Von den Isles of Wonder zum Zuckerhut

Olympische Musik Olympia war auf den britischen Inseln nicht nur ein Mega-Sportfest. Nach reichlich Kultur zur Eröffnung und einem klischeehaften Brit-Pop-Abschied, kündigt sich Rio an.

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Laura Marling, das Woman wonder of Great Britain, singt „Goodbye England (Covered in Snow)“ : http://www.youtube.com/watch?v=-87ivR7igWc&feature=related. Nicht teilgenommen.

Rio“, gespielt und komponiert von Hey Marseilles, Seattle, http://www.youtube.com/watch?v=bUPq-zICOOc , aus der ersten CD der Band To travels & Trunks. Eine Erwerbsempfehlung. Dazu der schöne Songtext: http://www.songmeanings.net/songs/view/3530822107858795785/ . Sowieso nicht teilgenommen.


Von den Isles of wonder zum Zuckerhut, eine olympische Hochsommernacht


Anfang und Ende

Die Eröffnungszeremonie der dreißigsten olympischen Spiele der Neuzeit war nicht nur ein gigantisches Fest lebender Bilder, sondern auch ein ganz besonderes Klangereignis. Das festliche Finale der Spiele enttäuschte, im Vergleich dazu.

War die Abschlussparty sehr wohl gigantisch geraten, so fiel die künstlerische Anstrengung doch schwächer aus, weil nicht etwa neue Kompositionen oder eine wirklich geschickte und durchdachte Klangchoreografie die Hauptrolle spielten, sondern aneinander gereiht, die kommerzialisierten Klischees der britischer Pop-Kulturmode abgenudelt wurden. So zählten die Reminiszenzen mehr, und sie mussten für die After show und den Curfew der ansehnlich gelifteten Spice Girls, der Boys von Take That (die echten Berufsjugendlichen), ein paar Laufsteg Supermodels, George Michael, einen künstlichen Roundabout, sowie eine Menge Pop-Zitate und Coverversionen auf der Weltausstrahlungswelle reichen.

Ein kleiner Trost: Roger Daltrey von „The Who“ ist bei so guter Gesundheit, dass er seine Songs aus den Hochzeiten des Brit-Rock immer noch authentisch singen kann. Das lässt an den Fortschritt der musikalischen Weltgesundheit und jeglicher Art der Lebensverlängerung fest glauben. - Nicht jeder Rock- oder Popkünstler muss also wie „Little Billy“ das Kind enden, wenn er zu viel und zu lange mit den Mean pinballs spielt.

The Isles of wonder

Wie macht man Schmiedehämmer melodisch, wie wird aus dem Pfeifen, Raunen, Stöhnen und Ächzen der Maschinen eine Komposition? Was passt zu geschmiedeten olympischen Ringen?

Filmregisseur Danny Boyle (Slumdog millionaire, Trainspotting), der Herr der Eröffnungszeremonie, lud dazu seine langjährigen filmmusikalischen Partner Karl Hyde und Rick Smith ein. Die beiden elektronischen Musiker und DJs, als Duo, ehemals Trio mit dem DJ Darren Emerson, „Underworld“ rund um den Globus bekannt, mixten den Start-Sound der 2012er Spiele.

Underworld arbeitet seit den gemeinsamen Studienzeiten an der Universität Cardiff (Wales) zusammmen. Heute produziert das Paar, neben der eigenen, elektronischen Musik, im Auftrag Filmmusiken, Werbung und Musik für künstlerische Großprojekte. Hyde&Smith erweisen sich als kongeniales Collagistenteam. Eine ihrer überzeugendsten Stärken ist die große Bereitschaft, sich mit ganz unterschiedlichen Musikern und Künstlern zusammen zu finden.

Ihre elektronischen Rave-, Lounge-Musik und Disco-Bühnenshows, mit schier unerschöpflichen Laser-, Licht- und Filmeinfällen, waren während der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts für jede Menge durchhüpfte und durchschwitzte Nächte verantwortlich. Nachdem sich der Single Hit und Filmsoundtrack "Born Slippy .NUXX" als großer kommerzieller Erfolg erwiesen hatte, stand der weiteren Weltkarriere nichts mehr im Wege ( Trainspotting-Collage: http://www.youtube.com/watch?v=5QrsK-QpJo8&feature=channel&list=UL , Live-Konzert, Tokyo, http://www.youtube.com/watch?v=fvc-zfK8G38&feature=related ).

Ein Spaziergang auf der kreativ gemachten Webseite des Duos lohnt (http://www.underworldlive.com/home ). Wer mag, kann sich die Songs der Doppel- CD „Isle of Wonder“ kaufen, die das musikalische Programm der Eröffnungsshow abbilden. Das ist mit Sicherheit kein Fehlgriff. - Schön, eine ihrer Eigenkompositionen für London 2012, „Caliban´s Dream“, hier hören zu können: http://soundcloud.com/underworld/calibans-dream . Mit dieser Elektropop-Hymne im Hintergrund wurde das olympische Feuer entzündet.

Dame Evelyn Glennie, Klangwerks- und Soundperformerin

Heute ist England das Land der Dienstleister. Die weltweit führende Finanzwirtschaft, große Versicherungen und Rentenfonds und die Musikindustrie spielen das Geld der Briten ein. Das moderne Großbritannien erstand jedoch aus Holz, Kohle, Eisen, Stahl und vielen haltbaren Steinen der Portland- Insel bei Weymouth (Ort der olympischen Segelwettbewerbe).

Darauf spielte bei der Eröffnung der Olympiade „Pandämonium“ ( http://www.youtube.com/watch?v=hM0fiegRbTg ), die Komposition zu den rauchenden Schloten und den feurigen Ringeschmieden an. Evelyn Glennie leitete dazu die Schlagwerke an.

Die schottische Perkussionistin hatte sich schon im Vorfeld viele Gedanken gemacht, auf welchem Material das Casting der magischen fünf Ringe musikalisch zu begleiten wäre. Sie zog in die Steinbrüche von Portland um dort ein Steininstrument zu stimmen.

Das Portland- Lithophone war eines der zahlreichen Kunst- und Kulturprojekte im Vorfeld der „Cultural Olympiad 2009-2012“, die unter diesem Namen das ganze Land einbezog und einstimmte. - Hierzulande erfuhr man davon nichts! - Am Eröffnungsabend spielten Glennie und ein Teil der Schlagwerkarbeiter jedoch auf Aluphonen. Der Stein war wohl doch etwas zu sperrig und schwer. Auf der Seite des Portland Sculpture and Quarry Trusts findet sich ein Video, bei dem zunächst die „Shanty men“ aus Peter Kennedys Dokumentarfilm der fünfziger Jahre ihre Arbeitsmelodie anstimmen. Dann erklärt Evelyn Glennie das Lithophone-Projekt: http://learningstone.org/#video .


Der Sommernachtsrest gehört der Vorfreude auf Rio

Marcelo Camelo stammt aus Rio de Janeiro. Gemeinsam mit Rodrigo Barba, Rodrigo Amarante und Bruno Medina gründete er 1997 die bekannteste brasilianische Rock-Band, „Los Hermanos“.

Seit 2007 legen die Künstler eine Pause vom Bandleben ein und verfolgen jeweils eigene Projekte. Marcelo Camelo hat sich als Singer-Songwriter einen Namen gemacht. Noch als Band Los Hermanos fand eine Entwicklung zu mehr traditionellen, brasilianischen Musikanteilen statt.

Carmelos Lieder sind heute Bestandteil der Volkskultur und bedienen sich munter bei den klassischen Formen der Popularmusik, Choro, Samba und Bossa nova.

Marcelo Camelo, „Libertade“:

„Versteh´, das gute im Leben ist ein Geschenk...(...) sei hier, wo das Leben träumt. Freiheit“

http://www.youtube.com/watch?v=_lOvOaMYvYU&feature=relmfu

und „Doce Solidao“

http://www.youtube.com/watch?v=8v4yo1L_aP0&feature=related


Christoph Leusch

Zugabe:

„Rio“: Hey Marseilles segeln um die Welt, um nach Hause zu kommen. Hier die akustisch bessere Version des ersten Megahits dieser typischen Seattle-Band. Ein Freiluft Konzert im Rahmen der Doe Bay Sessions, passend zum Sommer : http://www.youtube.com/watch?v=zAyUJlhya9k

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