Reagans Traum, Neu-Rechte & Napoleon-Trump I

Weißer Trumpismus Ronald Reagan erträumte sich die USA als offene und multikulturelle Stadt auf hartem Fels. Nun sollen die Stadttore geschlossen werden, damit Weiße sich frei fühlen

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Reagans Traum, Neu-Rechte & Napoleon-Trump I

Foto: PATRICK HERTZOG/AFP/Getty Images

Reagans Traum, die Neo-Rechte und Napoleon-Trump- I

Reagans Abschiedstraum

Irgendetwas, müssen die neuen Rechten Amerikas, geben sie sich pragmatisch und populistisch zugleich oder aber extrem idealistisch und traditionsbewusst, an ihrem verehrten Gottseibeiuns, Ronald Reagan, nicht verstanden haben. In seiner Farewell adress, der Abschiedsrede aus dem Amt, 1989, verriet der greise Republikaner seinen Landsleuten einen persönlichen Traum, den so auch Martin Luther King –vielleicht ohne rhetorisch schiefe Bilder, aber mit dem gleichen Inhalt –, hätte formulieren können.

<< I’ve spoken of the shining city all my political life, but I don’t know if I ever quite communicated what I saw when I said it. But in my mind it was a tall proud city built on rocks stronger than oceans, wind-swept, God-blessed, and teeming with people of all kinds living in harmony and peace, a city with free ports that hummed with commerce and creativity, and if there had to be city walls, the walls had doors and the doors were open to anyone with the will and the heart to get here. That’s how I saw it, and see it still.>>

„Ich habe, mein ganzes politisches Leben lang, von der leuchtenden Stadt gesprochen, weiß aber nicht, ob ich jemals vermitteln konnte, was ich sah, wenn ich davon sprach. Aber in meinem Geist war es eine stolze Stadt, auf Felsen gebaut, stärker als die Ozeane, vom Wind umtost, von Gott gesegnet, reichlich bevölkert mit Menschen aller Art, die in Harmonie und Frieden zusammen leben. Eine Stadt mit freien Häfen, die von Handel und Kreativität brummen und, wenn es dort Stadtmauern gibt, hätten die Mauern Tore, wären die Tore offen für jedermann, mit dem Willen und dem Herzen herzukommen. Das ist, wie ich es sah und weiterhin sehe.“

In dem Redezitat steckt zugleich die halbe Mythologie des American Dream, der Manifest Destiny, der City upon a hill und zugleich jener Hinweis auf die offene Gesellschaft, die offene Nation, für jeden und jede, die die Freiheitsstatue New Yorks, ein Geschenk Frankreichs, immer noch Ankommenden symbolisiert.

Die „leuchtende Stadt“ ist nicht Hollywood und Silicon Valley, sind nicht die in der Sonne glühenden Rocky Mountains, wie sie Ansel Adams ablichtete und Robbie Basho besang, nicht Mendocino, nicht New York oder New Orleans. Damit sind die USA insgesamt gemeint, in der Traditions- und Rechtsnachfolge des himmlischen und christlichen Jerusalem.

Nie mehr Multikulti

Nun, wir warten auf Barack Obamas letzte Abschiedsrede an die Nation, dann vielleicht auf präsidiale Memoiren dieses, in jeder Beziehung außergewöhnlichen und gerade daher so sehr spaltenden Präsidenten, dem weiße Männer, wegen seiner Besonderheit, viele Sklavenketten anlegten und nun erwarten, dass Trump die Ketten an alles legt, was ihnen fremd und zutiefst zuwider ist.

Seit seinem Amtsantritt, 2008, mitten in der schwersten Depression der jüngeren Geschichte der USA, wuchs der Hass und wuchs der Zorn eines Teils der weißen Mehrheitsbevölkerung, die sich länger schon, mit ihrer unsausweichlichen Alterung und bei deutlich reduziertem Wohlstand, als Minderheit zu fühlen begann.

Dieser eigentlich uramerikanische Anspruch der offenen Gesellschaft, diese „geöffneten Tore“, haben sie allerdings noch mehr aufgebracht, als nur die Tatsache wirtschaftlich abgehängt zu sein. Letzteren Zustand teilen sie mit vielen jener, die die Minderheiten im Lande stellen.

Mächtig und sozial – Eisenhowers und F.D.Roosevelts Traum

Vielleicht denken einige Leser noch daran, dass in den letzten Worten eines ausscheidenden Präsidenten, traditionell Traumerzählungen wichtige Wahrheiten ausdrücken und Ideale verkünden, die es zu verwirklichen gilt, die tatsächlich nicht realisiert wurden, selbst wenn sie lange als erfüllt galten. Wie Reagan, erging es zum Beispiel auch Dwight D. Eisenhower, der die größte Militärmaschine der Welt und die Affluent Society, die Wohlstandsgesellschaft, mit aufbauen half, um Hitler zu schlagen und die stalinistische Sowjetunion, mitsamt ihren monströsen Gedanken und Taten einzudämmen und erstmals in der amerikanischen Geschichte, auf den Pfaden Franklin D. Roosevelts wandelnd, gleichzeitig die Verteilung der Reichtümer der Gesellschaft gerechter auszugestalten.

Bis in die späten siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts, hat das auch funktioniert! Seither halten Gegentrends an und die unumkehrbare Globalisierung förderte diese noch.

Am Ende seiner Präsidentschaft warnte Eisenhower vor dem militärisch-industriellen Komplex, den er selbst miterschaffen hatte, den man unbedingt als existenzielle Bedrohung auffassen müsse, um bald zur Abrüstung zu kommen. Heute ist dieser Komplex in der Realität und zugleich in der nationalen Mythologie, wieder der Geschäftsbereich, der praktisch immer Arbeit und hohe Profite verspricht, praktisch immer Saison hat und seine Ankündigungen allesamt wahr macht. Das zählt erstaunlich viel mehr, als jede friedliche Ideologie.

Die Neue Rechte, der neue alte Konservatismus der USA

Der selige Ronald Reagan, mit und ohne Star wars, blieb weiterhin beliebt, bei Rechten und Konservativen und bei der ängstlichen, alternden, ländlichen und suburbanen, weißen Mittelschicht. Die Rhetorik und wohl bald auch das Handeln der politischen Anführer der neuen Rechten, folgen jedoch seit der Jahrtausendwende wieder einer ganz anderen, ausschließenden Agenda, die leicht in Twitter- und Facebook- Formate passt und sich ewig medial wiederholen lässt, worin ihr offenes Geheimnis liegt.

Die neuen Formeln, deren Hauptnutzer, Donald Trump, nun knapp siegte und den medialen Wahlkampf damit dominierte, lauten: <<Make America great again>> und <<America first>>.

Sie stammen ebenfalls aus dem nationalen Gedankenfundus der Vereinigten Staaten. Keineswegs dienen sie dazu, das Leben einzelner Mittelschicht-Bürger zu verbessern, gar besonders die sozial benachteiligten US-Amerikaner zu stärken, sondern sie zielen darauf ab, ihnen einen Ersatz, eine Ersatzbefriedigung, aus dem Fundus des 19. Jahrhunderts anzubieten. Das gute, alte Gefühl des Nationalismus und der wiederhergestellten, göttlichen Ordnung, einer weißen Mehrheitsgesellschaft. Sich endlich wieder gut fühlen zu können, in einer weißen, „kaukasischen“, paneuropäischen Nation, von Wladiwostok bis Imperial Beach, Kalifornien, selbst wenn es mit der Wirtschaft gar nicht klappen kann, darum ging es den Rechten, bei dieser Schreckenswahl.

Dazu nun mehr aus dem Schatzkästlein des Rechtspopulismus, zur Wiedergeburt eine fiktiven Nation, in der rauhe, weiße Männer nicht mehr die Furcht haben, sie dürften nurmehr die Kulissen schieben, in ihrem Land, sondern wieder sprichwörtlich reiten, jagen, schießen und die ehemaligen Verhältnisse von unten und oben, endlich wieder, vom Kopf auf die Füße stellen.

Das Weiße Haus soll erneut zum Herrensitz der älteren WASPs werden, wie einst zu D. W. Griffiths Zeiten, die Geburt der Nation rein weiß gedacht wurde. Der schwarze Mann im Weißen Haus, stachelte in ganz Amerika rechte Lokalkmedien und konservative Networks an, ihre eigene Sicht der Dinge zu verbreiten. Überall im Land hattten, seit 2009, rechtsradikale Klubs, Stiftungen und selbsternannte Bürgerrechtler Aufschwung und sie brauchten, neben einem schlagkräftigen Netzwerk an Aktivisten, mediale Spezialisten, Meinungsführer, Leute, die den Spin mit wenigen Ideen vorantrieben.

Breitbart und Bannon – Schwarzbärte der Medien

Über die Märchengeschichte des Stephen K. Bannon, einst erfolgreicher Investmentbanker bei Goldman Sachs, der nun, mit der Finanzkrise antrat, dieses System des „Establishments“ anzugreifen, um es zu vernichten, weil es die finanzielle Existenz seines Vaters gefährdet hatte, weiß heute die halbe Welt was, aus der New York Times.

Bannon heuerte bei dem Netzine und ehemaligen TV-Sender Breitbart News an, das gegen alles schießt, was irgendwie liberal, progressiv und minderheitenorientiert klingt. Breitbart ist dafür zuständig zu definieren, was auf der Rechten und unter Republikanern als politisch anstößig gilt und wer als „Feind“ beschrieben werden muss.

Barack Obama wurde zum Kulminationspunkt der totalen Ablehnung und Hillary Clinton, nicht gesegnet mit Charisma und zu klug, galt nun als dessen weibliche Fortsetzung.Nicht noch einmal vier oder acht Jahre Obama, war daher auch Trumps dritthäufigster Wahlkampf-Gemeinplatz.

Sarah Palin hingegen, wurde von Bannon in einem eigenen „Dokumentary“-Film gelobt und „Occupy Unmasked“, ein weiterer pseudodokumentarischer Film aus dem Hause Breitbart, sollte die progressiven und liberalen Gegner der globalen Finanzwirtschaft als gewalttätig und dumm abqualifizieren, weil da allzu viele multiethnische, international orientierte, junge und intelligente Leute mitmarschierten.

Die Webseite Breitbart News wurde unter Bannons Leitung radikalisiert und damit plötzlich für viele weiße US-Bürger spannend. Dafür brauchte man keine ernsthaften Journalisten, die folgerichtig das rechte Portal in Scharen verließen und man braucht eben auch keine Wahrheiten, sondern harte Worte und klare Fronten, ewig wiederholt. Das sind die Spielregeln der politischen Propaganda.

Das historische Unterfutter der neuen Rechten

Die Ideologie der neuen Rechten benötigt jedoch auch historisches Unterfutter. Alte Gedanken, die die nationale Identität vermitteln, die vor allem auch die älteren Jahrgänge, weit jenseits der „Millenials“, kennen.

Für ihrem ideologischen Hintergrund, versorgen sich die Rechten zum Beispiel beim „National Policy Institute“ und auf der Webseite „Radix“. Das Institut behauptet gar „Research“ zu betreiben und die dort eingestellten Essayartikel sind der konventionellen Form wissenschaftlicher Aufsätze angenähert. Bei „Radix“ geht es hingegen lauter und plakativer zu. Kein Klischee wird ausgelassen.

Alt-Right is not allright

Was kann man beim National Policy Institute (NPI) lesen, das als Think Tank für „Alt-Right“ gilt?

Unter dem Titel <<What the Founders Really Thought About Race>>, liefert Jared Taylor, Chefideologe der „American Renaissance“-Webseite und prominenter Alt-Right Aktivist in seinem NPI-„Forschungsbeitrag“ den historischen Dünger für den fortgesetzten Rassismus, gegen die heute gültige Verfassungsinterpretation der Vereinigten Staaten und ihren Grundsatz, der weiterhin umkämpft ist und nun wieder radikal in Frage gestellt wird: „All men are created equal“.

<< After the Constitution was ratified in 1788, Americans had to decide who they would allow to become part of their new country. The very first citizenship law, passed in 1790, specified that only “free white persons” could be naturalized,[14] and immigration laws designed to keep the country overwhelmingly white were repealed only in 1965.>>

„Nachdem die Verfassung 1788 ratifiziert war, mussten die Amerikaner entscheiden, wem sie gestatten würden, Teil ihres neuen Landes zu sein. Das allererste Staatsbürgerschaftsrecht, verabschiedet 1790, führte aus, das nur „freie weiße Bürger“ eingebürgert werden konnten, und Einwanderungsgesetze die gestaltet wurden das Land überwältigend Weiß zu halten, wurden erst 1965 aufgehoben.“

Zwischendrin werden Zitate praktisch aller Gründungsväter, von Washington, Jefferson und Madison, bis zu den großen Präsidenten in der späteren Geschichte angeführt, die irgendwie den Rassismus als Staats- und Gesellschaftsgrundlage der USA natürlich erscheinen lassen, tief verwurzelt in der Kultur, die sich über Hautfarbe als Phänotyp der Gene definiert. Ganz nebenbei werden auch Chinesen und die Native Americans als gleichwertige Bürger abgelehnt. Schwarze, Muslime und Lateinamerikaner gelten sowieso als Freiwild für jegliche gruppenbezogene Vorurteile, besonders was Kriminalität und angeblich genetisch verankerte geringerer Bildbarkeit angeht.

<<As recent a President as Dwight Eisenhower argued that although it might be necessary to grant Blacks certain political rights, this did not mean social equality “or that a Negro should court my daughter.”[60] It is only with John Kennedy that we finally find a president whose conception of race begins to be acceptable by today’s standards.

Today’s egalitarians are therefore radical dissenters from traditional American thinking. A conception of America as a nation of people with common values, culture, and heritage is far more faithful to vision of the founders.>>

„Es ist noch nicht lange her, dass ein Präsident wie Dwight Eisenhower erwägte, dass, obwohl es nötig sein könnte, Schwarzen bestimmte politische Rechte zuzugestehen, dies nicht soziale Gleichheit bedeute, „oder, dass ein Neger meiner Tochter den Hof machen sollte.“ Erst mit John Kennedy finden wir zuletzt einen Präsidenten, dessen Vorstellung von Rassen beginnen, akzeptabel nach heutigen Vorstellungen zu sein.

Heutige Gleichberechtigungs-Anhänger sind daher radikal Abweichende vom traditionellen, amerikanischen Denken. Ein Konzept von Amerika als Nation, von Menschen mit gleichen Werten, Kultur und Herkunft, ist bei weitem getreuer den Vortstellungen der Gründerväter.“

Da soll es wieder hingehen.

Christoph Leusch

Hier geht es zum zweiten Teil, der sich mit Napoleon-Trump beschäftigt und dazu, weil es einfach ins Schwarze trifft, den Jubelschrei eines ausgewiesenen Rechten nutzt.

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