Säulen die die Welt zerdeuten

Kolumnen Kolumne Die Kolumne ist eine alte Mode der Presse. Sie kokettiert häufig mit ihrem Zustand dazwischen, nicht Journalismus, nicht oder nur im Glücksfall Literatur zu sein.

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Ich muss mal was Leichteres von mir geben, auch wenn ich das wirklich nicht gut kann. Das erleichtert ungemein. Ich schreibe also eine Kolumne über die Kolumne, jenes letzte verbliebene Kulturerzeugnis, von dem Deutsche denken, es habe tatsächlich was mit Kultur zu tun. - Jedenfalls mag ich das glauben, denn keine deutsche Zeitung, kein TV- Kulturmagazin, das was auf sich hält, mag ohne diese Form sein oder ohne ihre mediale Entsprechung auskommen. Der Mohr kann heißen wie er will.

Kolumnisten stehen hoch im Kurs, obwohl sie immer noch und das beredt, darüber klagen, irgendwie nicht zu den zünftigen Journalisten und auch nicht zu den anerkannten Schriftstellern zu gehören.

Meine Heimatstadt Mainz ist recht eigentlich sehr kolumnenfeindlich, obwohl gerade Deutschlands neuntwichtigster Kolumnist, -es klingt fast wie Kommunist, spricht man Kolumnist schnell hintereinander-, dort den Georg-K.*- Glaser- Preis zuerkannt erhielt. Glaser war ein schlechter, eigentlich gar kein Kolumnist, aber ein Kommunist und anarchisch gut schreibender Realist, der um so manche Geheimnisse und die Gewalt in uns wusste, weil er zum Beispiel den Mühlen der Justiz und ihrem Personal bei der Arbeit zusah. - So kommt doch noch alles zusammen.

Ich habe nun einfach vergessen, dass Kolumnisten auch keine Spiegelstriche mögen. Ätsch!

Die Kolumnenfeindlichkeit der altehrwürdigen Domstadt, wie überhaupt der Presseerzeugnisse aus diesem lieben und weinseligen Deutsch-Südwest, erweist sich an der Unfähigkeit, für die langsam sterbenden Zeitungsblätter der Gutenberg-Region geeignete Kolumnisten zu finden. Das müssen dann in Mainz und der weiteren Umgebung Kabarettisten der allgemeineren Art, Stadionsprecher und natürlich normale Journalisten übernehmen. Die sind, wenn sie noch eine Ehre im Leib haben, mit Kolumnen heillos über-, oder schlimmer noch, unterfordert.

Eine Kolumne im Wechsel, das mag noch angehen. Aber wöchentlich zur Beilage, in der Woche unter dem eigenen Namen oder einem Kriegernamen, der schon das ganze Image vorgibt, schreiben, das ist zuviel für Männer und Frauen der Fakten.

Kolumnenschreiber leben von Vorteilen, die ihnen vielleicht nicht immer angemessen bezahlt werden, sie aber auf jeden Fall vom Schweiß der Mühen in der Ebene befreien. Sie müssen nichts belegen, nichts beweisen, nichts beschaffen. Ihr Hirn, das manche noch immer bei sich tragen, wie alte Hausärzte ihre abgewetzte Tasche und das leicht schmuddelige, selten gereinigte Stethoskop, enthält ihre zahlreichen, gut gepflegten und abgehangenen Vorurteile. Die genügen vollauf! Den Rest schwemmen die Geistesarbeiter der Presse und Kultur, die kleinen Radioapparate und die Liebe zur Glotze in jeglicher Form, gratis auf den Teller in die Durchreiche ihrer selbsterwählten Cellulae.

Der Kolumnist-Klosterbruder, sein weibliches Pendant, die Nonne, sie bedienen sich, wie der Konsument, aus den Regalen und Kellern die andere füllten, ihnen unabsichtlich zu einer Kolumne oder zu einem Konsum zu verhelfen. Sie wissen nichts, sie wissen nichts davon, die vielen anderen und klagen nicht aufs Copyright. Cyberkolumnisten lauschen in die Tweets, aber neue Klosterregeln für ihr Dasein schreiben sie nicht. Nicht einmal das berühmte, „Fasse dich kurz!“ nehmen sie noch wirklich ernst, trotz der ultraknappen Web-Vorlagen.

Wichtig ist, der Leser mag es nun verstanden haben, dass der Kolumnist recht eigentlich einsam bleibt. Ohne Einsamkeit und in völliger Abstinenz von der Einrede, Gegenlese und Überprüfung am Urteil anderer Profis, muss das Säulchen entstehen. Wer es anders hält, der produziert nur Geschichten, die man vor der Schutzmantelmadonna am Hausaltar der Wahl ablegen kann, ohne rot zu werden. Aber so entstehen nicht schwarze Styxe der Sprache und des Geistes, in denen man, zumindest für eine Ausgabe, Gegner und Freunde ersäufen kann.

Zur Kolumne gehört die Streif und Stör des Protagonisten, ein gewisses jagdliches Interesse auf der Zufallsstrecke Welt. Dazu muss der Kolumnist stressresistente Gedankendärme, also einen geistigen Straußmagen, besitzen und die allfällige Bereitschaft so lange um fremde Hausecken zu streichen, bis gar der eigene Schatten an der Hauswand plötzlich zum beschreibungswürdigen Gegenstand wird.

Die moderne Medienkultur kann also auf den Kolumnisten keinesfalls verzichten, obwohl die Nachzucht, bei aller dieser Einzelgängerei der zehn wichtigsten Kolumnisten des Landes und ihrem entschiedenen Unwillen ihre Produktionserfahrungen und - Geheimnisse weiter zu geben, deutlich erschwert ist. Sie sind eben die modernen Mönche der Presse und intentional eher Trappisten.

Zuletzt fiel mir noch auf, dass jüngere, aggressive und umfassend gebildete Kolumnisten leicht in eine Gefahr geraten, bei Gelegenheit gleich die halbe literarische Welt für eigentlich blöd, wie es das sprichwörtliche Brett vorm Kopf nun einmal ist, zu halten.

Eine Menge Kollegen, Schreiber, Autoren und Denker, ja, gar Wissenschaftler werden da kursorisch schlecht benotet, weil sie vorgeblich dem falschen Verlag, beziehungsweise der falschen Geschäftsführung die Stange halten und angeblich zu wenig von der grundsätzlichen Vertragsungleichheit des Kapitalismus wissen. - An manchen Tagen wächst in der Klause des kritischsten Kolumnismus der Republik, aus Gewohnheit und auf alter biologischer Grundlage, die größenwahnsinnige Übersprungshandlung auf. Das ist eben wie bei den Fröschen, die lange keine Fliegen mehr fangen konnten und nun alles anpeilen, was ihnen in der Hungerphase in das erreichbare Blickfeld gerät. Instinktiv schnellt die Zunge gar in die Leere. Das freut den Humankolumnologen. Er weiß, es ist auch nur Natur.

Darauf ein Schluckebier und die besten Grüße an alle Kolumnisten dieser Welt.

Christoph Leusch

*K. steht für Katharina und reinste Mutterliebe.

So viele Kolumnisten
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