Was macht die Regierung Tsipras falsch, ...

Schuldige gesucht Unsere Medien kritisieren nicht die Strukturen des Finanzsystems, die den Wahnsinn in Griechenland und Südeuropa verursachten. Ihnen geht es um Schuldzuweisungen

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Zu cool, zu wenig Demut: Varoufakis und Griechenland
Zu cool, zu wenig Demut: Varoufakis und Griechenland

Bild: ARIS MESSINIS/AFP/Getty Images

obwohl sie in der Sache völlig Recht hat?

Was machen Alexis Tsipras und seine Regierung falsch, obwohl sie in der Sache völlig Recht haben?

Es ist ganz einfach: Die linke griechische Regierung begreift nicht, dass Sachen und Sachverhalte in einer Medien- und Aufmerksamkeitsökonomie gar nichts zählen, dafür aber Erwartungshorizonte, bezüglich des Verhaltens und den jeweils passenden Gefühlsäußerungen, in der Politik und bei den Medien entscheidend sind.

Sie hätten als weinende Griechen anfangen sollen, mit vielen armen und kranken Kindern an der Hand, nicht als sexy Symbole und Ironiker des neuen, linken Griechentums. Das geht vor allem den völlig profillosen Sozialdemokraten in ganz Europa und den großväterlich, großmütterlichen Konservativen, europaweit in einer Einheitskoalition mit den Rosaroten, ziemlich auf den Wecker.- Genauso, sagen sie es auch!

Die Herstellung der konsensualen Meinung

Weil das nicht reicht, muss zur Einheitspolitik auch die Einheitsmedienmeinung kommen, die dann die Mediencouchen der Deutschen mit der entsprechenden mehrheitsfähigen Meinung flutet. - Monatelange Anfütterung zeigt Wirkung in der Meinungsfrage, gar keine Frage.

Sie hätten also mehr bitte, bitte sagen müssen, die Griechen, bei verantwortlichen alten und älteren Herrn und den höheren FinanzverwaltungsbeamtInnen zu Brüssel, Frankfurt, Berlin und New York, vor den Kameras und Mikrofonen.

Medial dürfen selbst wichtige Themen heute nicht zu lange stehen bleiben, -der Gipfel ist erreicht-, sonst verliert der Bürger in der Gestalt des Medienkonsumenten einfach die Lust auf sein Feierabendbier, den Fußball und das Shopping bei Zalando. Das nimmt er dann ganz besonders übel.

Und emotional darf man niemandem auf die Füße treten, der glaubt, er hätte bereits gelitten oder habe schon für die Zukunft erhebliche Opfer bringen müssen, für einen ewigen Bittsteller, Schuldner und Habenichts, obwohl er bisher nicht einen einzigen Urlaub weniger, eine einzige Zigarette weniger, einen einzigen Autokauf oder Fleischkonsum, aufschieben oder weglassen musste und gerade darüber nachdenkt, wie man den eigenen Nachwuchs mit noch ein paar Gadgets, Apps und einem jedes Jahr erneuerten Mediengerät, weiter verblöden kann.

Ganz im Gegenteil, der Bundesbürger, als Maschinen- und Anlagenbauer, hat jahrelang den Griechen U- Boote, Panzer und Telefonanlagen auf Kredit verkauft, dabei auch ein wenig mit Schmiergeld nachgeholfen und ist nun einfach beleidigt, dass die Griechen nicht dankbar genug kriechen.

Die Medien sind beleidigt, weil sich eben zum Beispiel ein Herr Krause von der ARD gegen einem eloquenten und auch noch ausgebildeten griechischen Finanzminister, der tatsächlich auch ein wenig höhere Finanzmathematik beherrscht, sich nur durch die ewige Wiederholung von Biertischargumenten profilieren kann, die auch Opa und Oma vor dem ARD – Programm fehlerfrei nachspielen können und er, qua Sendeprivileg, regelmäßig verkünden darf.

Das Lieblingssprichwort zur Zeit, es gilt als Gipfel der Intelligenz: „Lieber ein Ende mit Schrecken, -wie beim neumodischen Tatort-, als ein Schrecken ohne Ende.“

Der unruhige Schlaf nach den vielen Tagesthemen und Spezialsendungen, nach den täglichen Frontseiten der Tagespresse, er legt doch nahe, dass hier, mitten unter uns, vor Ort, etwas faul ist, im Staate Dänemark. Dass hier bei uns, einiges mit der Politik und der Presse nicht mehr in Ordnung ist.

Die Aufklärung geht baden, sie ist in einer, fast schon ewigen, Sommerpause

Verkauft wird eine Meinung und ein passendes Chartakterbild und da sind die europäischen Medien einfach immer noch unschlagbar. Man kann gegen das öffentliche TV und die Presse keine andere Sicht der Dinge durchsetzen, selbst wenn alles stimmte, was man sagt und schreibt.

Wer sich an deren Spielregeln nicht hält, dem wird nicht nur von den Cheftalkern der Nation at- large, übel mitgespielt (Varoufakis), sondern von praktisch jedem Medium!

Wie leicht das geht, erfahren nicht nur die linken regierenden Griechen, sondern z.B. auch die Linkspartei in Deutschland, wenn sich die Qualitätspresse sogar zu Namensspielchen hinreißen lässt, die sie doch selbst sonst scharf verurteilt! - Also schreibt SPIEGEL- Online, immer mehr der altpreußischen Kreuzzeitung ähnlich, zur kommenden linken Doppelspitze, das sei „Wagenknartsch“ („Linken-Fraktion: Hier kommt Wagenknartsch“, Spiegel Online, fab). Ich weiß nicht, wie man sich fühlt, wenn man ständig solche Titel und Teaser produzieren muss. Ich weiß nicht, welche ChefIn auf sowas abfährt. Aber es ist eben so.

Und der Chefideologe der SZ, für Außen- und Sicherheitspolitik, Stefan Kornelius, bringt, wie fast schon üblich, sein eigenes Beleidigtsein ins Spiel, wenn er die Schuld der linken Griechen-Regierung unter dem Titel: „ Die eigentliche Schuld der Regierung Tsipras“, ein für alle Mal ausruft. Gleich hat er auch noch Podemos am Wickel, die sich an den Griechen nur ein schlechtes Vorbild nehmen könnten und die, ach so europäische, konservative Regierung Rajoy abzulösen drohen.

Wer dann noch neben Putin abgebildet wird, wie nun wiederholt Alexis Tsipras, der hat sowieso schon BILD-mäßig die „Medienarschkarte“ gezogen. Die Selbsteinstufung deutscher Medien, als Qualitäts- oder Boulevardmedien, die kann man bei diesem und anderen Themen mittlerweile getrost als aufgehoben betrachten. Geradeso, wie die gegenseitige, im Ringschluss stattfindende, Auszeichnung als besonders journalistisch, ist das alles nur noch Inszenierung und Willen, unbedingt was zu Meinen, aber kaum Wunsch und Wille, der Wahrheit ein Stückchen näher zu kommen.

Die ganze Griechenland- und Euro- Krise gipfelt am Ende, mitsamt der Randphänomene, in einer Art medialem Adressierungs- und Titulierungskrampf: Die „Panzer“ und „Neunazis“ im Rollstuhl, im Hosenanzug und im Big size- Format, wollen nichts hergeben, obwohl sie bisher sogar was hinten herausbekamen, und die „faulen“, „undankbaren“ und „jammerigen“, gleichzeitig aber auch unverschämt provokanten, gar noch linken Griechen, nehmen schlicht nicht die entsprechende Demutshaltung insolventer Schuldner gegenüber den Abwicklungsplänen der Gläubiger ein.

Es ist zum Mäusemelken, und das geht ja bekanntlich gar nicht.

Christoph Leusch

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