Quellen der Menschenfreundlichkeit

Kontemplative Weihnacht Ohne einen absurden Glauben, gibt es nur die Rechtfertigungslehren zu üblen Taten. Sören Kierkegaard dachte dazu nach. Da können sich auch Atheisten anschließen.

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Kontemplative Glosse zur Weihnacht

Was macht der kontemplative Atheist zur Advents- und Weihnachtszeit? Er sucht im heidnisch- christlichen Fundus der jahreszeitlichen Taktgeber, nach den Quellen der Menschenfreundlichkeit.

Die christliche Heilsgeschichte, das ist auffällig, wenn nicht gar verdächtig, kennt eine Reihe von Schurken besser. Deren Prominenz ist oftmals größer, als die der paar Gutmenschen, die sich, um es mit Sören Kierkegaard zu schreiben, tatsächlich in die Absurdität des Glaubens an einen besseren Menschen und seinen grundsätzlich allein sündenstrafenden Gott begeben.

Herodes ist nicht nur das Vorbild für die vorweggenommene, allumfassende Sicherheitskontrolle, gegen den ungeborenen Herrn der Welt, der seinen Machtanspruch verfallen ließe und daher gefunden und getötet werden soll, sondern auch der biblische Erfinder eines paranoiden Kontrollzwangs. Weil er nicht weiß, wie der kommende König David aussehen könnte, erfasst er gleich alle neugeborenen Kinder.

Seine Vortänzerin und Tochter Salome, erfreute ihn mit dem abgeschlagenen Haupt des Johannes und macht darüber die arme Jüngerin Salome, eine der vielen Marias, gänzlich vergessen, die als Zeugin, dass der absurde Glaube möglich und gerade den Flüchtlingen nötig ist, nur eine kleine, heilige Nebenrolle spielen darf.

Die Roma kennen sie noch und verehren sie, wie sie auch die schwarze Sara in ihre Herz schlossen. Flüchtlinge, Flüchtige und Fahrende allesamt, vor der Verfolgung der je Mächtigen und deren ideologischen Fallenstellern, die sich wieder klare Markierungszeichen wünschen, was und wer brennen soll, was und wer vertrieben sein soll, von jedem sicheren Ort, auf das nur Heimische behaust sein dürfen.

<<Falls im Menschen kein ewiges Bewusstsein herrschte, falls allem nur eine wild gärende Macht zugrunde läge, die, sich in dunklen Leidenschaften windend, alles vollbrächte, was wäre dann groß und was wäre unbedeutend; wenn eine bodenlose Leere, die durch nichts zu sättigen ist, sich hinter allem verstecken würde, was wäre dann das Leben anderes als Verzweiflung? Falls es sich so verhielte, falls es kein heiliges Band gäbe, das die Menschheit verknüpfte,….- wie wäre dann das Leben leer und trostlos!>> (S.Kierkegaard, Furcht und Zittern)

Abraham ist recht eigentlich ein zum Mord bereiter, unvollständig Glaubender, der am Berg Morija seinen eigenen Sohn opfern wollte, als Zeichen unbedingter Glaubensfestigkeit. Fromm und gottesfürchtig, so steht es geschrieben, bedeutet zum Mord entschlossen sein.

Frommheit, braucht allerdings keinen Gott! Es genügt auch der Glaube an die Auserwähltheit der eigenen Person, der eigenen Familie, der Ethnie oder des Staates oder einer weltlichen Theologie, die sich als Ideologie präsentiert. Das ist, säkular gesprochen, der Irrglaube, Zufälle und Schicksale, zum Beispiel von der rechten Geburt am rechten Ort, mit dem goldenen Löffel geboren oder zur Hölle auf Erden verdammt, zeichneten schon genügend aus oder verdammten mit natürlicher Sicherheit.

Aber, so frage ich kleiner Atheist, in guter Gesellschaft mit dem unmöglichen Philosophen aus Dänemark, wo bleibt da die Heiligung, wenn der Akt tatsächlich vollzogen wird, wenn das Gemetzel und der Mord zur Glaubenstat wird, wenn tatsächlich immer Blut fließen muss, damit es die völlig überzeugten Gläubigen zufrieden sind? Gott braucht davon nichts. Marx und Engels schossen beide nicht, und Dauer bringen die Früchte der Gewalt selten bis nie, weil sie beständig neues Unrecht zeugen.

Das Wunder des Glaubens erfolgt, nach der Schrift, durch den Eingriff des Engels, durch englische Grüße, wie sie noch in unseren spätmittelalterlichen Kirchenhallen schweben; durch Engelszungen und ähnliche Flammenwunder, durch den Eingriff des Unaussprechlichen, gegen den entschiedenen Willen zur wahnhaften Tat. Abraham ohne absoluten Glauben an die Vision, die ihn rettete, bliebe niemand anderer, als ein zum Mord gewillter Mensch, ein strafender Hausvater, ohne jeglichen Grund, ein Tyrann. So aber kommt er, zum Glück, mit Isaak vom Berg zurück.

Das ist der unerklärliche Triumph, den sich alle Gläubige dieser Welt erst einmal, entlang ihrer Schriften, erarbeiten müssten, wollen sie mehr sein, als nur die besten Terroristen ihrer Mitmenschen, im Namen ihres Glaubens, an einem unsichtbaren Tempelberg.

Christoph Leusch

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