildfleisch aus manchen Regionen in Bayern, 30 Jahre nach Tschernobyl, noch mit mehr als 600 Becquerel/kg und auch Wildpilze konzentrieren immer noch radioaktives Cäesium-137 in nennenswerten und bei häufigem Verzehr, gefährlichen Mengen. Hochgefährlich sind Partikel in der Luft und feine, lungengängige Stäube, die wieder aufgewirbelt werden oder auf Nahrungsmittel niedergehen.

Gamma-Strahlen sind elektromagnetische Strahlen und gelten als die akut gefährlichste Strahlungsart. Zudem gibt es im Alltag kaum Schutzmöglichkeiten gegen Gamma-Strahlen und selbst speziell ausgerüstete Feuerwehren, das Militär oder ein Notfall-Team für Reaktoren, können nur den Zeitraum etwas verlängern, in dem sich ein Mensch dieser Strahlung, ohne sich über Gebühr zu gefährden, aussetzen darf. - Die Gammastrahlung verhindert derzeit eine systematische Reparatur und die ausreichende Kontrolle der japanischen Schrottreaktoren, denn gegen sie helfen keine Atemschutzmasken, keine Vollschutzkleidung und kein ausführliches Duschen nach dem Einsatz. Hohe Gammastrahlung im Bereich von mSv, derzeit um 200- 500 mSv/Stunde, nicht Mikro (µ)Sv (!) , weist aber auch auf Lecks am Kern-Containment eines oder mehrerer Reaktoren, oder aber, auf die Zerstörung von Brennstäben in den Abklingbecken hin.

Obwohl Gamma-Strahlen gewichtet, nur ein Zwanzigstel der Effektivwirkung von Alpha-Strahlen besitzen, wirkt hier die schiere Menge aus dem Uran- oder Plutonium- Zerfall oder von den ebenfalls wirksamen Spaltprodukten!

Neutronen-Strahlen, wiewohl im Kosmos häufig, haben hier auf Erden nur durch menschliche Aktivität eine schädigende Bedeutung für das Leben. Sie sind schwer zu detektieren, weil sie keine Ladung tragen. Aber die Masse des Neutrons und die Möglichkeit, dass diesen Teilchen, stammen sie aus einer Kernspaltung, erhebliche Energie mitgeben wird, machen sie ähnlich akut gefährlich, wie die Gamma-Strahlung.

Kosmische Neutronenstrahlung, - Biowesen halten sie locker aus, weil nur wenig Strahlung durch die elektromagnetische Schutzhülle der Erdatmosphäre dringt-, muss in gewaltigen Flüssigkeitstanks, tief im Inneren von Gebirgsmassiven nachgewiesen werden. Nukleartechnische Neutronenstrahlung wird am Maß der Anregung des radioaktiven Zerfalls (analog ihrer Funktion in einem Reaktor!) und an der Fähigkeit positiv geladene Teilchen (Protonen) beim Zusammenstoß zu bewegen, gemessen. - Also ziemlich indirekt und nicht gerade einfach!

Die physikalische Energiedosis der Neutronenstrahlung muss, um die Effektivwirkung anzugeben, je nach dem Energiepotential mit dem Wichtungsfaktor 5-20 multipliziert werden. Wird jemand mit Neutronensstrahlen kontaminiert, dann muss die gemessene physikalische Energiedosis in Gray, mit dem passenden Faktor multipliziert werden, um die tatsächlich wirksame Belastung in Sievert angeben zu können.

Fuhrpark der Messgeräte (Es gibt noch mehr und noch mehr Abwandlungen der Grundprinzipien)

In Ionisationskammern werden durch die einfallende Strahlung Gasmoleküle elektrisch aufgeladen, weil Strahlung als Energiedosis wirkt. Die entstehenden geladenen Teilchen erzeugen einen Strom in der Kammer, die wie ein ganz simpler Kondensator aufgebaut ist. So kann ihre Menge abgeschätzt werden. Ionisationskammern sind sehr sensible und zuverlässige Messinstrumente, die sich bis auf Tintenfüllergröße miniaturisieren lassen. Kein Strahlungsquant geht verloren. Mit entsprechend präparierten Ionisationskammern (Wandaufbau, sowie Art und Druck des Füllgases) lassen sich auch Gamma und Neutronenstrahlen gut nachweisen und relativ exakt in der Menge bestimmen.

Der Geiger-Müller Zähler gehört zu den Auslösezählrohren. Die funktionieren nach dem Prinzip, in einer definierten Zählkammer ein bekanntes Messgasvolumen zu ionisieren. Hier werden aber nicht die einzelnen Ionen gemessen, die proportional zu den einfallenden Strahlenquanten wären, sondern es wird eine Kaskade von Ionisationen im Messgas ausgelöst und der dann entstehende elektrische Stromfluß registriert. Das ist ein wenig so, wie beim Dominostein-Effekt, wenn ein fallender Stein, auch über Verzweigungen hinweg, viele andere umwirft.

Welche Folgen das für die Aussagekraft der Messungen hat, steht schon weiter oben. Vor allem die Gamma-Aktivität lässt sich damit nur schlecht abschätzen, weil diese elektromagnetische Strahlung, trotz oft hoher Energiedosis und damit großer Schadwirkung in einem verhältnismäßig atomarmen und kleinen Gasvolumen einfach zu wenige Stöße anregt.

Ersetzt man das Gas der Ionisationskammer durch einen strahlensensiblen, festen Messkörper oder eine Messflüssigkeit, die dazu noch einen Leuchteffekt bei Bestrahlung zeigen, kommt man zum Szintillationszähler. Hier enstehen durch die Strahlung kleine Lichtblitze, die nur bei sehr vielen Ereignissen auch vom menschlichen Auge wahrgenommen werden. -Das blaue Leuchten über dem Wasser im Reaktorbecken ist ein beliebtes sichtbares Phänomen in der SciFi-Filmbranche und bei atomaren Metaphysikern. - Aber es gibt ja Photodioden und Signalverstärker, die wahrnehmen und hochrechnen, wofür unsere Sinne nicht gemacht sind.

In Frage kommen z.B. dotierte metallische Kristallsalze - oder metallisch dotierte Glas-Szintillatoren. - Natrium-Jodid-Kristalle, mit Thalliumspuren, eignen sich besonders gut zur Erfassung von Gamma-Strahlen. Das liegt am vergleichsweise schweren Element Thallium und an der kristallinen Ordnung des Jodidsalzes. Mit dem großen Atmomkern des Thalliums kollidieren die Gammastrahlen und die Ordnungsänderung in dem Metallsalz erzeugt eine meßbare Änderung.

Halbleiter-Meßgeräte (Detektoren): Die erzeugten Messimpulse entsprechen weitgehend der tatsächlich aufgenommenen Strahlungsenergie. Halbleiter reagieren sehr schnell auf Änderungen im Strahlungsfeld und sind weniger störanfällig durch die Eigenschaften der Detektormaterialien, als z.B. die Szintillationsmesser. Werden schwere Atome als Diodenmaterial verwendet, z.B. Germanium, dann lassen sich sehr gut Gamma-Strahlen messen. Einziger Nachteil: Die Detektoren müssen im Betrieb tiefgekühlt werden, weil sonst schon die aus dem Hablleitermaterial selbst austretenden thermischen Elektronen das Messergebnis unbrauchbar machen. Ein Nachteil ist die Alterung der Halbleiterbauteile unter starker Radioaktivität.

Fotopapiere

Eine altmodische, aber wenigstens gerichtsfeste Methode der groben Strahlungsmessung ist die Schwärzung von unterschiedlich empfindlichen Fotoemulsionen. Die Streifchen stecken in den Chipkarten-ähnlichen Minidosimetern, die so manche TV-Arztserie glaubwürdiger machen. Nur Dr. House fasst unter Umständen auch einen Brennstab in Jeans, Glencheck-Jackett und mit bloßen Händen an. Er trägt niemals ein Dosimeter.

Diese Art der Dosimetrie ist ungenau, beweist dafür aber ziemlich sicher, die Ehrlichkeit der (Foto-)Laboranten vorausgesetzt, was der Mensch erlebt und erlitten hat, nämlich, dass überhaupt eine Bestrahlung stattfand! Das Ergebnis ist auch in einhundert Jahren noch beweistauglich, lag es in der Archivschublade!

Derweil dringen aus Japan grausige Gerüchte zu uns. Angeblich soll der Reaktorbetreiber Tepco ungelernte und nicht sachgerecht geschützte Arbeiter in die Sperrzonen der Reaktoren geschickt haben. Arbeiter ohne Schutzstiefel in radioaktiv hochbelastetem Wasser, zeugen von der Rat- und Hilflosigkeit und auch von einer gewissen Skrupellosigkeit der Verantwortlichen, sollten die Berichte dazu sich bestätigen lassen.

Christoph Leusch

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