Staatsgespäche am Baggersee I

Staatsgespäche am Baggersee

Minidrama. Deutsches Regietheater

Zahlreiche Anweisungen, die zu befolgen sind:

Gender spielt dafür einmal keine Rolle.

Die Rollenbesetzung, einschließlich der Regie und der Dramaturgie, kann völlig freihändig erfolgen. Das ist eben wurst,...Wurst, Wurst, Wurst, auch mit Bart. Wie sind in Deutschland. Da ist das Theater regelmäßig ein letzter Zufluchtsort vor der Einheitsmeinung aller Demokraten. Wer Mutti-Super Groko oder Super-GroKo Rosarot spielt ist völlig unwichtig! Es darf Genderfacing mit Fat suits betrieben werden. Auch Gepiercte und Tättowierte sollen eine Chance haben. Eine Herausforderung für die Maske!

Vorrede des Beleuchters

Beleuchter (Findet sich keine guter Vorredner unter dem technischen Personal, spielt diese Rolle wahlweise die Intendantin oder ein armer, freier Schauspieler. Sozialberechtigungsschein genügt):

>> (Spricht ungelenk) Es singt nun,...nur für Sie, ...Johanna Pätsi, Brechts und Eislers, „An den kleinen Radioapparat“ (http://www.youtube.com/watch?v=xuGK7fOVXlY ).... In Englisch, weil Deutsch recht eigentlich unverständlich ist und wir bereits vor Jahren den Antrag stellten, 52. Bundesstaat der USA werden zu dürfen, direkt nach Puerto Rico....Es muss sehr schön gesungen werden, weil hier alles schön, wunderwunderschön ist.

Applaus, Applaus! (Animiert aus heiterem Himmel das Publikum, wie einst Kermit der TV-Frosch, kleine Pause, Luftholen, Anlauf nehmen)

Weg, mit allen V-Effekten! Weg, mit dem epischen Theater! Weg, mit aller Distanz zur Performanz!

Her mit allen falschen Gefühlen, die gerade auf dem Markt zu haben sind!

Tod dem letzten Antikapitalisten! (Bricht abrupt ab)<<

Im Bühnenhintergrund läuft, über die ganze Wand des Theaters, der schönste aufzutreibende Kurzfilm zu einem östlichen Birkenwäldchen mit Seeanschluss, gerne in Lewitan- Optik.

Johanna Pätsi darf dazu mehrfach loopen. - Der Text wird, weder im Original, noch in Englisch, jemals auf hochgehaltenen Pappedeckeln oder nach Art Robert Wilsons, mit Hilfe von Fließanzeigen oder Computermonitoren zum Publikum gebracht. Es zählt einzig der Schönklang. - Diese letzte Bühnenanweisung ist unter allen Umständen, auch von der ärmsten Seele des deutschen Regietheaters einzuhalten. Ansonsten ist alles frei und kann ruhig auch freizügig sein.

Das Stück muss wenigstens 40 Tage nach Pfingsten, spätestens 80 Tage davor, mindestens einmal im Jahr, im Augsburger Stadttheater oder vom Berliner Ensemble aufgeführt werden, sonst werden diese Spielstätten sofort geschlossen. - Ansonsten, ja, ansonsten, ist alles frei und wie das Bier, so rein empfunden.

>>Ähm!- Es pfingstete und auch die frohe Leich´ ist länger schon vorbeigetragen. Wisst ihrs!

Heiliger Geist ist seither unter schlichten Seelen. Wir anderen Evangelischen wissen nicht recht, an was wir stattdessen, auf dieser Welt noch glauben sollten, bis es mit uns zu Ende ist. Was müssen wir tun, damit wir wieder eine eingeschworene Gemeinde aus Fleisch und Blut bilden? (kleine Pause).

Weil die Gewissensnot so klein geworden, huldigen wir der Obrigkeit, der Fahne, den gütigen Milliardären, dem Fußball und...(Kunstpause), möglichst in wohlgesetzten Worten, dem Militär.

Dnejpr, Euphrat und Tigris sind unsere umkämpften Randflüsse der Zivilisation. Wir Deutsche fürchten nichts auf der Welt, außer uns selbst, denn wir haben die feste, politisch-theologisch-wirtschaftlich- soziale Einheit zu Berlin!

Ein Schild wird am linken Bühnenrand von einem Komparsen hochgehalten,

DIE POLITHEOWIRTSCHAFTSSOZE,

DIE POLITTHEOWIRTSCHAFTSSOZE,

DIE POLITTHEOWIRTSCHAFTSSOZE,

EINHEIT SIEGT!

und dann quer über die Bühne getragen.

Wir liefern ein paar Schreibanlässe für Journalisten, die bekennend katholisch oder evangelisch tippen und lippenlesend des obersten Freiheitsapostels Botschaften kommentieren, wie sie sonst nur Laufwege von Fußballspielern analysieren. <<

Bühnenbild und Szene:

Auf der Bühne lagern, erhöht durch eine leichte Aufschüttung handelsüblichen Grobsands, die heimlichen und heiligen Familienoberhäupter der Super-GroKo. Mutti und ihr bester Gefährte, Ur-Ur-Enkel der Genossen und Genosse von Genossen und Bossen gleichermaßen.

Beide tragen züchtige und aktuelle Strandmode und schauen von ihrem kleinen Sand auf ein leicht ventiliertes Folienwasser, das beständig ein wenig raschelt, auch einmal leise knistert, aber immer in Bewegung ist.

Ein überdimensioniertes Mikrofaser-Badetuch, schwarz-rot-gold, ist klar unter ihnen zu erkennen. Überall liegen deutsche Qualitätszeitungen verstreut. Auf einem iPad, mit dem das rosarote SuperGroko, neben der zu bewältigenden Dialoghandlung beständig in Richtung Publikum spielen soll, laufen im Wechsel die Tagesthemen mit einem schlohweißen Ancorman oder das Heute-Journal mit einem Cyborg, der entweder wie ein Reserveoffizier höheren Ranges oder wie ein älteres Fotomodel mit Sprachfunktion aussieht. Das Moderatoren-Model muss kiecksig vorsprechen können! - Helium ein- und ausatmende Blondine. - Mutti-SuperGroko spielt sporadisch mit ihrem Smartphone. Ansonsten ist alles entspannt und frei.

Vorleser (am Bundestagspult, mit dem DFB-Adler vorn, sowie hintendran, groß auf der Leinwand):

>>Seht hier, (deutet in die Szene) den Einheitsregierungsmann, neben der Einheitsregierungsfrau.

Gott, Göttin, Gott-Es und heiliger Geist, sind mit uns Deutschen. Hosana!

Unsere Landschaften blühen, bevor sie austrocknen oder weggeschwemmt werden und die artenärmsten, grünen Biotope dieser Welt, sie sind fruchtbar und mehren sich, als hätten sie, wie die Zuckerrüben so saftig daliegen, selbst die Bibel gelesen.

Alles ist schön aufgeräumt. Nur die Straßen wurden erkennbar schlechter, in den letzten paar Jahren und die Wildschweine vermehrten sich, aus unserer grenzenlosen Tierliebe heraus. Bald fault das Obst und fällt mit den Ästen von den Bäumen. - „Ihr Mundräuber! Raus da!“, schreien irgendwo saisonal ausgeliehene, rumänischer Feldwächter im Chor, die niemals einen Mindestlohn erhalten werden.

Derweil liegen in Naturbadeanstalten und an Baggerseen die Strände voller Armer, die sich die Reise zum Strand außerhalb des Landes, ganz unsentimental, nicht leisten können, aber trotzdem innen und außen braun werden wollen. Das ganze Land riecht nach Holzkohle und verbranntem Fleisch und schwarzrotgoldene Dauerbeflaggungen künden noch nach Monaten vom wichtigsten deutschen Angriffssieg im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts, bei dem sich alles um einen arg getretenen Ball gedreht haben soll.

Mitten unter uns, irgendwo an einem Badeteich Mitropas, kurt Familie Super- GroKo.

Nahe Donezk, da im Osten (zeigt in Richtung Birkenwäldchen- Leinwand), ist bei Gelegenheit das dumpfe Grollen schwerer Artillerie zu hören (Bleche werden hinter der Bühne gerüttelt). Ab und an tackern ein paar Maschinengewehre. (Eine Herausforderung für die Bühnentechnik, es muss künstlich klingen). Hier und da steigen wirbelig Raketen auf. - Was sagt die Bühnenfeuerwehr?

Ein Hubschauer schrappt ab (Das kann auf der Leinwand im Bühnenhintergrund dargestellt werden. Ebenso erlaubt: Ein Statist im taubengrauen Kittel des Requisiteurs, trägt ein verkohltes Hubschraubermodell über die Vorderbühne).

Als wäre es die verspätete Ausgießung des heiligen Geistes, werfen ein paar ukrainische Kampfjets im Schulterwurf Flugblätter ab. Krach im Off. Papiere segeln vom Schnürboden, zugleich mit der Illusion der Einschläge überlagerter Flächenbomben aus alten Paktbeständen, zuckt ein Feuerblitz auf der Leinwand im Bühnenhintergrund. - So kündigen sich Waffenruhen und ihr Ende gleichzeitig an. Das spart Zeit und ist effizient. Sonst ist alles ruhig an der Ostfront.

Derweil landen übermutige Supercargos Waren in Hamburg, Bremen und sonstwo an, die während der spottbilligen Transporte rund um die Welt, auf geheimnisvolle Weise um ein Vielfaches wertvoller wurden. Anleger freuen sich, weil ihre ertragreiche Zukunft, ob es stürmt oder schneit, kriegt oder ein bisschen friedelt, auf ebenso geheimnisvolle Weise, doppelt und dreifach abgesichert ist und die Elbphilharmonie, vor allem für sie, tatsächlich bald eröffnet werden wird. (Man sieht das Gebäude auf der Leinwand und in einem Loop hebt ein Kran immer wieder das selbe Bauteil auf das Operndach).

(Fortsetzung, Teil II)