Undoing Gender Trouble I

Geschlechter Geht es um Gender und Geschlechter, herrscht Streit, obwohl Natur, Kultur und philosophische Nachdenklichkeit, seit den ersten Mythen, Akzeptanz und Milde nahelegen.

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Undoing Gender Trouble I

Geschlecht und Geschlechter

Erik Truffaz/Sophie Hunger, „Let me go“:

This is my freedom,/ This is my voice,/ My piece of Eden,/ My blind-eyed choice./ These are my movements,/ These are my arms,/ This is my trumpet,/ These are my... drums./ Let me go/ Let me go/ This is my moment,/ Again and again,/ I'm not existing,/ I have never been !/ I am my future,/ I'm on my way,/ Forever forever,/ Let's play, let's play !/ Let me go/ Let me go.“ , https://www.youtube.com/watch?v=cPv9lH_23FU

(Die folgenden Gedanken beziehen sich auf den außergewöhnlich mutigen und entschieden Partei ergreifenden Artikel Sarah Schascheks, „Was bin ich?“, „der Freitag“ (Nr. 31, 2015), https://www.freitag.de/autoren/der-freitag/was-bin-ich)

Ein Mensch hat genau ein Geschlecht. Ich, Du, Er, Sie und weitere personanzeigende Platzhalter, glauben daran. Wir glauben es.

Meist stützt und sichert die geno- und phänotypische biologische Basis, -Genanlage und der sichtbarer Ausdruck derselben, unter Umwelteinwirkung-, die implizite und explizite Ausformung des eigenen Körpers ebenso, wie umgekehrt das Erleben der je Anderen. Die vom ersten Moment an wirksame soziale Prägung der psychischen Entwicklung, ist daher allermeist eher eine Fügung, statt Zwang. - Diese Ansicht wird gerne superkritisch angegriffen, ohne aber ausreichend Beweise beizubringen, dem sei nicht so oder anders viel es besser. - Feste Überzeugungen bilden sich also nicht widersinnig und schon gar nicht grundlos.

The Crying Game

„The Crying Game“, komponiert und getextet von Geoffrey Stephens, gesungen von Dave Berry, 1964, https://www.youtube.com/watch?v=4c9W2-uGvQQ

„The Crying Game“, gesungen von Brenda Lee, 1965, https://www.youtube.com/watch?v=FkctpNfY9WY ,

„The Crying game“, gesungen von Boy George; Arrangement, Anne Dudley und Pet Shop Boys, 1992, Schlüsselsong aus dem Neil Jordan Film-Klassiker „The Crying Game“, mit Stephen Rea, Forest Whitaker, Miranda Richardson und Jaye Davidson (geboren als Alfred Amey), die die Transsexuelle Dil spielt. Clip zum Film: https://www.youtube.com/watch?v=cQGegTn4PBc

>>I do know all there is to know about the crying game/I´ve had my share of the crying game<<, >>And then before you know where you are /You're sayin' goodbye<<, >>Don´t want no more of the crying game<<.

Jordans Film verschränkt fast jede Spielart äußerer und individueller Gewalt, die den eigentlichen Motiven der Glückssuche und Liebe entgegenstehen. Was wie unbeabsichtigt, aus dem Plot heraus entstanden wirkt, ist große soziale Filmkunst, die auch vom Genre des Melodrams das Beste lernte. Es gibt nicht viele Regisseure, neben den italienischen Neorealisten und Fassbinder, denen das so gut gelingt.

Selten denken, fühlen und handeln einige aus dem Gesamt der Genannten so, als sei alles, -zumindest für sie-, völlig anders. Sie erklären, entweder mehrere Geschlechter gleichzeitig oder nacheinander, ein anderes oder aber gar keines zu besitzen. Dies geschieht völlig unabhängig davon, was andere denken, dazu aussagen, behaupten mögen oder, in der radikalsten Art die nur vorstellbar ist, einem so abweichenden Individuum, oftmals gar mit Autorität ausgestattet, anformen oder wieder ausreden wollen.

Die externen Korrekturwünsche bilden sich meist in bester Absicht. Zum Beispiel aus elterlicher Liebe oder sonstigem, tief empfundenem Verantwortungsbewusstsein und nicht aus erklärtem Hass oder aus unbedingter und unbegründeter Ablehnung, oftmals völlig unabhängig von der beobachtbaren Wirkung.

Noch stärker wirkt jedoch das Bedürfnis, dem Körper des eigenen Selbst oder Ich eine Form zu geben, die es vollständig bestätigen. Dieses subjektive Bedürfnis hat sich, als gesellschaftlich erwünschtes Verhalten, allgemein gesteigert und erweitert, völlig unabhängig von irgendeiner speziellen Geschlechterkategorie.

Selbst offene Gesellschaften achten nur Persönlichkeiten, die sich in ihnen bewegen, als seien sie mit sich selbst kongruent, und sie ertragen zweifelnde, unsichere oder gar widerständig anders lebende Personen nur mühsam, ja feinden sie an. In manchen Kulturen wird sogar schon das Spiel mit der Geschlechteridentität angefochten und abgelehnt. Der Ärger, die Schwierigkeit um das Geschlecht, entsteht also eingebunden in eine alles beherrschende Vorstellung davon, was die Person, das Selbst, das Ich, das „Me“ und dazu abgegrenzt, die je Anderen, ausmacht, und es ist durchaus nicht so, dass die Willensentscheidungen, die so stark priorisiert werden, immer gut sind.

Gerne wird die Problematisierung dadurch rhetorisch umgangen, dass man behauptet, die Hauptsache läge ja in der freien Entscheidung und nicht in deren Folgen. Das ist aber keine sehr praxistaugliche Ansicht, denn die Folgen zu bedenken, ist menschlich, lebensklug und hilft emotional. Sie zu missachten, führt häufig in Elend und Verzweiflung.

Der Körper als Teil des Selbst oder als dessen Manövriermasse

Ich denke, hieraus speist sich das eigentlich problematische Moment, obwohl es immer wieder gut kaschiert wird. Das Ich unserer Kulturen, erachtet seinen Körper als beständig korrekturbedürftig. Ebenso halten es die korrekturwütigen Kollektive der sorgenden Nächsten, gar des Staates, per Fürsorge und Gesetz. Allen gilt es als Akt der Notwendigkeit und Freiheit zugleich, eine entscheidende und manchmal enorm einschneidende Wahl, gar stellvertretend für unmündige Personen, treffen zu müssen und diese Entscheidung dann an sich selbst oder am je überantworteten Körper durchzusetzen.

Dieser Körper ist damit aber nicht mehr frei, ungelenkt und ungelenk zugleich, auf eine seltsame Art selbstverständlich, dem Geist, der Seele, -sofern man an eine glaubt-, eine Heimat, Wohnung, Werkstatt auf Zeit, sondern er wird strikt mit den eigenen Wünschen und ersatzweise, beziehungsweise erzwungen, durch fremde Willen in den Griff genommen. So, wie das manches Mal in der Phase des Erwachsenwerdens, ausgelöst durch den noch immer ein wenig unheimlichen biologischen Reifeprozess geschieht und dann als unbeeinflussbare Macht erlebt wird. Nun heißt es aber länger schon, statt: „Ich weiß nicht, wie mir geschieht!“, „Ich will es, so und so!“ oder, „Wir wollen es!“

Indem man dem eigenen Konstrukt oder der Vorgabe der kollektiven Erziehung und Anschauung, also der Gesellschaft folgt, sich genötigt sieht auf den je gemeinten, je gegebenen Körper zuzugreifen, ihn anzugreifen, ihn als änderbar und veränderbar zu betrachten, gesteht man ein, von der Biologie, viel genauer, von einer materialistischen Betrachtung des Körpers, abhängig zu sein, wo doch denkend und sozial vorgegeben, die Konvention vom ideell freien Menschen, vom entscheidenden Subjekt, vom Ich oder eine Ideologie der vollkommenen Freiheit hochgehalten wird. Teile, manches Mal sogar fast der ganze Körper, werden zum Objekt des Ausdrucks eines Ichs, das eine Dichotomie herstellt, wo Einheit sein sollte. Es zählt das Motto „Mein Körper gehört mir!“, statt: „Ich habe einen Körper.“ Der Körper wird verfügbar und Objekt, obwohl er Teil der Einheit ist. Das Ich geht mit ihm meist so um, wie moderne Kollektive lernen, allgemein mit Material umzugehen. Der Körper wird behandelt, wie Besitz oder Eigentum, -Eigentum und Besitz gelten uns als Persönlichkeitserweiterung-, nicht wie ein gegebenes Sein. - Wenn das nicht eine Tragik ist, weiß ich nicht, was tragisch wäre.

Einen gegebene Körper begreift und akzeptiert heute, anders als zu allen vordenklichen Zeiten, kaum noch jemand in unseren Gesellschaften, obwohl das für die übergroße Mehrzahl der Menschheit weiterhin so ist und so bleiben wird. Der eigene Leib gilt als ein formbares Material der Gestaltung und Selbstdefinition. Der entwickelte Körper häufig verleugnet, gerade nicht angenommen, selbst wenn der Hahn noch dreimal mehr auf dem Mist krähte, er stört! Er muss, das gilt für jedes Geschlecht, auch bei einer ganz eindeutig empfundenen, biosozialen Ausformung, weiter geplant optimiert und verändert werden.

Wer noch ein wenig Verstand des Herzens hat, der weiß, dass darin nicht nur eine Chance zur Selbstverwirklichung und großen Glückes liegt, sondern gar nicht selten, schweres Leid sich erst gründet, weil sich das Leid mit den gekränkten und immer leichter kränkbaren Willen ausdehnt.

Soziale und private Körperwelten

Von „Krankheiten“ heilen, vor „Sünden“ bewahren und vor „Sittenverbrechen“ schützen, möchten erstaunlich viele Bürger ihre Nächsten und gar manche Fernsten. Gleichermaßen halten es ihre jeweiligen ermächtigten Vertreter, in aufgeklärten und in ideologischen Gesellschaften. - Es gibt also immer noch den unerbittlichen, ideologischen Staat, sogar unter demokratischen und republikanischen Bedingungen.

Und es gibt Einzelne, die radikal gegen jede Art von Normabweichung vorgehen, ohne eine wirklich rationale und notwendige Begründung dafür liefern zu können. Diese radikalen Einzelnen leiden dabei meist an ihrer eigenen Normabweichung, nämlich gar nicht akzeptierend und tolerant sein zu können, ohne es als Einschränkung, Angriff und Abwertung der eigenen Person zu erleben. Sogar ästhetische Argumente werden dann ins Feld geführt, obwohl die empfundene Wahrnehmung die größte Offenheit, größte Schwankungsbreite und zugleich leichteste Täuschungsmöglichkeit mit sich führt.

Ein „falsches“ oder „richtiges“ Geschlecht kann weder aus der Sittenlehre, das wäre für aufgeklärte Menschen töricht, noch aus der Bandbreite der Biologie, die selbst gar keine Maßstäbe für richtig oder falsch kennt, sondern je nur einfach ist, hergeleitet werden. - Ich will das hier jedoch nicht weiter betrachten, weil es allzu offensichtlich ist.

Der Raum für Probleme rund um Gender öffnet sich also, trotz bester Absichten, und er ist prinzipiell unendlich.

An manchen Tagen bestimmen Streitereien um die passende Sprache die öffentliche Meinung. Es geht weniger um die härtesten und folgenreichsten, ganz alltäglichen Tatsachen der Selbst- und Fremdqual, sondern darum, wie man Geschlechter und ihren Charakter einkleidet. „Doing Gender“ hat mittlerweile zu viel symbolische Aufladung erfahren, und vielleicht stammen daher viele Schwierigkeiten. Niemand wird durch die Selbstdefinition seines Geschlechts und seiner Herkunft von Geschlechtern, zum Beispiel einer Familie, einem Stamm oder einem Volk anzugehören, eine Ahnenreihe zu besitzen, ein moralisch besserer, wirklich sozialer und zur Liebe fähiger Mensch.

Gegen alle Versuchungen, daraus sofort einen Skandal zu machen und es für ungewöhnlich, ja unmöglich zu halten, diesen Sprach-, Denk- und Realraum so einfach für prinzipiell offen zu erklären, - schon das, löst immer noch hartnäckige Skandalisierungs-, Aberwertungs-, Korrektur- und Widerspruchswünsche aus -, sei angeführt, dass diese Offenheit bei einer Vielzahl anderer Anlässe, Alltäglichkeiten und diskurswürdiger Sachverhalte, unter der Mehrzahl der recht vernünftigen und auch emotional gut gestimmten Mitgliedern der Bürgergesellschaft, in Fragen die mit dem eigenen Ich und dem humanen Feld, in dem sich jeder bewegt zu tun haben, längst als eine Selbstverständlichkeit gilt. - Es sei denn, man sucht sich, was zunehmend schwer ist, eine hohe Säule oder eine andere Einsamkeit. - Selbstverständlichkeit bedeutet nicht, dass das, was so angenommen wird, gut oder böse ist. Es ist nur einfach so.

Ein wenig überhöht, schreibe ich also, es ist eine anthropologische Alltäglichkeit, fast schon ein existenzielles Humanum, entwickelter und lebbarer Gesellschaften, prinzipiell offen und tolerant zu sein. Dafür, das wird nur selten betrachtet und ehrlich zugegeben, wird viel persönliches Leid in Kauf genommen oder gar erst erzwungen, jedoch augenscheinlich besser ertragen, weil es zu dieser, unserer Art Sozialisation zu passen scheint.

Kompliziert wird es, weil Kollektive, aber ebenso auch, -das ist überaus wichtig-, Einzelne, auf ihren Definitionen beharren oder aber, weil die Zuschreibungen, die sie selbst vornehmen, für sie zu absoluten oder doch sehr strengen Forderungen an die Gesellschaft und/oder an sich selbst führen.

Es wäre jedoch völlig verkehrt zu glauben, dass der Ärger, die Verwirrung, der Streit, die Probleme rund um das Geschlecht und seine Bestimmtheit sich vornehmlich zwischen Gesellschaften, Kollektiven, Gruppen abspielte. Das Hauptfeld der Konflikte, quantitativ und qualitativ, liegt weiterhin in der heiligen Kern- oder Erweiterungsfamilie oder ihren Ersatzformen, vom Patchwork bis zur Homoehe, und zuletzt, aber vielleicht am wuchtigsten, in jedem Menschen von dem wir, unter uns, in unserer Mitte, beständig Extroversionen selbstgesteuerter Individualität verlangen.

Verabredete Trunkenheit als Ritual der Aufklärung

Man bedenke, dass selbst dies, nämlich ein Ich, ein Selbst, ein Individuum zu sein, heute betritten wird und gleichzeitig individuelle Kämpfe um und mit diesem Selbst, meist die härteren und folgenreicheren Auseinandersetzungen zeitigen, als ein sittlich- kollektiver oder gar staatlich- rechtlicher Widerstand. Selbstbildangelegenheiten entscheiden heute eher über das Wohl und Wehe eines Menschen in der sogenannten westlichen Zivilisation, die sich gerade vollständig globalisiert, als etwa das Wüten kollektiver Vorurteile und offener Diskriminierung.

Geschichtlich übeliefert ist, dass Menschen schon früh aufzeichneten, was es mit dem Geschlecht auf sich hat und warum sich Glück und Leid daran mehr und intensiver binden, als bei allen anderen biologischen Geschöpfen, die zwar Gechlechter kennen, sogar erkennen, aber darum diese nicht Schicksal und Bestimmung mit ihnen spielen, weil sie keine Begriffe davon bilden, geschweige denn, diese problematisieren.

In der erfassten Humangeschichte, scheint damit alles verwoben. Entstehungsmythen der Menschheit, Religionen, Staatsverfassungen, Erbfolgen, paternale oder matriarchale Lebensverhältnisse, die biologischen Gegebenheiten, die Ich oder Selbstfindung, tiefste individuelle und kollektive Emotionen, ungeschriebene Rechte, also die Sitten, strenge Gesetze, und sogar eine spezifische, bei uns immer mehr bedeutsame, nichtdestotrotz sinnlose, die materielle Welt, wie die Individuen, aufbrauchende Konsumhaltung, mit der in den weitest ausdifferenzierten Gesellschaften ganze Güter- und Dienstleistungsindustrien operieren, von der Kosmetik bis zum Puff, von der Schönheitchirurgie bis zur medizinisch- technischen Umwandlung oder Veränderung der Geschlechtsmerkmale und des hormonalen Status. - Davon ist die heutige öffentliche und medialisierte Kultur völlig durchdrungen.

Selbst die Tatsache, biologisch nicht generativ fähig zu sein, soll durchgängig willentlich, mit dem Einsatz finanzieller und ideeller Mittel, überwunden werden. Sich Generativität zu kaufen, ist heute fast schon ein praktisch selbstverständliches Recht jener, die es sich leisten wollen und können. Die Willens- und Willkürakte in diesem Zusammenhang nehmen einen immer größer werdenden Raum ein, weil mehr Menschen glauben, darin läge eine höhere Glückseligkeit und irgendeine mächtige Bestimmung ihres Lebens, in der man einzeln oder als gesellschaftliches Kollektiv, sich verwirklicht oder aber, was oft verschwiegen wird, scheitert, Leiden veruracht und selbst leidet.

Sind die Geschlechterverhältnisse auf diesen Punkt gebracht, ich könnte von einer absoluten Zuspitzung sprechen, offenbart sie eine Unversöhnlichkeit und zugleich große Unsicherheit mit dem eigenen Sein und seiner Ausformung, wie sie selbst in der Jugend aller Zivilisationen nicht üblich gewesen sein kann.

Im Text des platonisch- sokratischen Gastmahls, dem Symposion, ergreift, unter anderen, Aristophanes das Wort und trägt, nachdem vorher schon die Mythologie vom einstigen Ur- und Einheitsgeschlecht vorgetragen wurde, seine Erweiterung bei. Der Komödiant, Spötter und Satiriker spinnt die mythologische Beschreibung des Arztes Eryximaxchos fort.

>> Denn erstlich gab es drei Geschlechter von Menschen, nicht wie jetzt nur zwei, männliches und weibliches, sondern es gab noch ein drittes dazu, welches das gemeinschaftliche war von diesen beiden, dessen Name auch noch übrig ist, es selbst aber ist verschwunden. Mannweiblich nämlich....<< (…) >>..., jetzt aber, ist es nur noch ein Name, der zum Schimpf gebraucht wird.<<

Dieses ursprünglich vollständige Doppelgeschlecht, >>An Kraft und Stärke<<(...) gewaltig und auch noch zu >>großen Gedanken<< fähig, mit acht Gliedmaßen und zwei Geschlechtsteilen, eher kugelrund als eckig und gliedrig, eher nicht magersüchtig und arm an Geisteskraft, fähig endlos das Rad zu schlagen, erhob sich, wie einst die zur Körperteilsprossung fähigen Giganten, Ephialtes und Otos (Otus), gegen die Götter. Bevor der Olymp gestürmt werden konnte, trennte sie Gottvater Zeus in hilflose Hälften.

Doch wer sollte die Götter ehren, wenn kein Geschlecht mehr übrig blieb? Die grausamen Götter hatten Mitleid mit sich selbst und ihren zerschnittenen Kreaturen. Die, wie eingelegtes Obst, geteilten Geschlechter, sollten sich wieder treffen können. Dazu musste der Kopf mit dem Gesicht nach vorn und ebenso das Geschlecht der ehemals Kugeligen. Zur Erinnerung an den Verlust der Einheit, tragen nun alle Geschlechter einen Nabel und ebenso müssen die neuen Geschlechter aufrecht gehen. Die neuen Mehrgestaltigen, sollen nicht weiter ziellos dahinschickern. Das alles, war einst Zeus Auftrag an Apoll.

Ein Problem bestand: Auf der Oberfläche der kugeligen Hermaphroditen gab es kein Bedürfnis, sich auf die Suche nach einem anderenWesen zu begeben, dieses überhaupt nur zu brauchen. Zuerst suchten die geteilten Menschenhälften des dritten Geschlechts nur nach ihrem je abgetrennten Teil und starben ohne Nachkommen. Das menschliche Urgeschlecht konnten sich nicht ansehen und also weder lieben, noch aburteilen.

Christoph Leusch

(Fortsetzung, Teil II , https://www.freitag.de/autoren/columbus/undoing-gender-trouble-ii )

Literatur:

Judith Butler, "Undoing Gender“, London und New York, 2004

"Beyond Caitlyn Jenner Lies a Long Struggle by Transgender People“, The new York Times, June 14, 2015; http://www.nytimes.com/2015/06/15/us/beyond-caitlyn-jenner-lies-a-long-struggle-by-transgender-people.html

Mary R. Lefkowitz, Die Töchter des Zeus, Frauen im alten Griechenland, München, 1992, Original: "Woman in Greek Myth“, 1986

Hannah Meissner, Die soziale Konstruktion von Geschlecht – Erkenntnisperspektiven und gesellschaftstheoretische Fragen, FU- Berlin, online; http://www.fu-berlin.de/sites/gpo/soz_eth/Geschlecht_als_Kategorie/Die_soziale_Konstruktion_von_Geschlecht_____Erkenntnisperspektiven_und_gesellschaftstheoretische_Fragen/index.html

Platon, Symposion, aus: Platon, Sämtliche Werke, Übersetzung Friedrich Schleiermacher, Hg. Walter F. Otto, Ernesto Grassi und Gert Plamböck, Bd.2, Hamburg, 1957

David P. Schmitt, Sociosexuality from Argentina to Zimbabwe: A 48- nation study of sex, culture, and straegies of human mating, Behavioral And Brain Science, 28, 2005

Deborah Sontag, „Ashley Diamond, Transgender Inmate, Out of Prison, but Not Fully Free“, The New York Times, September 24, 2015; http://www.nytimes.com/2015/09/25/us/ashley-diamond-transgender-inmate-out-of-prison-but-not-fully-free.html?_r=0

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