Quälender Wassermangel in Palästina

Nahost Wasserkrise EU-Parlamentspräsident Martin Schulz soll rednerisch ins Fettnäpfchen getreten sein. Nebensache, angesichts des gefährlichen Wassermangels in der Westbank und in Gaza.

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Die kollektive Art der Wasserfolter – Wassermangel in Palästina

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Ich wasche meine Hände in Unschuld

Ein EU-Parlamentspräsident wird aus Verlegenheit und Mitgefühl unpräzise

Martin Schulz, unser EU- Parlamentspräsident, hielt jüngst eine Rede vor der Knesset. Sie mäanderte historisch und politisch und sprach fast alles irgendwie an, was üblicherweise zu solchen Terminen, besonders von Deutschen, aufgesagt werden muss.

Die offiziellen Positionen der EU stehen schon länger in klarem Gegensatz zur Politik der gegenwärtigen Regierung Israels. Schulz kritisierte den fortgesetzten Siedlungsbau in den besetzten Gebieten, er argumentierte gegen die wirtschaftliche, finanzielle und politische Depression Palästinas, die von israelischer Seite stereotyp als notwendige Folge des palästinesischen Terrorismus und deren geselllschaftlicher Unterentwicklung erklärt wird. Trotzdem betonte er seine Ablehnung möglicher Boykott-Maßnahmen Europas gegen Israel und lobte die Wissenschaft und die gefestigte Demokratie des Mittelmeerstaates. - Benjamin Netanyahu hielt Schulz´ Ausführungen, -auch das war erwartbar-, hinterher trotzdem für „einseitig“.

Die radikalen Rechten in der Knesset und in der Regierung Israels, auch ein paar Pressemedien, störten sich jedoch weniger an den kursorischen Argumenten und Fakten des EU-Parlamentspräsidenten. - Da gilt: „We agree to disagree!“ - Sie ärgerte eine rhetorische Ungenauigkeit, zu einem Thema, das dauerhaft und aktuell eines der Not und des Elends ist, das auf den Nägeln brennt: Wasser.

Schulz kam, angeregt durch ein Treffen mit jungen Palästinensern in Ramallah, vom akzeptierten oder wenigstens tolerierten, formelhaften Sprachgebrauch ab: >>Einer der Fragen dieser jungen Menschen, die mich am meisten bewegt hat – wobei ich die genauen Zahlen nicht nachschlagen konnte –, war: Wie kann es sein, dass Israelis 70 Liter Wasser am Tag benutzen dürfen und Palästinenser nur 17? <<

Deutsche Zeitungen, das öffentlich -rechtliche TV, die mediale Öffentlichkeit, die israelische Politik und das breite Publikum hier, wie dort, interessieren Wasserprobleme der Palästinenser nicht sonderlich. - Viel mehr erregte, dass es zu einem Eklat in der Knesset gekommen war und welche Auswirkungen das auf die deutschen und europäischen Beziehungen zu Israel eventuell haben könnte.

In der Südeutschen Zeitung wollte die ehemalige israelische Geheimdienstmitarbeiterin, Teilzeitpolitikerin und erfolgreichen Geschäftsfrau, nun Fellow am Jewish People Policy Institute in Jerusalem, Einat Wilf , einen „Faktencheck“ liefern und brachte doch nur die übliche Polemik zustande, in dem sie erklärte, wie Martin Schulz es hätte besser sagen sollen:

„Israelis und Palästinenser verbrauchen unterschiedlich viel Wasser, im Verhältnis 2:1. Mir ist bewusst, dass dieser Unterschied dem verschiedenen Levels der ökonomischen Entwicklung geschuldet ist und auch dem Missmanagement der palästinensischen Behörden bei der Wasserversorgung, und dass es schon jetzt Verträge zur Wasserversorgung zwischen Israel und den autonomen Gebieten gibt.(...)“. - Der eklatante, gesundheitsgefährdende Trinkwassermangel, wäre so dargestellt, einzig ein Regierungsversagen der Autonomiebehörden und das Ergebnis der gesellschaftlichen Rückständigkeit der zukünftigen palästinensischen Nachbarnation. Und es gibt ja diese Verträge!

Palästinas Wassermangel ist ein Faktum

Auch wenn Schulz weder für ganz Palästina, noch für Israel, die passenden Durchschnittszahlen aufgriff, beschreibt die Mitteilung der Jugendlichen, die er zitierte, eine düstere, wahre und leider lange schon reale Situation, an vielen Orten der Westbank und Gazas. Ramallahs Jugendliche, deren Eltern und Großeltern, können heute vielleicht so viel Wasser nutzen, wie die Bürger Israels, wenn auch in schlechtere Qualität. Das ist aber nicht die Regel in den Autonomiegebieten! Viele Palästinenser kennen, nur weil sie eben als solche geboren wurden, den täglichen, gesundheitsgefährdenden Wassermangel, die ausfallende Stromversorgung die damit eng verknüpft ist, die massiv eingeschränkten Wirtschafts- und Lebensverhältnisse, als Folgen dieses verewigten Zustands.

In Teilen Hebrons und Gazas, in den Dauerflüchtingslagern, in den von Israel militärisch und juristisch regierten „Area C“-Gebieten im Jordantal, in nicht an das Netz angeschlossenen Gemeinden der Westbank, hat ein Palästinenser manchmal nur 20 Liter Trinkwasser pro Kopf und Tag, während nur ein paar Kilometer weiter, sein illegaler, israelischer Nachbar auf den Hügeln über ihm thront, in einem Swimmingpool planscht, der illegal gefördertes Wasser enthält und damit auch seine Felder berieselt, so, als sei er irgendwo in Mitteleuropa.

Mehrfach wurde das in den letzten Jahren von unabhängigen internationalen Organisationen, unter anderem von der WHO, der UNICEF, UNEP und den UN, sowie von der Weltbank überprüft.

Ein Dutzend der anerkanntesten globalen NGOs, darunter Amnesty International und B'Tselem - The Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories, wissen lange schon was Sache ist.

Zumindest eine der wichtigen Tageszeitungen Israels,Haaretz, lässt sich nicht einschüchtern und berichtet regelmäßig dazu. - Was das Faktum Wassermangel und die Proportion des Verhältnisses angeht, ist Martin Schulz auf der sicheren Seite, 4:1 oder 3:1 für die Verteilung zugunsten Israels, vergleicht man, was vergleichbar ist und käme es darauf noch an.

Wasser ist eine überlebensnotwendige Angelegenheit, geht es um Palästina und Israel in der nächsten Zukunft. Wollen die beiden Nationen friedlich als zwei Staaten nebeneinander und miteinander existieren, müssen Lösungen her, zwischen dem notorisch schwachen Palästina, das gerade in dieser Sache auch unter der historischen Inkompetenz seiner Verhandler in der Vergangenheit leidet und einem pseudostarken Israel, das innere Unsicherheiten, die moralische Schwäche seiner Positionen und die Völkerrechtswidrigkeit seines Handelns, durch politische Härte, Unnachgiebigkeit und ideologische Chuzpe zu übertünchen sucht.

Mehr noch! Sauberes Trinkwasser ist aktuell eine dringliche Frage von Gesundheit und Überleben, weil die Palästinenser, sowohl im Gaza- Streifen, als auch in der Westbank massive Versorgungsprobleme haben und in allernächster Zukunft, in Gaza eine Wassermangelkatastrophe droht, die zu einem großen Teil vom politischen Unwillen Israels befördert wird, überhaupt einigermaßen fair zu bleiben und die Lage für die Palästinenser, die sie diesbezüglich völlig kontollieren, zu erleichtern.

Das erforderliche Minimum der Wasserversorgung

Wieviel Liter Wasser, pro Kopf der Bevölkerung, sind das Minimum? Die WHO sagt länger schon, durchschnittlich 100 Liter pro Tag müssen es sein, egal wo, auf diesem Globus.

Das ist der Mindestbedarf, auch unter widrigen sozialen und gesellschaftlichen Umständen. Unterhalb von 20-25 Litern/Tag und Kopf, -auch das gibt es da häufig-, setzt die sofortige Katastrophe ein!

Die Palästinenser in den besetzten Gebieten, im Westjordanland, im Gaza- Streifen, haben derzeit gerade einmal durchschnittlich 75- 90 Liter/Tag/Kopf zur Verfügung, je nachdem, welche Studien seit 1995, dem Zeitpunkt des Osloer Abkommens (Oslo II), dazu herangezogen werden. - Wohlgemerkt, dieses Minimum reicht nicht zu einer sinnvollen Landesentwicklung, nicht zum Aufbau einer modernen, industriellen oder agarischen Gesellschaft und Wirtschaft.

Palästinensische Bürger verfügen über durchschnittlich weniger Trinkwasserreservoire, als es die wichtigsten Experten-Organisationen und Wissenschaftler für nötig erachten. Es leiden besonders Kinder und Alte, selten die starrköpfigen Autoritäten und nie die Leute, die aus diesem Mangel ein gutes Geschäft machen. Die sitzen nicht nur in den Autonomiegebieten, sondern auch in Israel.

Israelische Bürger können Trinkwassermengen nutzen, wie sie auch Mitteleuropäern zur Verfügung stehen. Wohnen sie jenseits der Grenzen von 1967, z.B. in den illegalen Siedlungen, dann wird ihre Versorgung aus Israel sichergestellt und der dafür fällige Preis subventioniert. Ebenso unterstützt und fördert der israelische Staat illegale Tiefbohrungen. - Je nach Studie und Einschlusskriterien stehen jedem Israeli 137 bis 247 Liter bester Trinkwasserqualität/Kopf/Tag zur Verfügung. Zusätzlich zu den Grundwasserquellen, baut Israel seine energieintensive Meerwasserentsalzung aus, denn auch auf israelischer Seite müssen mittlerweile Maßnahmen getroffen werden, auf die übermäßige Ausbeutung der vorhandenen Grund- und Tiefenwasserquellen und den einsetzenden Klimawandel adäquat zu reagieren.

Die Endverbraucherkosten für solches entsalztes und aufbereitetes Wasser, könnten es aktuell auch die Palästinenserbehörden ausreichend produzieren, lägen derzeit deutlich über den Einkommensbudgets der dortigen Bevölkerung, die schon jetzt doppelt so viel des Bruttosozialproduktes für Trinkwasser auswendet, als es allgemein üblich ist. - Ohne Subventionen aus dem Ausland oder internationale Hilfe (z.B. Aufstellung kleiner Ersatz-Entsalzunganlagen) geht da nichts! Die meisten Wasserlieferungen aus Israel, sowie den Strom, zahlt indirekt die internationale Gemeinschaft mit. Gefordert werden alle Gestehungskosten!

Der Mangel an Meerwasserentsalzung und Wasseraufbereitung in Gaza ist vornehmlich ein Energie- und Materialmangel, der von der Abriegelung der Territoriums durch Israel und seinem sehr wirksamen Importboykott direkt abhängt.

So trinken Palästinenser, wenn die Pumpen mit Import-Strom und Import-Diesel arbeiten können, zur Zeit zu 90% ein Leitungswasser, das nach internationalen Standards als ungenießbar und gesundheitsgefährdend gilt. Die Folge: Schwächende Durchfallerkrankungen, Vergiftungen, z.B. durch weit überhöhtes Nitrat, chronische Nierenschädigung durch die Salzlast (Fluor, nicht unbedingt Chlor), sind dort an der Tagesordnung. Betroffen werden vor allem werdende Mütter, Säuglinge, Kleinkinder, Heranwachsende und Alte, sowie die chronisch Kranken.

Die Situation ist in Gaza, aber auch in manchen Teilen des Westjordanlandes deshalb so prekär, weil die Infektionsgefahr durch das Wasser eine Bevölkerung trifft, in der ein Drittel zusätzlich hungert oder mangelernährt ist. Besonders trifft es die Generation-Zukunft. Die Hälfte aller Palästineser in Gaza ist jünger als 17 Jahre! Wenig Widerstandskraft bedeutet häufige Erkrankungen und häufiger, schwer und langfristig verlaufende Infektionen, was sich sich sofort auf die Schul- und Arbeitsfähigkeit, sowie die Lebenserwartung der Palästineser auswirkt.

Den existierenden Wassermangel bestreiten mittlerweile selbst viele erklärte Gegner Palästinas nicht. Für sie steht jedoch fest: Die Palästineser tragen die Hauptschuld an ihrer Misere! Die Leitungen seien marode, weil sie von der Autonomiebehörde und von der Hamas in Gaza vernachlässigt worden wären. Palästinensische Geschäftsleute seien am Status quo interessiert, weil sich dann Wasserflaschen, Container und Tankwagen besser bezahlt machten. Israel hätte alle Möglichkeiten genutzt, ausreichend zu helfen, indem es zusätzlich Wasser an Palästinenser verkauft.

Historische und hydrogeologische Ursachen des Wassermangels

Die Geschichte des Palästinenserwassers ist, wie fast alle Zustände in der Region, eng mit dem Verlauf der ewigen Niederlagen der arabischen Nationen und dem weiterhin ungeklärten Status der palästinensischen Bevölkerung verbunden. Land wurde skuzessive durch eigene Aggressionen verloren, durch israelische Landnahme und militärische Aggression geraubt und eine eigene, anerkannte Souveränität, von der UN schon zur Zeit der geglückten Staatsgründung Israels angedacht und auch als Kompensation für den notwendigen Gebietsverlust versprochen, konnte bisher nicht erreicht werden. - Für das Wasser wirkt sich der Souveränitätsmangel in besonderem Maße aus! Hier nutzt Israel seine politische und militärische Stärke und plant, dies auch weiterhin so zu halten.

Für die Palästinenser stehen im Wesentlichen drei Wasserquellen zur Verfügung. Am Mittelmeer, der meernahe Wasserleiter unter Gaza, sodann die auf israelischer Seite oder völlig unter israelischer Kontrolle stehenden Wasserspeicher und Zuflüsse der Bergregionen im Hinterland Gazas, die jahreszeitenabhängig eine gute Quelle bilden könnten, dürften die Palästinenser dieses Wasser nur auffangen und in Zisternen speichern, sowie jene wichtigen Quellen des Jordantals, die ebenfalls ausschließlich Israel kontrolliert.

Die Grundwasserspeicher unter Gaza leiden unter der übermäßigen Entnahme, sowohl auf israelischer Seite (ca. 80% des Gesamtvolumens!), als auch durch die Bewohner Gazas selbst. Bei den Palästinensern ist zudem die Wasserversorgung auf die kontinuierliche Stromversorgung angewiesen. Stehen die Pumpen, dann fließt auch kein Wasser in die Leitungen.

Im Westjordanland führt die Wassernutzung Israels über Tiefbohrungen in den besetzten und annektierten Gebieten, sowie in den sich ausdehnenden, illegalen Siedlungen, zur weiteren Absenkung der dortigen Wasserspiegel.

Die Israelis besitzen die Technik, das Geld, die Autonomie und, ganz entscheidend, die Macht zur Selbstgenehmigung, sich das Wasser der besetzten Gebiete nach Gutdünken zu erschließen. Die Palästinenser sind in allen diesen Dingen auf fremde Hilfe und die Zustimmung ihres Nachbarn angewiesen. An die starken Wasserleiter aus dem Jordantal kommen sie, wie schon geschrieben, erst gar nicht heran. Die Verfügung über die sogenannten C-Gebiete, 60% des Territoriums im Jordantal, praktisch 100% der wasserführenden Schichten, behält sich allein Israel vor, wenngleich diese nicht zu seinem Staatsgebiet gehören. Merkorot, die nationale Wassergesellschaft Israels, ist der einzige zugelassene Partner dort.

Das Land kann jedes seiner wasserbaulichen Projekte, liegt es nun auf dem Staatsgebiet oder auf besetztem Gebiet, in einem nationalen Wassermanagement vernetzen und prinzipiell handeln wie es will.

Wie schreibt die Weltbank, stellvertretend und gleichlautend zu den anderen internationalen Organisationen und NGOs?:>>Israel has de-facto maintained predominance over the allocation and mangement of West Bank water resources.<<(...) >>It is clear that under these circumstances effective integrated water resource management is not possible for the PA (Palestinian Authority, meine Einf.)<<

Oslo II, 1995 und die Folgen

Zu allem Elend kommt, dass 1995 in Oslo, unwissende und schlecht beratene Palästinenser einen Wasserverteilungsplan unterschrieben, der ihnen ein festes, aber minimales Kontingent zuordnete. Maximal 20% der damals verfügbaren Quellleistung auf dem von ihnen beanspruchten Territorium stehen ihnen „vorläufig“ zu. Pacta sunt servanda, schallt es noch heute aus Israel. - Verträge müssen eingehalten werden. Israel selbst, hat jedoch für sich und ohne Absprachen die Fördermengen nach dem Oslorer Verträgen um mindestens 50% überschritten (Stand 2009).

In diesem „vorläufigen“ Vertrag, er war für fünf Jahre gedacht und wirkt bis heute, ist zwar die gleichberechtigte Vertretung in der gemeinsamen Wasserkommission (Joint Water Comitee,JWC) geregelt, aber durch einen Passus der die Finanzierung und Ausstattung der Wasserrechte betrifft, wurde zugleich sichergestellt, dass die Palästinenser einerseits alle tatsächlichen Gestehungskosten der Wasserlieferung und des Transports, sowie die Unterhaltung der Leitungen und Verteilquellen voll bezahlen müssen, andererseits die Israelis jede eigenständige Erschließungsaktivität der Palästinenser nach dem Vertrag unterbinden können. - Davon machten sie seither reichlichen Gebrauch. 80-85% der hydrologischen Wasserleiter und Speicher werden ausschließlich von Israel genutzt!

Die Israelis selbst sind so frei, sowohl den Wasserpreis ihrer illegalen Siedlungen in der Westbank zu subventionieren und bei Bedarf Direkt-Leitungen aus ihrem Staatsgebiet dorthin zu legen, als auch, gegen internationales Recht, Tiefbohrungen durchzuführen, die den Grundwasserspiegel der umgebenden Palästinesergebiete deutlich absenken.

In den besetzten Gebieten („C-Areas“) herrscht als letzte Instanz, ein absolutes Vetorecht des israelischen Militärs für jede Maßnahme der Wassererschließung, das alle, für militärisch relevant erklärten, Zonen von palästinensischen Eingriffen frei hält. „Sicherheitsabstand“ müssen die palästinensischen Wasserbauer auch zu allen israelischen Siedlungen und Einrichtungen einhalten, selbst wenn sie einmal über die Wasserkommission die großzügige Zustimmung der israelischen Seite erhalten haben. Letzteres ist allerdings eher selten der Fall, während, nach einer Studie der Weltbank, die meisten israelischen Projekte genehmigt und ausgeführt werden. Abrisse von Wasserbauten und Brunnen der Palästinenser sind allerdings, weil sie nach israelischem Recht illegal erfolgen, in den besetzten Gebieten kein Problem für die Besatzer.

Gaza 2020: Schlechte Perspektiven, viel aktuelle Not

Der Gaza-Streifen wird, nach einer ganz aktuellen UN-Prognose, bis 2020 von 1,6 Millionen auf 2,1 Millionen Einwohner anwachsen. Die Bevölkerungsdichte beträgt dann 5835/km², statt 4505/km² (Vgl. Berlin 3927/km²). Ca. 1 Million der Einwohner werden Kinder und Jugendliche sein (0 -17 Jahre). - Dieser Zuwachs stellt die dort besonders schlechte Wasserversorgung vor zusätzliche massive Probleme.

Es ist heute völlig klar, dass die Grundwasserdargebote für Gaza nicht reichen und zudem der einzige große Küsten-Wasserspeicher nach Jahren die beständige Übernutzung, durch einen gigantischen Saugeffekt von massiver Versalzung durch das Mittelmeer akut bedroht sind. Nach hydrogeologischen Untersuchungen droht bis 2020 ein irreversibler Schaden des küstennahen Wasserleiters. Von den mehrfach kriegsbeschädigten (zuletzt IDF-Aktion „Gegossenes Blei“ 2008/2009) und vernachlässigten Abwassersystemen der Autonomieregion werden die Wasserquellen zusätzlich mit Fäkalien und Deponiewasser belastet.

Es bleibt, sofern nicht doch noch Leitungen aus den Bergen oder gar aus dem Jordantal mit Zustimmung der Israeli erschlossen werden, nur die Meerwasserentsalzung! Die ist besonders energieintensiv.

Seit der Zweiten Intifada, bei der die Hälfte der Stromproduktion Gazas von Israel zerstört wurde, wie übrigens auch viele der Brunnen in der heutigen militärischen Pufferzone auf palästinensischen Gebiet, hängt die Versorgung an Israels Bereitwilligkeit Wasser und Strom zu liefern und am Willen der internationalen Gemeinschaft, über die palästinensischen Autoritäten, den dafür eingeforderten „Realpreis“ an Israel zu zahlen.

Die adäquate Nahrungs- Wasser- und Energieversorgung ist aus dem gegenwärtigen pro Kopf- Bruttosozialprodukt der palästinensischen Autonomiegebiete, unter den herrschenden Bedingungen nicht finanzierbar und selbst durch die beste Verwaltungstechnik nicht herzustellen. Vor allem Gaza und die Flüchtlingscamps, mittlerweile Dauerwohnorte, sowie zahlreiche kleine Orte der Westbank, wären ohne internationale Hilfen eine Region des Verhungerns und Verdurstens.

Christoph Leusch

Gute Quellen:

1) World Bank. 2009. West Bank and Gaza - Assessment of restrictions on Palestinian water sector development. Washington, DC: World Bank. http://documents.worldbank.org/curated/en/2009/04/10752775/west-bank-gaza-assessment-restrictions-palestinian-water-sector-development

Ein umfangreiches, sehr detailliertes Basispapier zur Hydrologie, Wasserverteilung, Wassernutzung, Historie, Politik und den Folgen der Souveränitätsunterschiede zwischen Israel und Palästina. Sehr lesenswert, wenn man tiefe Zweifel an meinen Ausführungen hegt, wenn man sich interessiert, wenn man einfach mehr wissen will, wenn man Zeit hat. Hier auch signifikante Textauszüge aus dem Oslo II- Übereinkommen.

2) Gaza in 2020-A liveable place?, UNITED NATIONS, NATIONS UNIES, A report by the United Nations Country Team in the occupied Palestinian territory, August 2012

http://www.unrwa.org/userfiles/file/publications/gaza/Gaza%20in%202020.pdf

Eine leicht lesbare, gut aufbereitete Dokumentation (Grafiken,Tabellen) und Prognose zum Status und zur Demografie des Gaza-Streifens, mit klaren Hinweisen zu den größten Problemen der Entwicklung. Im Annex I und vor allem II, reichlich Faktenmaterial.

3) Der versprochene, aber nur rudimentär eingelöste „Faktencheck“Einat Wilfs aus der Süddeutschen Zeitung:

http://www.sueddeutsche.de/politik/umstrittene-rede-in-der-knesset-faktencheck-fuer-martin-schulz-1.1891553

4) Martin Schulz Rede in der Knesset, vom 12.02.2014:

http://www.europarl.europa.eu/the-president/en-de/press/press_release_speeches/speeches/sp-2014/sp-2014-february/html/speech-to-the-knesset-12-february-2014-by-martin-schulz-president-of-the-european-parliament

5) Ein paar Bilder aus dem Gaza-Streifen der Nachrichtenagentur UPI. Kinder füllen Kunststoffbehälter an einer Wasserstelle:

http://www.upi.com/News_Photos/Features/Palestinian-refugees-at-the-water-pump-in-Gaza/fp/6860/

6) Amira Hass, Haaretz, 14.02.2014, zur dräuenden Wasserkrise und den Ursachen, „The Israeli 'watergate' scandal: The facts about Palestinian water“:

http://www.haaretz.com/news/middle-east/1.574554

7) Water crisis in Gaza Strip: Over 90% of water un-potable, B'Tselem - The Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories, 06.02.2014:

http://www.btselem.org/gaza_strip/gaza_water_crisis

8) Over 90% of water in Gaza Strip unfit for drinking, B'Tselem - The Israeli Information Center for Human Rights in the Occupied Territories, 09.02.2014:

http://www.btselem.org/gaza_strip/20140209_gaza_water_crisis

B' Tselem (7,8) gibt spezielle Auskunft zur akuten Wasserkrise in Gaza, die auch eine Krise der Aufbereitung und Reinhaltung der Trinkwasserquellen ist. Neben Berichten der betroffenen Bewohner finden sich hier neue Zahlen und die düstere Einschätzung dieser NGO zur nächsten Zukunft. Es droht die irreversible Versalzung und Verseuchung des Gaza-Grundwassers.

Christoph Leusch

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