Schönheit ihr Lieben, hat immer einen Preis- I
Drei Feuilletons, eine Mini-Serie
( Georgi Kay singt Björks „Jóga“ , Teil des Soundtracks zu Jane Campions BBC-Mini-Dramaserie, „Top Of The Lake“, http://soundcloud.com/insyncmusicservices/joga-georgi-kay (1), Hintergründe und Videos zur Serie, die zuletzt auch in ARTE lief, mit einem kurzen BBC-Interview der Regisseurin und Co-Drehbuchautorin, http://www.bbc.co.uk/blogs/tv/posts/Top-Of-The-Lake )(1)
I
http://4.bp.blogspot.com/-S5MMTFSJycg/Uov2G63xuBI/AAAAAAAAA44/v6pEWLRxgg0/s1600/IMG_0016.JPG
Milu Correch, Los Hombres Son Cómplices de Cuanto Son Indifferentes, Graffito, Mainz-Kastel, 2013 (3)
Die schön-hässlichen Künste
( Joseph Beuys im Gespräch mit Hermann Schreiber, 1980, http://www.youtube.com/watch?v=XZTZW-k-TB8&feature=player_detailpage )
Um künstlerische Schönheit zu erzeugen, ist fast immer ein hoher Aufwand an Zeit und Willen notwendig. - Nicht unbedingt wortwörtlich! Bekanntlich schrieb Dvořák in der neuen Welt Kompositionen schon einmal spontan und schnell auf die Manschetten seiner Hemden und Picasso fertigte im Durchschnitt täglich mindestens drei Kunstwerke an. Eher ist es in jenem Sinne gedacht, dass Komplexität und erweiterte Inhalte, also solche Sachen, die nicht von vornherein platt sind, sich nicht von allein einstellen wollen.
Die „Kunst fällt vom Himmel“- Haltung ist ebenso arg schlicht, wie jene Auffassung von der Kunst als Handwerk, nicht einmal die halbe Wahrheit verkündet. Die Frage, was Kunst denn sei, sie bleibt notwendig offen. Nur Annäherungen gelingen halbwegs.
Wichtiger ist aber die Frage, ob Rettendes aus der Akzeptanz der Kunst als Seinsmöglichkeit in jeglichem Alltag erwachsen kann.
Kunst muss so wenig sofort verstanden werden, wie auch das glatte Gegenteil im Urteil, Kunst sei alles, was besonders schwierig zu machen und noch schwerer zu verstehen ist, eher nur die geringe Denkanstrengung elender Rezipienten und Rezensenten ausdrückt. Noch viel schlimmer klingen leichtfertig und verächtlich hingesprochene Sätze, wie: „Das kann ich auch.“, „Meine kleinen Kinder machen ohne Aufsicht gerade Ähnliches.“ - Meist werden die Beweise für diese bescheidenen Ansichten nicht angetreten oder sie fallen sogleich auf die Nase, befragt man sie auf ihre Psychologie und Logik hin.
Selbst Kunst zu produzieren, ist jedoch der einzige Weg, sich von allen diesen Vorurteilen schnell und gründlich zu befreien. Vor allem, weil die Anlage und Gabe dazu in jedem Citoyen und jeder Citoyenne, -seit vorvorgestern auch im „Citoyet“-, vorhanden ist, lehrt das Selbermachen Grenzen kennenzulernen und bescheidener im Urteil zu sein.
http://3.bp.blogspot.com/-gdeggM2WdZo/UovycaHcyAI/AAAAAAAAA4M/af188GxLu58/s640/100_5984-2.JPG
Muschelaffe, Rokoko-Groteske aus dem Grottenhaus im Schlosspark Veitshöchheim, 1772/73
(The B52´s, „Private Idaho“, 1980, http://www.youtube.com/watch?feature=player_detailpage&v=EEEl4dZzV8g . Ist es nicht schön und schrecklich zugleich?)
Genau in jenem Augenblick, in dem man diese einfache Erkenntnis annimmt, weitet sich der emotionale und geistige Horizont und das Reich der Freiheit hebt zumindest für dieses ureigene Stück Land im Leben an. Unter widrigsten Verhältnissen und gegen die größten äußeren Widerstände, existiert hier zumindest ein privates Idaho, das, wie die Fähigkeit zu lieben, nicht einfach durch die Verhältnisse oder die Willensakte anderer Personen, die das alles abstreiten und ausreden wollen, weggenommen, geleugnet, geraubt, enteignet oder abgestritten werden kann.
Wer sich auf diese, wie mir scheint, simple Einsicht einlassen kann, der spürt Kraft, Hoffnung und Tiefe im eigenen Tun und in dem der je anderen, selbst wenn die Welt zu widersprechen scheint. - Die Kraft hat eine Richtung.
Künstlerisch zu wohnen, ist immer und zu jeder Zeit eine Menschenmöglichkeit. Nur der Bourgois kennt allzu häufig ein folgenloses, dafür aber sicheres Kunsturteil. Er schwankt dabei, entweder das Eigene für absolut zu setzen, weil er es mit Individualität verwechselt, oder aber, für sich eine andere, vorgegebene, allgemeine, mehr oder minder akzeptable Ansicht zu übernehmen, um sich nur ja sicher zu fühlen. - Dabei entsteht keine Güte, in jeglicher Hinsicht der Wortbedeutung.
Beweis: Bayreuth und Salzburg
Materiell meist gut situiert und auch mit ausreichender Muse, neben aller Geschäftstätigkeit, neben allen Arbeitsessen und weiterer berufsnotwendiger Gesellschaftsprogramme, gesegnet, ist das Publikum der Festspielorte ein schon weitgehend verabredetes und formiertes. In Bayreuth und Salzburg treffen sich nämlich mehrheitlich Kunstenttäuschte der ganzen Welt, von Rechts, wie von Links, in einer höchstgradig zertifizierten Mitte.
Sie fliegen und fahren ein, um attestiert Einmaliges zu erleben. Kaum einer wandert oder pilgert wirklich aus Liebhaberei. Ihre Oper um die Ecke, ihr Theater vor Ort, ihre Philharmonie und ihre Tanzkompagnie, der Schuppen hinter dem Nachbarshaus, zählen nicht mehr viel, zählt so wenig wie sie selbst. - Letztere Selbstentwertung und Selbstunsicherheit wird aber gerade nicht eingestanden und daher ein großer Aufwand zur Verschleierung betrieben.
Die Verunsicherung im Selbst, an der nahen und der fernen Welt, an den nächsten Anderen ist zu groß, um dort die Möglichkeit von Kunst überhaupt zu entdecken, wo sie nicht oder noch nicht, durch extrem hohe Glaubwürdigkeitsfaktoren abgesichert ist. So etwas leisten, in The Material World, turmhohe Gagen, der materielle Aufwand für Inszenierungen, exklusive Zugänge, teure Eintrittsbillette, gehörig viel Prominenzmeinung, schlicht die verständlichen Preisschilder der angebotenen Produktion. Nur stärkste Marken bieten ausreichende Sicherheiten. - Erstaunlicherweise, finden sich in dieser Anschauung altehrwürdige Oberschichten, neue Eliten und jene, die heute gerne Mittelschicht genannt werden.
Auf akkreditierten Musenhügeln und in Kunsttempeln, - gerade wird wieder einer in Hamburg fertig gebaut -, angesichts des Jedermanns und seiner Buhlschaft, sie möge nur ein süßes Mäulchen, ´nen Hintern und zwei Hesperosäpfel besitzen, zu Bayreuths Weihefesten, wenn die neun Walküren parforce singen, gilt die Prokura, dem Guten, Schönen, Wahren versichert näher gekommen zu sein. - Salzburg und Bayreuth, das sind große und groß geschriebene Policen des anerkannten Geschmacks, mehr aber auch nicht.
Das ist so, weil sich ein Vorurteil rund um das Können nicht auflöst und ein bürgerliches Publikum immer noch an Kunstdinge heran geht, wie an seine persönlichen Beziehungen und die eigene Arbeit, nämlich instrumentell. - Kunst ist da nicht eine Möglichkeit, ein Spiel, eine glückliche Gabe, ein unbedingtes humanes Existenzial, sondern ein Kanon den man zur Abrundung der Konversation annimmt. Kunst wird zu einem allzu weichen Standortfaktor der Person, ohne ernste oder auch heitere Auswirkung auf das reale Leben. So verbleibt die Kunst und ihre Wahrnehmung in einem Sonderreich.
Sie entsteht genau da nicht oder kann genau so nicht wahrgenommen werden. Sie wirkt nicht, wo sie heilsam wäre, sondern kann bestenfalls nur gut reproduziert werden, in einer seltsamen Form der sentimentalen Wiedererinnerung, für die mehr oder weniger gut verdienenden Verunsicherten. - Ich höre schon, gut wäre es gerade nur so, denn sonst herrschte doch in der Welt das reinste Chaos, stünde die Welt und ihre Bewertung auf dem Kopf.
Ginge es tatsächlich um ein wenig mehr reales Leben, bei jener zweitschönsten Nebensache der Welt, wäre es am Ende gar sozial gefährlich und stürzte, -nicht stützte-, die Ordnung.
Weil das so ist, muss die Kunst in dieser Welt selbst toten Hasen immer wieder erklärt werden.
( Joseph Beuys erklärte sich im legendären Club 2 des ORF zu seiner Kunst, insbesondere zu, „wie man dem toten hasen die bilder erklärt“ (1965). Er setzte auf eine Wiederherstellung der Verbindung jedes Menschen mit den Kunstdingen und mit der Natur, die Bewusstseinskraft und Tatkraft freisetzt; http://www.youtube.com/watch?v=z_VPN8M1SGw&feature=player_embedded ).
Christoph Leusch
1) Die „Links“ hier und in den zwei folgenden Blogs müssen nicht zur Kenntnis genommen werden, obwohl sie die Teile und Themen miteinander verbinden. Sie sind als Zugaben zu betrachten, die aus Zeit und Aufmerksamkeitsgründen in der Kommunikationsform Blog eigentlich keine ausreichende Beachtung finden würden, obwohl sie die Dinge viel verständlicher auf den Punkt bringen, als es mir je möglich ist.
2) Das Bildmaterial kann in besserer Qualität unter dieser Adresse angesehen werden: http://haendlerundheldenmbh.blogspot.de/2013/11/schonheit-ihr-lieben-hat-ihren-preis-i.html
3) Milu Correch ist eine argentinische Streetart-Künstlerin, die in ihren Wandbildern immer wieder explizit soziale und feministische Themen aufgreift. Sie verwendet zwar Elemente der Comic- und Pop-Kunst, der typischen Spray-Graffiti, aber im Bildaufbau und in den abgehandelten Themen orientiert sie sich an der Kunstradition und an den aussagekräftigen "Murales" der Protestkunst Südamerikas. Sie hat ein ganz außergewöhnliches Talent für Porträts und Personendarstellungen. Milu malt auch auf Skateboards und kleinformatig. "Hombres Cómplices" wendet sich gegen den Menschenhandel.
-Street Art Map-Blog, Ping-Pong- Interview mit Milu Correch und Beispielwände, 2012: http://www.streetartmap.com.ar/blog/2012/08/10/ping-pong-con-milu-correch/?fb_action_ids=3897751916583&fb_action_types=og.likes&fb_source=timeline_og&action_object_map=3897751916583:10151118917641195&action_type_map=3897751916583:og.likes&action_ref_map=[]
-Designwars, eine Webseite mit vielen Übersichten zu Milu Correchs Arbeiten : http://www.designwars.com/graffiti_streetart/milu-correch/
-Webseite der Künstlerin: http://www.milucorrech.com/#!
Kommentare 55
Muschelaffe *****
schönen Gruss
TL
lieber christoph,
hab mal gehört, kunst, das wort, käme von können, dem verb.
aber ist nicht das errichten und aufsuchen der kunsttempel eine späte schleppe der kunstfeiernden rohmontick? bayreuth, war da nicht ein prof., der dem ehem. kriegsminister das promovieren ungemein leicht gemacht hat? ach, das wollte ich gar nicht erwähnen. aber bayreuth ist zeugnis für die rückwärtsrepublik.
grüße, hy
Kunst ist weg...nämlich dann, wenn die Putze zuschlägt:-))
http://www.myheimat.de/gladenbach/kultur/putzfrau-schreibt-kunstgeschichte-kalkfleck-weggeputzt-dpa-nachmachen-kann-jeder-originalitaet-wichtig-ideen-muss-man-haben-fall-kippenberge-d2357558.html
Zum Gesamttext: Was auch immer du sagen wolltest, bestimmt hast du recht! Nicht einverstanden bin ich mit dieser Passage. Mit dieser am dringendsten.
"Kaum einer wandert oder pilgert wirklich aus Liebhaberei. Ihre Oper um die Ecke, ihr Theater vor Ort, ihre Philharmonie und ihre Tanzkompagnie, der Schuppen hinter dem Nachbarshaus, zählen nicht mehr viel, zählt so wenig wie sie selbst. - Letztere Selbstentwertung und Selbstunsicherheit wird aber gerade nicht eingestanden und daher ein großer Aufwand zur Verschleierung betrieben."
Die "Events" in Bayernreuth und Salzburg sind genau das. Events, bei denen die Kunst nur Aufhänger ist, auch weniger als das, weniger noch als Anlass, eher Stichwortgeber wieder einmal untereinander zu sein, sich abzugrenzen, sich daran zu delektieren, dass der Plebs keine Chance hat einen zu stören. "Wollen mer ihn nit neilasse?" Kichern allerorten. Netzwerken, segregieren und darstellen. Und einmal im Jahr zeigen, zeigen, zeigen:
1) Ich gehöre dazu
2) Ihr nicht
Dass dazu einmal im Jahr auch "Kunst" herhalten kann, stört auch nicht, ist eigentlich ganz gut, man ist ja auch Feingeist und kültürellllll.
Selbstentwertung müsste wohl eher Entwertung des Selbst heißen. Jedenfalls glaube ich dass das gemeint ist. Und gehe doch nicht mit. Diese Menschen halten sich für rattenscharf, Grö...s alleweil. Sie sind auch nicht unsicher. Jedenfalls nicht unsicherer als du und ich (bitte nicht wörtlich nehmen).Auch nicht entwerteter. Warum auch. Die meisten von Ihnen strotzen wahrscheinlich vor Selbstvertrauen gewonnen aus Erfolgen und damit sind sie selbstwirksam. Soviel Psycho sollte auf soviel Psychon sein (ansonsten finde ich so etwas nicht so dolle, vor allem, wenn über den Kamm geschoren wird).
Fazit: Beim Besuch von Bayreuth geht es nicht um Kunst. Nicht einmal an fünfzehnter Stelle.
Fazit 2: Ich mag ja Schachtelsätze. Das hat aber Grenzen. Meine Grenzen.
Ich bin ein bekennender Banause. Musik spricht mich an; Bilder fast nie (von Cartoons mal abgesehen).
Dass ich Bildern meistens erkenntnis- oder emotionslos gegenüberstehe, bringt mich allerdings nicht dazu zu behaupten, ich könnte das auch. Ein im Zeitraffer gezeigter Film aus Picassos Atelier beweist mir, dass das Handwerk gekonnt sein will, und der Rest ist eben für mich nicht nachvollziehbar.Vielleicht ist das bedauernswert - aber wenn mir etwas fehlt, weiß ich ja nichts davon.
@oi2503
Was auch immer du sagen wolltest, bestimmt hast du recht!
Das tröstet mich, daß ich nicht der einzige Depp bin, wo nichts verstanden hat.
Ich mag ja Schachtelsätze. Das hat aber Grenzen. Meine Grenzen.
Och, soo lang und schachtelig sind die Sätze gar nicht. Ich mein, ein Meister versteht es, auch kurze Sätze dunkel zu halten.
Ciao
Wolfram
@JR's China Blog
Musik spricht mich an; Bilder fast nie (von Cartoons mal abgesehen).
Das kommt vielleicht daher, daß in der Malerei vieles einfach Zufall ist.
Ein im Zeitraffer gezeigter Film aus Picassos Atelier beweist mir, dass das Handwerk gekonnt sein will, und der Rest ist eben für mich nicht nachvollziehbar.
Als Bub kam mir - das Urteil der Erwachsenen übernehmend - der Picasso als ein Schmierant vor, der es sich arg einfach macht. Nur wenig später entdeckte ich in einem Kunstbuch richtige Bilder von Picasso, auf denen man genau erkennen konnte, was drauf abgebildet ist. Ab da reifte in mir der Verdacht, es male der Picasso nicht deshalb abstrakt, weil er es anders nicht könne.
Und: Er hat selten oder nie einen Filzhut getragen.
http://www.ecos-online.de/files/ecos/leadimages/picasso_1.jpg
Dieses Auto heißt zwar Picasso, ist aber nicht vom Meister.
http://s1.cdn.autoevolution.com/images/news/gallery/spyshots-2013-citroen-c4-picasso_2.jpg
Betet zu Gott, daß ihr diesem Auto nie im Straßenverkehr begegnet, ihr führet dann nämlich vor lauter Irritation sofort in den Straßengraben.
Ciao
Wolfram
Genau darum geht es,. Ihnen, JR´s China Blog, die Flausen auszutreiben, sich als Banause zu fühlen oder zu glauben, es bräuchte überlegenes Wissen oder zumindest kenntnisreiche Vorerfahrung.
Das war auch Joseph Beuys enorm wichtig, dessen Werk und persönliches Handeln nämlich das glatte Gegenteil einer Publikumsbeschimpfung oder einer Verdammung von Künstlerkollegen ist. - Nebenbei: Auch wenn ich hier Weihefeste zu Bayreuth und Festspiele zu Salzburg als instrumentelle und uneigentliche Gegenpole benannte, so kratzt das natürlich nicht an deren gesellschaftlich gesetzter Wertschätzung.
Das Banausische an einer Haltung gegenüber der Kunst und den Künstlern ist ja auch etwas anderes, denke ich: Nämlich Kunst instrumentell zu denken und sie so abzuhandeln, anstatt mit ihr zu handeln, als sei sie ein Teil der realen Welt und ebenso der eigenen Lebensmöglichkeiten, vielleicht sogar Lebensnotwendigkeiten.
Ich hoffe also, ich habe die Möglichkeiten des Webs genutzt, um zumindest über einen Kanal ein wenig Nachrichtenübermittlung zu betreiben. Sie können lesen, sehen, hören. Auf allen Kanälen ein Angebot, aber rund um das Thema, was denn die Kunst, vielleicht nur sie, Rettendes ins reale Leben bringt.
Es ist also besser, nicht davon zu reden, was einem fehlt, als davon, was an zusätzlichen Möglichkeiten eventuell frei wird, wenn man sich in diesem anderen Sinne auf die Kunst einlässt.
Die Fortsetzungen der Miniserie werden noch musikalischer, verspreche ich.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Was die Stelle angeht, so habe ich wohl den Absatz davor falsch oder verständniserschwerend gesetzt, Oi2503. der erste Zitatsatz gehört zu den instrumentellen Musentempeln.
"Rattenscharfe" Selbstunsicherheit, das ist psychologisch der stärkste Antrieb große Monumente und exklusive Inszenierungen zu schaffen. Wäre mehr Selbstvertrauen, reicherten sie ihre Umgebung aktiv an und fänden die Kunst vor Ort und bei sich.
Beuys und anderen Künstlern wird ja immer vorgeworfen, ihre Kunst sei unverständlich oder eben nicht gekonnt, oder klein, im Vergleich zu den ewigen Ringespielen und dem Buhlschaftssex, im Vergleich mit Rembrandt und einem guten Weinbrand.
Dabei ist ja die Performance und die Selbstinszenierung als ein Haupteil des Werks, ganz besonders nahe am "Buhplikum" und fernab der Licht aus, Film, Stück ab, Guckkastenbühne. Trotzdem wird in Bayreuth ganz perfide gebuht, wenn die Aufführung fast zufällig einmal verstörend ist.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Na, Herr Heinrich, da sind Sie ja dem Erlkönig begegnet. Das passiert, wenn es klassisch wird und Nebel wallen. Da kommt man unter Umständen ins Straßengrab oder ist zumindest schwer irritiert. Alles nordisch da und halbseitig, wie zeitig, dunkel.
Zu ihrer Entwicklung vom Bub zum Manne kann ich Sie nur beglückwünschen und entnehme ihr doch auch die Hoffnung, ihre kunstsinnige Kette lautete dereinst doch noch, im dritten, vierten, fünften, siebten, zwölften, dreizehnten, dreiunddreißigsten oder achundsiebzigsten Stadium der Weisheit: Rembrandt-Picasso-Beuys. - Na, ein paar Hundert andere Geister und Göttinnen, Schamanen, Häuptlinge und weise Frauen, wird es auch noch geben, im erweiterten Universum der Lebenskunst und der gelebten Kunst.
Schönen Abend
Christoph Leusch
PS: Lebenswerk und Aufgabe. Unbedingt mal einige Klecksographien anfertigen, aber nicht erst auf dem Hohenasperg.
Nun, wer ist neben Beuys gerne speckig berührt? Speckig behütet ja, aber Streifen (Kleidung) à la Picasso (die u.U. zu Moiréeffekten führen), ja, gerne, so Rams zweites Bild, auf dem das Muster über ein Auto zu sehen ist. :D
Wie geil ist das denn? Zwo Doofe, ein Gedanke! :D
Die armen Romantiker wollten romantisch leben, H.Yuren, daher auch der Hang zur Totalkunst und zur befreiten Liebe, daher auch ihre rasche Ablösung durch den Realismus und Naturalismus, den Pfiff der Wirtschaftslokomotive und den starken Nationalstaat.
Ob auch Rechtswissenschaftler Romantiker sein können, weiß ich nicht, zweifele aber, gerade heute. - Zu Romantikerzeit allerdings, könnte Paul Johann Anselm von Feuerbach einer gewesen sein, der nicht nur zu Kaspar Hauser einfühlsam was sagen konnte, - Herr Heinrich weiß dazu einiges zu schreiben -, sondern auch als Anti-Hobbes in Erscheinung trat. Dieser Feuerbach war vorwärts.
Hobbes herrscht heute unbeschränkt, das ist unromantisch, hat Brutalität und ist rückwärts, wie Sie schrieben.
Ich hoffe ja, dass aus Bamberg auch wieder was vorwärts kommt. Die Stadt, das Land, die Leut´, sind doch einfach in jeglicher Hinsicht reich.
Beste Grüße
Christoph Leusch
In der Kunst gibt es drei Stufen:
1. die man üblicherweise mit Kunst assoziiert: Bilder Lieder Bauwerke, ein Gemisch aus Können & Impuls.
2. Warhol: Alltag ist Kunst
3. Beuys: Müll ist Kunst.
Damit ist die Entwicklung abgeschlossen.
Mein Lebensziel: Beuys heißen und eine Müllhalde besitzen.
daher auch der Hang zur Totalkunst und zur befreiten Liebe,
hab ich ja nichts dagegen, christoph leusch, auch nichts gegen die entdeckung der geschichte. aber, aber, dann die durchgeknallte sehnsucht nach dem sog. mittelalter und, schlimmer noch und am schlimmsten die nazionalromantik, die den gefühlsrausch ermöglichte, im gemeinwesen aufzugehn.
zuviel phantasie und herzlich wenig ratio, eben die schaukelbewegung gegen die alleinseligmachende aufklärung.
haben sie schon blom gelesen, genossen auch? philipp blom, böse philosophen. ein glücksfall. kann ich nur wärmstens empfehlen. es geht um die radikalen lumières, die sich fast alle im holbachschen salon versammelten. kein klagelied über das elend der aufklärung in d.
grüße, hy
Warum bringen Sie den Nationalsozialismus und den Vorlauf dazu, im Wilhelminismus und im Denken der autoritären und nationalkonservativen Deutschen mit der Romantik so stark in Verbindung?
Denken Sie nur einmal daran, dass Goethe, das Straßburger Münster vor Augen, von deutscher Baukunst sprach, obwohl er damit das Modell einer der ersten Nationalkünste Frankreichs, die Kathedral-Gotik aus der Île de France, mit dem Anfangsbau in St. Denis bei Paris, hochlobte.
Und nach was strebt jene Turmgesellschaft die Wilhelm Meister durch Bildung und Plan formen möchte, der sich der Romanheld durch Bildung und Ver(führung) annähert?
Diese Wirkung der Anpassung verläuft sogar geheim und verdeckt, ohne ausreichende Erklärung ihrer Motive gegenüber dem Kandidaten Meister? - Da sind wir näher beim totalitären Anspruch, als bei der Totalkunst, die nur meint, völlig erfasst, im Sinne von beteiligt zu sein und z.B. Synästhesien der verschiedenen Künste zu schaffen.
Die Turmgesellschaft ist Zweck an sich. Bürgerliche Erziehungsinstitution und fähig zum Lauschangriff. So weit wäre kein Romantiker je gekommen. Der Turm steht für den Code, den es zwingend zu erlernen gilt, um das Eintrittsbillett der Mitgliedschaft zu erhalten. - Weiter gedacht, wo fände sich eine solche Absicht bei dem Schiller und Steiner Verehrer Beuys, bei den Romantikern der Goethezeit?
Gut, Goethe hatte was gegen religiöse Teleologie. Aber bei ihm gibt es dafür eine Huldigung der Zwecke, zu denen man auch Menschen als Mittel einsetzen kann. - Schiller ist ein anderer Fall!
Von Blom habe ich bisher nichts gelesen. Ich denke mir aber, dass er mit mit Aufklärung Rationalität und Radikalität in der Realität verbindet und dem die Welt der Romantik mit ihrer Suche nach dem Wesenhaften, statt der Gefühlsmechanik, gegenüber stellt.
Aber an dem Bauplan zu den fürchterlichen Entwertungen des Lebens unter dem Nationalsozialismus und des Stalinismus, in jenen Vorläufen, im doch völlig pragmatischen, auch brutalen und fortschrittgläubigen späten 19. Jh., in dem man schon auf den Gedanken kam lebenswert und lebensunwert zu trennen, wie Goethe Kraut und Unkraut trennte, beteiligten sich nicht vorzüglich Romantiker, sondern Positivisten, Naturalisten, Leute die sich für Superrealisten hielten und Sozialmechaniker.
Unter jenen, die Rassetheorien und nationale Überlegenheiten propagierten, die sogar von einer deutschen Wissenschaft faselten, -Das nach aller Aufklärung!-, gab es wenige bekennende Romantiker.
Das Einzige, was nach der Überwindung der Romantik wirklich breit im Gedächtnis blieb, waren ein paar Dichter und ganz selbstverständlich die romantische Musik. Auf diese erhebenden Klänge wollte auch kein Erbbiologe bei seiner ernsthaft selektiven Tätigkeit verzichten.
Danke für den Lesetipp.
Christoph Leusch
Seelenwanderung?. C. Leusch
(Wenn nicht Magnus Klaue (dF-Autor) was gegen Emoticons hätte,..., trotzdem: ;-) )
Dito, Straußkopf. Ich komme vielleicht wieder dazu, ein wenig breiter zu kommentieren, in den nächsten Tagen.
C.L.
Das sich das genante Stelle auf den Besuch von Bayernreuth und Salzburg bezog war mir tatsächlich und ausnahmsweise klar.
Wäre mehr Selbstvertrauen ... schreiben Sie. Und ich widerspreche erneut. Nein, es mangelt diesen Festspielbesuchern nicht an Selbstvertrauen, sie halten sich doch für die Größten unter der Sonne, werden von vielen auch so gesehen, unser feministischer Meilenstein z.B., allein sie gehen da doch hin um Macht zu demonstrieren und sich zu zeigen, zu gockeln und zu paradieren. Und wohl auch um Business zu machen, Geschäfte zu betreiben. Um unter sich zu sein auch. Das Festspiel bietet dafür die Bühne.
Was ihnen tatsächlich fehlen mag - genau wissen wir beide das nicht - ist wohl eher Selbstbewusstsein.
Und ob diese Herrschaften die lokalen Etablissements besuchen wissen wir wohl beide auch nicht. Nicht wirklich.
Na, ob der Muschelaffe Kunst ist? Jedenfalls löst er bei mir eher Ekel aus, erinnert mich an Pocken. So ändern sich die Zeiten.
Obwohl Jane Campion Fan- das Piano oder die Verflmung von Janet Frames Autobiographie, stehe ich der Serie zwiespältig gegenüber.
Ansonsten gilt: Wo Kunst ist, wächst das Rettende nicht!
Lieber Columbus,
habe Ihren Text gerne gelesen.
Liebe Grüße am
Ob auch Rechtswissenschaftler Romantiker sein können, weiß ich nicht, zweifele aber, gerade heute.
Wir haben sogar den letzten Romantiker überhaupt in unseren Reihen - Heinrich Heine. Aber es hat immer mit Text zu tun. Bildende Kunst und Juristerei scheinen sich auszuschließen. Warum, bleibt offen.
Muschelaffe: Heute sanfter Schrecken und vielleicht auch abstoßend, damals gewünschter Grusel des Grotesken. Die Romantiker hatten auch eine Leidenschaft dafür. - So eine Assoziation: Affenbiss-HIV?
Gehört zu B52´s!
Das Rettende: Im Schillerschen Sinne, die mit Sinnlichkeit affizierte Vernunft. Herbert Marcuse schrieb dazu, wie nötig das auch für die Wissenschaft wäre. - Klar, die Kunst allein ist nicht rettend. Das meint der häufig so gescholtene Beuys aber auch nicht.
Bei mir klingt es vielleicht ein wenig zu entschieden. Das hat aber einfach nur den Grund, es besonders deutlich sagen zu wollen.
Jane Campions Mini-Serie wurde vielleicht zu sehr als Krimi missdeutet.
Beste Grüße
Christoph Leusch
ihr führet dann nämlich vor lauter Irritation sofort in den Straßengraben
Just so wie der Löwe, wenn er dem Zebra begegnet.
http://ecofriend.com/wp-content/uploads/2012/07/lion-training-by-robot_9.jpg
Ja, Balsamico, Heine gehört auf den Hausaltar und ins Schatzkästlein des rheinischen Hausfreundes.
Er sollte Geldsack werden. Jus aus Verlegenheit? - Aber ich bewundere an guten Juristen ihren scharfen Blick für die Widersprüche in der Logik der Argumente. Die fallen mir manches Mal einfach nicht auf.
Diese Schule war dann wohl für Heine doch brauchbar, obwohl er die Pandekten-Juristerei seiner Zeit, sie kehrt immer wieder, wegen der allgemeinen Bürokratisierungstendenz der Postdemokratie, auch im zivilrechtlichen Bereich, sicher abstoßend fand. - Also gutes Recht wäre auch eine Kunst.
Die bildende Kunst kann aber was über Juristen sagen und ein paar Symbole finden. Böse sind Daumier und Grandville. Hilft ihnen Kandinsky ein wenig auf. Der lernte bei den Juristen das programmatisch-dogmatische Handwerk, bevor er Künstler wurde. - Nein, bevor er merkte, dass er Künstler immer schon war.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Das Banausische an einer Haltung gegenüber der Kunst und den Künstlern ist ja auch etwas anderes, denke ich: Nämlich Kunst instrumentell zu denken und sie so abzuhandeln, ...
Mir scheint, das beschreibt eher den Bildungsspießer. Kunst erledigt sich als Thema immer dann, wenn sie zum (bemühten) Partygespräch wird, oder Kennertum irgendeine Rolle als Statussymbol spielt. Der Umgang mit der Kunst war, scheint mir, vor zehn Jahren oder noch mehr, schon mal etwas ungezwungener als heute.
Begeisterung kommt seltener vor. Von daher: gern gelesener Beitrag, und ich freue mich auf mehr.
Warum bringen Sie den Nationalsozialismus und den Vorlauf dazu,...
mit der Romantik so stark in Verbindung?
das ist für mich eine durchgehende linie. nein, nicht alle, die in den jahrzehnten lebten, die der romantik zugerechnet werden, waren durchgeknallte typen. und auch nichts gegen die musik jener jahrzehnte. tschaikowski war und ist einer meiner besten komponisten. aber ist in der romantischen strömung und auch durch sie nicht der hang zum k.d.friedrichschen und jenseitigen stark gefördert worden? der hang zu religion und mythos? zum schwammigen und verschwurbelten? die arbeiten von freud sind dagegen erholsam klar, wie ein sonnentag nach nebeln.
die hoch- und überschätzung der kunst verdanken wir doch zum größten teil den traumtänzern, wem sonst? der schöne schein, was für eine unverzeihliche ablenkung vom wirklichen leben!
romantik beginnt schon mit rousseau, der so irrational leben und schreiben konnte, dass die zeitgenossen sich begründet über dies und das lustig machen mussten. nur dass er der idee der zivilisation misstraute, war ein guter gedanke. nun wird aber kolportiert, den habe von diderot übernommen...
Goethe hatte was ...
übrig für napoleon und andere geschäftsführer des weltgeistes. der mann hat sich selbst gut in szene gesetzt bei fürsten und frauen, aber sonst ... war er ein begnadeter reimer.
beispiele: sagt es niemand, nur den weisen weil die menge gleich verhöhnet, das lebendge will ich preisen, das nach flammentod sich sehnet...
oder auch: eines schickt sich nicht für alle, sehe jeder, was er treibe, sehe jeder, wo er bleibe, und wer steht, dass er nicht falle.
dies passt prima in die ideologie der markt-, jenes in die der kriegswirtschaft. das aushängschild der brd heißt zu recht jöte-institut.
Von Blom habe ich bisher nichts gelesen. Ich denke mir aber, dass er mit mit Aufklärung Rationalität und Radikalität in der Realität verbindet und dem die Welt der Romantik mit ihrer Suche nach dem Wesenhaften, statt der Gefühlsmechanik, gegenüber stellt.
alles falsch, lieber christoph. bitte nach dem lesen kritisieren!
grüße, hy
ad Blom: Klar, kann ich nichts wissen, sondern eben nur falsch vermuten. Also muss ich erst einmal lesen. - Puh! Hoffentlich schaffe ich das bald einmal.
Bezüglich unseres obersten dichterischen Beamten und Juristen Goethe, sehe ich, dass Sie einem unverklärten Dichterfürsten auch was abgewinnen können, und da bin ich froh. Weniger Lametta allüberall und weniger weihevolle Worte und der Minister bleibt ja trotzdem Nationaldichter. Er ist es recht eigentlich auch erst spät geworden. Da sage noch einer, die Deutschen kennten keine Moden.
Bis auf einen antijüdischen Affekt in der christkatholisch-rhienischen Variante der Romantik und im dort verbreiteten Franzosen- und Revolutionshass, kenne ich aber keine romantische Kulturregung, mit der sich widerspruchslos ein KZ bauen ließe. Darauf kommt es mir an.
In der Realität gibt es aber sicher diese Typen, die sich für Romantiker halten, selbst wenn es brutale und kalkulierende Hackfressen sind.
Ob Rousseauismus zur Romantik gehört, da zweifele ich. Und Freud, ja, der war distanziert ironisch, aber doch sehr interessiert, denn die Symbolikneigung teilte er mit den Romantikern. Ebenso deren Begeisterung für Träume und Gesichte.
Das ist jetzt alles schon sehr vom Thema des Blogs weg. - da aber, finde ich, schlägt sich die Kunst gar nicht schlecht, den Verwertungsinteressen und der Formierung durch die gesellschaftliche Anerkennung ab und zu ein Schnippchen zu schlagen. - Letztlich wird doch vieles in einer offenen Gesellschaft irgendwann aufgesaugt und toleriert, zur Unterhaltung dann sogar am Feierabend verspeist, was auch erklärt, warum die Bedeutung der Künstler in der Gesellschaft abnimmt, obwohl der Marktwert und die Aufmerksamkeit für Stars durchaus nicht gesunken ist, sondern steigt. Aber Stars auf allen Gebieten haben mit dieser Lebensfunktion der Kunst für jeden Einzelnen und mit dieser Verweisfunktion auf ein Mehr für uns, doch recht wenig zu tun.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Aber Stars auf allen Gebieten haben mit dieser Lebensfunktion der Kunst für jeden Einzelnen und mit dieser Verweisfunktion auf ein Mehr für uns, doch recht wenig zu tun.
stars oder eben bekanntheit bis berühmtheit sind doch meist nur
die voraussetzung, bedeutsam für viele einzelne zu werden. die geschäftsbedingungen interessieren aber die teilhabenden kaum. die "Lebensfunktion der Kunst für jeden Einzelnen" ist wohl das wesentliche. ein großes angebot. unverhandelbar wie die stufen des lebens. unplanmäßig. die spurenelemente für die päppelung des geistes.
aber die schöne neue welt ist gar nicht schön...
und schöngeister sinds auch nicht.
grüße, hy
Ja- "Grusel des Grotesken- Affenbiss-HIV"! Jedenfalls steht es Jeff Koons Luftballons an nichts nach.
Zu Campions Mini-Serie. Es gab starke Szenen und Bilder. Aber der Aufhänger gefiel mir einfach nicht: vergewaltige Polizistin mit zur Adoption frei gegebenen Tochter & krebskranker Mutter (…)
Liebe Grüße am
Zur Kunst sagt Goethe: «Das Schöne ist eine Manifestation geheimer Naturgesetze, die uns ohne dessen Erscheinung ewig wären verborgen geblieben!»
@anne mohnen
Zu Campions Mini-Serie. Es gab starke Szenen und Bilder. Aber der Aufhänger gefiel mir einfach nicht: vergewaltige Polizistin mit zur Adoption frei gegebenen Tochter & krebskranker Mutter (…)
Ja mei, so ist das halt mit der Filmkunst. Josef Hader hat sich bei der Gala zum Deutschen Filmpreis darüber seine Gedanken gemacht.
Ciao
Wolfram
@Columbus
Zu ihrer Entwicklung vom Bub zum Manne kann ich Sie nur beglückwünschen
Daß ich das noch erleben darf, daß der Großmeister himself meine Leistung würdigt, die Kindheit hinter mich gelassen zu haben.
Unbedingt mal einige Klecksographien anfertigen, aber nicht erst auf dem Hohenasperg.
Mein Wohnsitz in Niederbayern schützt mich davor, jemals im Justizvollzugskrankenhauses Hohenasperg untergebracht zu werden. Im Fall des Falles wartet auf mich das Bezirkskrankenhaus Straubing.
Ciao
Wolfram
@Columbus
Ob auch Rechtswissenschaftler Romantiker sein können, weiß ich nicht, zweifele aber, gerade heute
Eine ganz steile Behauptung, will mir scheinen.
Achim von Arnim hat Jura studiert, ob er je einen Abschluß gemacht hat, konnte ich auf die Schnelle nicht recherchieren.
Wilhelm Heinrich Wackenroder war Rechtsreferendar, weiter kam er wegen seines frühen Todes nicht.
Novalis war Jurist mit bestem Prädikatsexamen.
Ludwig Uhland hatte, wenn auch nur kurze Zeit, eine eigene Anwaltskanzlei.
Joseph von Eichendorff brachte es als Jurist bis zum Oberpräsidialrat in Königsberg.
E. T. A. Hoffmann war Kammergerichtsrat.
Der Doktor beider Rechte Heinrich Heine sei abschließend noch erwähnt.
Ciao
Wolfram
@alalue
Mein Lebensziel: Beuys heißen und eine Müllhalde besitzen.
Müll muß ein Mordsgeschäft sein, in Kampanien ist die Müllverwertung fest in der Hand der Camorra.
Ciao
Wolfram
Camorra ? Eine jener sagenhaften Spontankunstgruppen ?
Hey, aber in Bayern, besonders in forensischen Bezirkskrankenhäusern, hat man es nicht so mit "Kleckso". Da wird aufgeräumt und die Spione in den Zimmertüren funktionieren verkehrt herum.
Träume bleiben glatt aus, wegen der systematisch gestörten Nachtruhe. Das nennt sich dann Aufwecktrauma, statt Traum(a)therapie.
Leistung im Missverstehen würdigen? Eine Disziplin: Kaspar Hauser Story als Art house- Film, ohne Filmmusik. (;-))
Romantiker: Zweifle heute, steht da. Jus ist eben auch so ein Verlegenheitsfach für manche tiefe Seele und unbestritten können einige Juristen tief sein. Siehe oben zu Heine bei Balsamico. Trotzdem gut, diese Erinnerung an Herzenergießungen verhinderter Klosterbrüder, Musiker, Geldsäcke und armen Landadel, der das Joch des Amtes trug.
Es wimmelt nur so, von schreibenden Juristen und Beamten, zumal im 18. und 19. Jh. der Jurist vornehmlich in den Staatsdienst ging. Auch heute gibt es dazu noch Parallelen. Juristen können daher auch alle anderen Fachfragen noch irgendwie lösen. Aber ohne Pangesten keine sichere Stelle.
Heute sind die Staatsplätze knapp, die Superexamenskandidaten für so manche juristische Tätigkeit eher eine große Gefahr (Parallele Medizin) und das Abmahnunwesen betrieben von den versklavten unglücklichen Juristen, es steht in voller Blüte.
Sind aber vom Thema weit ab.
Beste Grüße
Christoph Leusch
Juristerei und Romantik. Abenteuerlich.
Nebenberuf: Dichter? - Nicht etwa eine Ostdeutsche Zeitung war es – dort weist man sehr wohl dem Schriftsteller seine, wenn auch arg eingeschränkte, »Funktion« in der Gesellschaft zu – sondern ein Österreichisches Blatt, in welchem kürzlich ein angesehener Kritiker es ganz offen aussprach: daß der Nur=Dichter keine Daseinsberechtigung mehr habe; dergleichen Schmetterlinge könne sich die schwer arbeitende Menschheit nicht leisten! Tieck warnte Jeden vor dem »grausamen Metier«. Swift, Nietzsche, Hölderlin, endeten im Irrsinn; Scott, Kant, Newton, waren im Alter stumpf und verstanden ihre eigenen früheren Bücher nicht mehr. – Dichter im Nebenberuf?: nein; es geht wohl doch nicht!
Genauer: es geht nicht beides auf einmal (sagte Arno Schmidt). Meistens oder immer verteilt sich das Dichten und das Denken auf zwei oder mehrere verschiedene Lebensabschnitte.
Hier lohnt sich das Zurückblättern: Klugscheißeranalyse.
@alalue
Camorra ? Eine jener sagenhaften Spontankunstgruppen ?
Richtig.
"Walter De Maria bohrte zur documenta 1977 auf dem Friedrichsplatz von Kassel den Vertikalen Erdkilometer und füllte das Loch mit massiven Messingstäben von 5 cm Durchmesser, die zu einem Kilometer ineinandergesteckt, dauerhaft in die Erde eingelassen wurden, von oben sieht man auf dem Friedrichsplatz nur eine Platte und in deren Mitte den runden Querschnitt des Stabes."
http://www.somastruct.com/wp-content/uploads/2012/09/Walter_de_Maria_Vertikaler_Erdkilometer-e1348523961216.jpg
(ein Kunstkritiker bei der Begutachtung des Werkes)
Lange vor Walter de Maria bereits verwirklichte die Künstlergruppe Camorra Konzeptkunst und Land Art. Man umgoß etwa die Füße eines Menschen mit Beton und versenkte das Kunstwerk dann im Meer. Zum Gesamtkunstwerk wurde die Aktion dadurch, daß der zu Versenkende vor seinem Versinken ein herzergreifendes Gedicht über das Leben, die Liebe und den Tod vortrug.
Ciao
Wolfram
@h.yuren
...dann die durchgeknallte sehnsucht nach dem sog. mittelalter und, schlimmer noch und am schlimmsten die nazionalromantik, die den gefühlsrausch ermöglichte, im gemeinwesen aufzugehn.
Dir wird präsent sein, daß Heinrich Hoffmann von Fallersleben auf das damals noch britische Helgoland flüchten mußte, weil er unter anderem wegen seines Liedes der Deutschen in allen 36 deutschen Ländern steckbrieflich gesucht wurde.
Das kommt daher, daß damals der Nationalgedanke hochbrisanter politischer Sprengstoff war. Um die Deutschen zum Kampf gegen Napoleon (das heißt, die Französische Revolution und den Code Napoleon) zu motivieren, hat man von interessierter Fürstenseite den Nationalismus propagiert. Wir (guten) Deutschen gegen die (bösen) Franzosen und ihren Code Napoleon.
Nach dem Sieg gegen Napoleon brauchte man den deutschen Nationalismus nicht mehr, er war zu einer gefährlichen Ideologie für die 36 deutschen Feudalfürsten geworden, und man verfolgte ihn und seine Befürworter durch die Demagogengesetze. Erst als Preußen das Kunststück vollbracht hatte, den ehdem fortschrittlichen Patriotismus zur imperialistischen Leitideologie umzuwandeln, durfte er wieder offiziell gepflegt werden. Und nun bekamen die wohlbekannten Worte "Deutschland, Deutschland über alles" eine völlig andere Bedeutung.
"Kein Volk hegt mehr Anhänglichkeit für seine Fürsten wie das deutsche, und mehr noch als der traurige Zustand, worin das Land durch den Krieg und die Fremdherrschaft geraten, war es der jammervolle Anblick ihrer besiegten Fürsten, die sie zu den Füßen Napoleons kriechen sahen, was die Deutschen aufs unleidlichste betrübte; (...) Wir hätten auch den Napoleon ganz ruhig ertragen. Aber unsere Fürsten, während sie hofften, durch Gott von ihm befreit zu werden, gaben sie auch zugleich dem Gedanken Raum, daß die zusammengefaßten Kräfte ihrer Völker dabei sehr mitwirksam sein möchten; man suchte in dieser Absicht den Gemeinsinn unter den Deutschen zu wecken, und sogar die allerhöchsten Personen sprachen jetzt von deutscher Volkstümlichkeit, vom gemeinsamen deutschen Vaterlande, von der Vereinigung der christlich-germanischen Stämme, von der Einheit Deutschlands. Man befahl uns den Patriotismus, und wir wurden Patrioten; denn wir tun alles, was uns unsere Fürsten befehlen. (...)
Was sich bald darauf in Deutschland ereignete, ist euch allzu wohl bekannt. Als Gott, der Schnee und die Kosaken die besten Kräfte des Napoleon zerstört hatten, erhielten wir Deutsche den allerhöchsten Befehl, uns vom fremden Joche zu befreien, und wir loderten auf in männlichem Zorn ob der allzu lang ertragenen Knechtschaft, und wir begeisterten uns durch die guten Melodien und schlechten Verse der Körnerschen Lieder, und wir erkämpften die Freiheit; denn wir tun alles, was uns von unseren Fürsten befohlen wird."
Heinrich Heine, "Deutscher Patriotismus" (1833)
Ciao
Wolfram
@JR's China Blog
Just so wie der Löwe, wenn er dem Zebra begegnet.
Zebra geht gar nicht im Lande der Esel.
Die Freiheit hat man satt am End,
Und die Republik der Tiere
Begehrte, dass ein einzger Regent
Sie absolut regiere.
Jedwede Tiergattung versammelte sich,
Wahlzettel wurden geschrieben.
Parteisucht wütete fürchterlich,
Intrigen wurden getrieben.
Das Komitee der Esel ward
Von Alt-Langohren regieret.
Sie hatten die Köpfe mit einer Kokard,
Die schwarz-rot-gold, verzieret.
Es gab eine kleine Pferdepartei,
Doch wagte sie nicht zu stimmen.
Sie hatte Angst vor dem Geschrei
Der Alt-Langohren, der grimmen.
Als einer jedoch die Kandidatur
Des Rosses empfahl, mit Zeter
Ein Alt-Langohr in die Rede ihm fuhr,
Und schrie: Du bist ein Verräter!
Du bist ein Verräter, es fließt in dir
Kein Tropfen vom Eselsblute.
Du bist kein Esel, ich glaube schier,
Dich warf eine welsche Stute.
Du stammst vom Zebra vielleicht, die Haut
Sie ist gestreift zebräisch.
Auch deiner Stimme näselnder Laut
Klingt ziemlich ägyptisch-hebräisch.
Und wärst du kein Fremdling, so bist du doch nur
Verstandesesel, ein kalter.
Du kennst nicht die Tiefen der Eselsnatur,
Dir klingt nicht ihr mystischer Psalter.
Ich aber versenkte die Seele ganz
In jenes süße Gedösel.
Ich bin ein Esel, an meinem Schwanz
Ist jedes Haar ein Esel.
Ich bin kein Römling, ich bin kein Slaw.
Ein deutscher Esel bin ich,
Gleich meinen Vätern. Sie waren so brav,
So pflanzenwüchsig, so sinnig.
Sie spielten nicht mit Galanterei
Frivole Lasterspiele.
Sie trabten täglich, frisch-fromm-fröhlich-frei,
Mit ihren Säcken zur Mühle.
Die Väter sind nicht tot! Im Grab
Nur ihre Häute liegen,
Die sterblichen Hüllen. Vom Himmel herab
Schaun sie auf uns mit Vergnügen.
Verklärte Esel im Gloria-Licht!
Wir wollen Euch immer gleichen
Und niemals von dem Pfad der Pflicht
Auch nur einen Fingerbreit weichen.
O welche Wonne, ein Esel zu sein!
Ein Enkel von solchen Langohren!
Ich möcht es von allen Dächern schrein:
Ich bin als ein Esel geboren.
Der große Esel, der mich erzeugt,
Er war von deutschem Stamme.
Mit deutscher Eselsmilch gesäugt
Hat mich die Mutter, die Mamme.
Ich bin ein Esel, und werde getreu,
Wie meine Väter, die Alten,
An der alten, lieben Eselei,
Am Eseltume halten.
Und weil ich ein Esel, so rate ich Euch,
Den Esel zum König zu wählen.
Wir stiften das große Eselreich,
Wo nur die Esel befehlen.
Wir alle sind Esel! I-A! I-A!
Wir sind keine Pferdeknechte.
Fort mit den Rossen! Es lebe, hurra!
Der König vom Eselsgeschlechte!
So sprach der Patriot. Im Saal
Die Esel Beifall rufen.
Sie waren alle national,
Und stampften mit ihren Hufen.
Sie haben des Redners Haupt geschmückt
Mit einem Eichenkranze.
Er dankte stumm, und hochbeglückt
Wedelt er mit dem Schwanze.
(Heinrich Heine, "Die Wahlesel", 1855)
Ciao
Wolfram
@Columbus
Romantiker: Zweifle heute, steht da.
Auf's Heute bezogen ist gut zweifeln. Die Zeit der Romantik im engeren geistesgeschichtlichen Sinne ist vergangen, der Begriff "Romantik" hat sich gewandelt, ist vielfältig schillernd und präzise kaum zu fassen. Wann immer jemand einen heutigen Juristen als Romantiker bezeichnet, kommt irgend ein Schlaubold unter seinem Schlauboldsstein hervorgekrochen und weist dir nach, daß besagter Jurist nie und nimmer als Romantiker bezeichnet werden könnte.
Ciao
Wolfram
@JR's China Blog
Juristerei und Romantik. Abenteuerlich.
So abenteuerlich dann auch wieder nicht. Wenn du dir mal anschaust, welche Dichter im Brotberuf Juristen waren (sind), dann gehen dir die Augen über vor Staunen.
Dichter im Nebenberuf?: nein; es geht wohl doch nicht!
(...)
Genauer: es geht nicht beides auf einmal (sagte Arno Schmidt). Meistens oder immer verteilt sich das Dichten und das Denken auf zwei oder mehrere verschiedene Lebensabschnitte.
Zwei drastische Gegenbeispiele:
E. T. A. Hoffmann ist als Kammergerichtsrat (relativ früh) gestorben. Die Zeit, in der er nicht als Jurist im Staatsdienst war, war auf die politischen Gegebenheiten zurückzuführen. Hoffmann war als Jurist im damals preußischen Warschau tätig, als Napoleon Warschau eroberte, wurde er entlassen, weil er nicht den Diensteid auf Napoleon ablegen wollte.
Hoffmann war - was viele gar nicht wissen - nicht nur Schriftsteller, sondern auch Musiker und Zeichner. Und: Seine Dienstzeugnisse als Jurist waren immer hervorragend, sonst wäre er auch nicht so weit aufgestiegen.
Herbert Rosendorfer war Staatsanwalt, später Amtsrichter. 1993 wurde er Richter am Oberlandesgericht Naumburg. Das blieb er bis zu seiner Pensionierung 1997. Er hat ein ganz unglaublich umfangreiches Oeuvre hinterlassen. Über die Qualität kann man streiten, für mich ist Rosendorfer ganz vorne bei meinen Lieblingsschriftstellern. (E. T. A. Hoffmann übrigens auch.)
Ciao
Wolfram
P. S.: Wenn sich das Dichten und das Denken voneinander trennen, dann ist die Kacke sowieso am Dampfen.
Von denen kann man nur lernen.
Es gibt einen Cartoon, ich weiß nicht mehr von wem: zwei Fische umschwimmen eine ganze Reihe von solchen Betonkunstwerken, einer sagt: hier sind sie, diese sagenhaften Menschenfriedhöfe.
Wurde 1938 aktualisiert. Nicht in Deutschland (was sicher wünschenswert gewesen wäre), sondern in Kenia.
2013 sind beide aktuell, Heinrich Heine und Yomo Kenyatta, sach ich ma.
Hoffmann war Dichter und Jurist, beides im Hauptberuf, und starb relativ früh. Gibt Ihnen das gar nicht zu denken?
Wenn sich das Dichten und das Denken voneinander trennen, dann ist die Kacke sowieso am Dampfen.
Mag ja sein. Aber Deutschland ist das Land der Dichter und Denker, und ich bin sicher, das trennt sich nach Gilden & Zünften.
denn wir tun alles, was uns von unseren Fürsten befohlen wird."
aus den fürstchen sind würstchen geworden mittlerweile. der fortschritt ist nicht aufzuhalten. nur der gehorsam ist geblieben und die treue;-)
hab ich je was andres behauptet, lieber heinrich?
grüße, hy
lieber christoph,
mir ist noch zum blogtitel etwas eingefallen, mit verlaub:
kann es sein, dass du das wort einem zuhälter abgelauscht hast?;-)
grüße, hy
@alalue
Von denen kann man nur lernen.
Jeden Sommer bietet die Camorra in Capri einen Workshop für Interessierte an: Concrete Art.
Die Polizei rät: Sollte das Angebot kostenlos sein, ist größte Vorsicht geboten, wahrscheinlich ist es dann nicht seriös.
Ciao
Wolfram
@JR's China Blog
Hoffmann war Dichter und Jurist, beides im Hauptberuf, und starb relativ früh. Gibt Ihnen das gar nicht zu denken?
Rosendorfer war all das auch und wurde 78. Aber gut, der Rosendorfer hat auch nicht soviel getrunken. (Wobei natürlich zu fragen wäre, warum Hoffmann so viel trank...)
>>Wenn sich das Dichten und das Denken voneinander trennen, dann ist die Kacke sowieso am Dampfen.<<
Mag ja sein. Aber Deutschland ist das Land der Dichter und Denker, und ich bin sicher, das trennt sich nach Gilden & Zünften.
Das ist der Stand von vorgestern. Damals mußte man sowohl das Kupfer- als auch das Silbenstechen in anerkannten Handwerksbetrieben lernen. Heute ist, umlaufenden Gerüchten zufolge, jeder ein Künstler, was heißt, daß keiner ein Künstler ist. Denn, klar, ein Begriff ohne Grenzen löst sich in Luft auf.
"Murke sah schon den fünften Aschenbecher neben der rot erleuchteten Null auf sich zukommen, die Luft wurde wärmer, es roch nach Speisen, Murke sprang ab und taumelte in die Kantine. In der Ecke saßen drei freie Mitarbeiter an einem Tisch. Eierbecher, Brotteller und Kaffeekannen standen um sie herum. Die drei Männer hatten zusammen eine Hörfolge: Die Lunge, Organ des Menschen, verfaßt, hatten zusammen ihr Honorar abgeholt, zusammen gefrühstückt, tranken jetzt einen Schnaps miteinander und knobelten um den Steuerbeleg.
Murke kannte einen von ihnen gut, Wendrich; aber Wendrich rief gerade heftig „Kunst!“ – „Kunst“, rief er noch einmal, „Kunst, Kunst!“, und Murke zuckte erschreckt zusammen, wie der Frosch, an dem Galvani die Elektrizität entdeckte. Murke hatte das Wort Kunst an den beiden letzten Tagen so oft gehört, aus Bur-Malottkes Mund; es kam genau einhundertvierunddreißigmal in den beiden Vorträgen vor; und er hatte die Vorträge dreimal, also vierhundertundzweimal das Wort Kunst gehört, zu oft, um Lust auf eine Unterhaltung darüber zu verspüren.
(...)
Er kniff die Augen zu, lauschte aber, ohne es zu wollen, auf das Gespräch der freien Mitarbeiter in der Ecke, die sich leidenschaftlich über die Kunst zu streiten schienen; jedesmal, wenn einer von ihnen „Kunst“ rief, zuckte Murke zusammen. Es ist, als ob man ausgepeitscht würde, dachte er.
(...)
Einer der freien Mitarbeiter war jetzt aufgesprungen und brüllte emphatisch in die Kantine hinein: „Kunst – Kunst – das allein ist es, worauf es ankommt.“ Murke duckte sich, wie ein Soldat sich duckt, der im feindlichen Schützengraben die Abschüsse der Granatenwerfer gehört hat."
(Heinrich Böll, "Dr. Murkes gesammeltes Schweigen")
Ciao
Wolfram
P. S.: Als Sonderbonus hier die Stelle in der Fernsehfassung von 1964. Es handelt sich übrigens um die vollständige Fassung, eine Perle der deutschen Filmkunst.
Ja, klar. Das steckt da auch drin. Das gehört zu der einen Seite, die mit Salzburg und Bayreuth umrissen ist. Zahlen bestimmen da den Wert der Schönheit. Die Schönheit selbst, trägt nichts und schon gar nichts nach außen. Sie ist zum Verbrauch/Konsum bestimmt.
Kontrastprogramm ist das von Beuys mitvertretene Konzept. Der forderte ja unbedingt zur Autonomie des Künstlers und der Kunstbetrachter auf und schuf trotzdem soziale Kunstwerke.
Da gibt es keine Zuhälter (Impresarios), die "hereinspaziert" brüllen und auf die Ware (Menschen, Tiere, Sensationen) verweisen, die sich über das Preisschild, meinetwegen eine Quote, auszeichnen ließe.
Wolfram Heinrich hat ja schon das Missverständnis um die angeblich realitätsblinde Romantik aufgelöst, in dem er hier ausführlich Heine zitierte.
Allerdings gilt auch, dass Napoleon sich selbst romantisierte und von Romantikern und Klassikern gleichermaßen verkannt wurde, in seiner Skrupellosigkeit und seinem Hang zum Menschenopfer.
Die erweiterte Kunst verlangt keine Opfer ein, sondern schenkt. Man denke an Novalis "Ofterdingen" oder eben an Heine, man denke an Eichendorffs "Zwei Gesellen" oder seinen "Taugenichts". Man denke an E.T.A. Hoffmanns "Nachtstücke". -
Der Mensch muss müssen, das empfanden, außerhalb der reinen Physiologie, die Romantiker als Bedrohung. Der Mensch soll können und wollen, soll erweitert wahrnehmen und fühlen, war ihre Botschaft.
In Beuys ist mehr von der Romantik als je in Jeff Koons glasiertem Kopulationsselbstzeugnis mit Cicciolina und den Ballons, die Anne Mohnen erwähnte.
Die gibt es, kleinformatiger auf dem Rummel für die Kinder, die glücklicherweise nicht an die Macht kommen. Das Anstößige an diesen Sachen von Koons ist ja nicht die Darbietung von erstarrtem Sex und ´nem Haufen Helium in bunter Verpackung, sondern seine absichtsvolle Leere, die Leerformel für das konsumierende Publikum. Zeitgemäß ist das allerdings schon.
Gutes Wochenende
Christoph Leusch
@h.yuren
>>denn wir tun alles, was uns von unseren Fürsten befohlen wird."<<
aus den fürstchen sind würstchen geworden mittlerweile. der fortschritt ist nicht aufzuhalten. nur der gehorsam ist geblieben und die treue;-)
hab ich je was andres behauptet, lieber heinrich?
Du hast auch nie behauptet, Wiener Würstchen wären ohne Senf nicht zum Runterwürgen. Nur ging es hier weder um Wiener Würstchen noch um Gehorsam und Treue den Regierenden gegenüber. Es ging um das: "...dann die durchgeknallte sehnsucht nach dem sog. mittelalter und, schlimmer noch und am schlimmsten die nazionalromantik, die den gefühlsrausch ermöglichte, im gemeinwesen aufzugehn."
Du nimmst den Nationalgedanken, wie er heute in rechtsradikalen Kreisen im Schwange ist, und heftest ihn den Romantikern ans Revers, wohl wissend, daß der Nationalgedanke damals etwas völlig anderes bedeutete als heute.
Obwohl... Mir kommt da gerade ein grausiger Verdacht: Du weißt gar nicht, daß dieselben Begriffe, Ideen und Symbole in früheren Zeiten etwas anderes bedeuteten als heute. Dir ist gar nicht klar, daß man Menschen früherer Zeiten aus ihrer Zeit heraus verstehen muß, um sie überhaupt auch nur annähernd zu verstehen. Du schwatzt einfach nur rum, dabei die grellgraue Fahne der Nullraffung schwenkend.
Hl. Muttergottes von Tschenstochau!
"gefühlsrausch (...), im gemeinwesen aufzugehn." Das wirfst du ausgerechnet den Romantikern vor, die - wie niemand vor ihnen - die innere Befindlichkeit des Individuums in den Vordergrund stellten.
Ciao
Wolfram
Allmächtiger.
Jetzt weiß ich wenigstens, was ich dem Rise Against auf seine Frage antworten muss, wozu eigentlich immer der Zeilenabstand in meinen Kommentaren.
Du nimmst den Nationalgedanken, wie er heute in rechtsradikalen Kreisen im Schwange ist, und heftest ihn den Romantikern ans Revers, wohl wissend, daß der Nationalgedanke damals etwas völlig anderes bedeutete als heute.
interessant. in der zwischenzeit zwischen novalis und neonazis war, tja, was war da noch mal? nichts, richtig, rein gar nichts...
Wolfram Heinrich hat ja schon das Missverständnis um die angeblich realitätsblinde Romantik aufgelöst, in dem er hier ausführlich Heine zitierte.
zunächst einmal ist heine nicht die romantik. und dann sehe ich in der romantischen bewegung, die ja besonders deutsch war, die gegenbewegung zur französischen aufklärung. das nazionale erbe und die religion spielten in der deutschen entwicklung zum nazionalstaat eine gewichtige geige. es ist der große anteil am muff von tausend jahren, der mir am aufstand des irrationalen nicht behagt.
grüße, hy
@h.yuren
>>Du nimmst den Nationalgedanken, wie er heute in rechtsradikalen Kreisen im Schwange ist, und heftest ihn den Romantikern ans Revers, wohl wissend, daß der Nationalgedanke damals etwas völlig anderes bedeutete als heute.<<
interessant. in der zwischenzeit zwischen novalis und neonazis war, tja, was war da noch mal?
Genau das ist der Punkt. Zwischen Novalis und Neonazis war was, es hat eine Entwicklung stattgefunden. Die Namen und Begriffe sind die gleichen geblieben, deren Bedeutung dagegen hat sich sehr verändert, oft sogar in ihr Gegenteil verkehrt.
Ciao
Wolfram